Wie steht es um das Finanzwissen der Deutschen? Und wie präsent sind Stichwörter wie Aktienrente? BÖRSE ONLINE hat mit Experte Robert Peres, Vorsitzender der "Initiative Minderheitsaktionäre", über diese Themen und noch mehr gesprochen.

Robert Peres ist Rechtsanwalt, Publizist und ist als Vorsitzender der "Initiative Minderheitsaktionäre" ebenfalls in eine zuletzt gemeinsam mit dem Meinunngsforschungsinstitut "forsa" durchgeführte Umfrage zum Thema Aktienrente und Finanzbildung eingebunden. Im Interview mit BÖRSE ONLINE erklärt er, wie es um das Finanzwissen der Deutschen steht, welche Verbesserunsvorschläge in der Bildung Sinn machen und welche Rolle die Aktienrente in Zukunft spielen könnte.

Vor allem der jungen Generation scheint es an Finanzwissen zu fehlen, aber...

BÖRSE ONLINE: Herr Peres, in einer aktuellen forsa-Umfrage zum Thema Aktienrente aus dem Jahr 2024, die in Zusammenarbeit mit der „Initiative Minderheitsaktionäre“ entstanden ist, wurde erstmals auch der Bereich Finanzbildung abgefragt. Wie steht es  denn derzeit um das Finanzwissen der Deutschen?

Robert Peres: Wir haben festgestellt, dass sich die Mehrheit der Befragten nicht gut genug informiert fühlt und sich mehr Finanzbildung wünscht. Besonders die jüngeren Generationen bis Mitte 30 gaben zu zwei Dritteln an, nicht genügend Finanzwissen zu besitzen, um fundierte Entscheidungen zur privaten Altersvorsorge treffen zu können. Gleichzeitig sagt ein Drittel dieser Altersgruppe, dass sie sich unter anderem durch die in der Corona-Pandemie bekannt gewordenen Neo-Broker mit dem Thema beschäftigt haben. Es gibt also eine Art Zweiteilung, zumindest unter den Jüngeren.

BÖRSE ONLINE: Ich selbst gehöre zu der Gruppe, die sich erst während der Pandemie intensiver mit dem Investieren an der Börse beschäftigt hat. Nach meinem Eindruck wurde das auch durch zahlreiche Finfluencer auf YouTube oder Twitter gefördert, die verstärkt Inhalte zu Finanzprodukten oder Anlagestrategien veröffentlicht haben – vor allem für junge Menschen. Ist das ein Grund, warum ein Teil dieser Altersgruppe informierter ist?

Robert Peres: Das muss sich nicht nur auf Twitter oder YouTube beziehen. Auch in Onlineforen wie Reddit gibt es viele Finanz-Gurus oder Investmentgruppen, in denen täglich Informationen ausgetauscht werden. Sie erinnern sich sicher noch an den Fall GameStop?

BÖRSE ONLINE: Eine Aktie, die bis heute immer wieder für Schlagzeilen sorgt.

Robert Peres: Das Ganze begann auf Reddit. Dort glaubte jemand, eine Short-Selling-Kampagne entdeckt zu haben und mobilisierte massenhaft Nutzer, die GameStop-Aktien kauften und so den Kurs antrieben. Social Media kann ein guter Einstieg ins Thema Börse sein – aber auch gefährlich, weil dort viele falsche Informationen kursieren. Wenn selbst ein US-Präsident wie Donald Trump Social Media nutzt, um Dinge voranzutreiben, sollte uns das nicht überraschen.

Unsere Wirtschaftskultur ist nicht darauf ausgelegt, sich früh mit Finanzvorsorge zu beschäftigen

Robert Peres, Vorsitzender Initiative Minderheitsaktionäre

Mehr Finanzbildung an den Schulen?

BÖRSE ONLINE: Laut der forsa-Umfrage finden viele Begriffe wie Generationenkapital oder Aktienrente zwar gut und haben davon gehört, wissen aber nicht, wie das konkret umgesetzt werden soll.

Robert Peres: Die Umfrage zeigt, dass der Kapitalmarkt als wichtig erkannt wird und Interesse besteht. Eine gute Maßnahme wäre, wenn man vom Staat ein Aktiendepot bekäme und sich ohne großes Risiko ausprobieren könnte. Interessant wird sein, wie sich die geplante Frühstarter-Rente der CDU entwickelt. Zudem könnte man ein Schulfach einführen, das sich auf Finanzverwaltung konzentriert: Welche Versicherungen brauche ich? Wie kann ich für die Rente vorsorgen? In anderen Ländern gibt es das bereits. Unsere Wirtschaftskultur ist aber nicht darauf ausgelegt, sich früh mit Finanzvorsorge zu beschäftigen. Entweder man lernt es in der Familie oder entwickelt Eigeninteresse. Der Rest verlässt sich auf den Staat oder Versicherungen – und verpasst dadurch im Zweifelsfall viel Rendite.

BÖRSE ONLINE: Es gibt allerdings auch Kritiker, die bezweifeln, dass Finanzbildung in der Schule umsetzbar ist – etwa wegen des Lehrermangels oder fehlender Qualifikation in diesem Bereich. Und eine Auslagerung an externe Institutionen könnte zu Lobbyismus führen. Sehen Sie darin ein Problem?

Robert Peres: Sie haben recht: Es könnte schon daran scheitern, dass Lehrkräfte nicht entsprechend ausgebildet sind. Hier müsste bereits im Lehramtsstudium angesetzt werden und entsprechendes Wissen mitgegeben werden.. Was externe Akteure betrifft: Die Sparkassen als öffentliche oder halböffentliche Institutionen könnten diesen Auftrag gut erfüllen. Schwieriger wird es bei Fondsanbietern oder Versicherungen.

Über das Generationenkapital und mögliche Alternativen

BÖRSE ONLINE: Sie haben zuvor die Scheu vor der Börse in Deutschland angesprochen – diese findet sich auch häufig in der Politik.

Robert Peres: Da ist oft von „Kasino-Mentalität“ die Rede. Ich habe lange in den USA gelebt. Dort existiert neben der umlagefinanzierten Social Security auch das 401(k)-Modell – ein steuerlich begünstigter Altersvorsorgeplan, bei dem Arbeitnehmer Teile ihres Gehalts in Aktien oder Fonds investieren können. Das Verhältnis zur Börse ist dort ganz anders. Viele Amerikaner schauen täglich in ihr Depot – das macht den Markt dynamischer.

BÖRSE ONLINE: Glauben Sie, dass das nun fallengelassene Generationenkapital von der Politik noch einmal aufgegriffen wird? Dahinter stand die Idee, einen Fonds zur unterstützenden Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu etablieren und die Beitragssätze langfristig zu stabilisieren oder sogar zu senken War die Idee grundsätzlich sinnvoll?

Robert Peres: Ich glaube nicht, dass das Generationenkapital in der ursprünglich geplanten Form kommt. Es war eher ein erster symbolischer Schritt, um den Kapitalmarkt einzubeziehen und die Rentenfinanzierung zu entlasten. Der Plan sah vor, frühestens 2035 Renditen zu erwirtschaften. Auch wenn wir es als Initiative unterstützt haben, um Aktiensparen zu fördern, blieb es im gewissen Sinne doch nur Symbolpolitik.

BÖRSE ONLINE: Warum ist das 401(k)-Modell keine Alternative für Deutschland?

Robert Peres: Es wäre eine!

BÖRSE ONLINE: Warum wird dann so wenig darüber gesprochen?

Robert Peres: Die Idee eines Altersvorsorge-Depots, wie sie die FDP vorschlug, ging in diese Richtung – allerdings ohne Arbeitgeberbeteiligung. Das 401(k)-Modell hingegen sieht vor, dass auch Arbeitgeber einzahlen. Das wird gerne gemacht, wenn Fachkräfte gesucht werden und Stellen attraktiver sein sollen. In einer schwachen Konjunktur sinkt aber die Bereitschaft der Arbeitgeber.

Wir bräuchten mehr Prominente oder Politiker, die sich positiv zu Aktien äußern, um Vertrauen aufzubauen

Robert Peres, Vorsitzender Initiative Minderheitsaktionäre

Dieser Punkt geht bei der Finanzbildung laut dem Experten häufig unter

BÖRSE ONLINE: Gibt es beim Thema Finanzbildung einen Aspekt, der oft untergeht?

Robert Peres: Wir bräuchten mehr Prominente oder Politiker, die sich positiv zu Aktien äußern, um Vertrauen aufzubauen. Wenn ein früherer Bundeskanzler wie Olaf Scholz öffentlich sagt, er habe keine Aktien und lege sein Geld auf ein Sparbuch, sendet das ein klares Signal – und hält viele Menschen vom Kapitalmarkt fern. Dabei müsste genau diese Gruppe dorthin. Ein Modell wie das schwedische wäre wünschenswert, doch es fehlt der politische Wille.
(Anmerkung d. red.: Das schwedische Modell sieht vor, dass 2,5 % des Bruttolohns in Aktienfonds investiert werden. Die Versicherten wählen aus staatlichen oder privaten Fonds.)

BÖRSE ONLINE: Trotz der historisch bedingten Skepsis gegenüber Aktien – Stichwort Dotcom-Blase: Haben Sie Hoffnung auf einen Mentalitätswandel bei den Jüngeren?

Robert Peres: Ja, definitiv. Die jüngere Generation merkt, dass die gesetzliche Rente künftig nicht mehr ausreichen wird. Ein Drittel dieser Gruppe handelt bereits und steuert aktiv dagegen.

BÖRSE ONLINE: Laut der Studie „Jugend in Deutschland 2025“ sind viele junge Menschen aber auch verschuldet. Ein Fünftel der 14- bis 29-Jährigen hat finanzielle Schulden – ein Rekordwert. Liegt das auch an mangelnder Finanzbildung?

Robert Peres: Wenn man sich für Bildung verschuldet, ist das weniger ein Problem. In den USA sind beispielsweise Studienschulden normal. Unser Ausbildungssystem ist da weit günstiger. Problematisch wird es beim Konsum: Werbung für Kosmetik, Autos oder Kleidung über Social Media in Kombination mit Ratenzahlungen oder „Buy now, pay later“-Angeboten können zur Schuldenfalle werden. Auch das ist ein Themenfeld, wo mehr Finanzbildung helfen könnte.

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