Neu oder gebraucht? Am Finanzmarkt ist es so ähnlich wie im Secondhandladen. Wer sich ein wenig Zeit nimmt, hat gute Chancen, alte Stücke zu finden, die voll funktionstüchtig sind und im Grunde nichts an Wert verloren haben.

Ein gutes Beispiel sind Expresszertifikate, die schon Monate oder Jahre auf dem Buckel haben und unter oder nahe ihrem Nennwert notieren. Damit können Anleger in seitwärts laufenden Märkten Gewinne erzielen und sich bei moderat fallenden Kursen gegen Verluste absichern. Dies hängt mit dem speziellen Auszahlungsprofil zusammen: Zum Ausgabetag wird das Startniveau des Basiswerts, auf den sich das Papier bezieht, festgelegt. Basiswert kann zum Beispiel eine Aktie oder ein Index sein.

An bestimmten Bewertungstagen wird der jeweilige Kursstand des Basiswerts mit dem Startwert (Expressschwelle) verglichen. Notiert der Basiswert dann darauf oder darüber, wird das Papier vorzeitig fällig. Dann wird Anlegern der Nominalbetrag plus eine festgelegte Zinszahlung ausgezahlt. Wird das Kursziel verfehlt, geht es in eine neue Runde bis zum nächsten Bewertungstag, meist ein Jahr später. Verfehlt der Basiswert die Hürde immer wieder, erhalten Anleger in der Regel keine Zinszahlung.

Sicherheitspuffer bietet Schutz


Jedoch schützt am Laufzeitende die Barriere, die beispielsweise bei 70 Prozent des Startkurses liegt, vor Verlusten. Reicht der Sicherheitspuffer, erhalten Anleger den Nennwert des Papiers - zum Beispiel 1.000 Euro - vollständig zurück. Der Clou: Auch wenn hier das eigentliche Kursziel für die Zinszahlung nicht ­erreicht wird, liegen Anleger mit ihrem Investment leicht im Plus, weil sie das Papier ja im Idealfall unter oder zumindest nahe am Nennwert erworben haben.

Bei einigen Expresspapieren winken sogar noch Zinszahlungen, wenn der Basiswert ein bestimmtes Level erreicht. Es gibt aber auch Risiken: Bricht der Basiswert so deutlich ein, dass die Barriere reißt, nehmen Anleger vollständig an den Kursverlusten teil. Da es etliche verschiedene Expressvarianten gibt, sollten sich Anleger das konkrete Auszahlungsprofil ihres Favoriten ­genau ansehen. Emittenten stellen auf ihren Internetseiten entsprechende Produktinformation zur Verfügung. Auch können sich Anleger telefonisch bei den Zertifikatehäusern erkundigen, wie die Papiere im Detail funktionieren.

Ein Beispiel für ein gebrauchtes Expresspapier ist das Memory Express Stepdown Zertifikat von BNP Paribas auf den Stoxx Europe 600 Basic Resources (ISIN: DE 000 PR8 EYG 3). Der Index enthält 19 europäische Aktien aus dem Rohstoffsektor - Unternehmen aus den Bereichen Industrie­metalle, Minen, Forstwirtschaft und ­Papierindustrie. Zu den aktuellen Schwergewichten gehören die in Großbritannien ansässigen Rohstoffunternehmen Rio Tinto, BHP Group und Glencore.

Sinkende Tilgungslevel


Das Zertifikat wurde im Juni 2018 emittiert, kostet aktuell rund 997 Euro und läuft bis Mitte Juni 2024. Der jährliche Kupon beträgt vier Prozent. Das für die vorzeitige Fälligkeit nötige Kurs­niveau ist 2018 mit 100 Prozent (508,74 Punkte) gestartet und sinkt dann Jahr für Jahr um fünf Prozent. Der erste Bewertungstag war im Juni 2018. Da das Papier nicht vorzeitig fällig wurde, ging es in die nächste Runde.

Der aktuelle Indexkurs liegt bei 490 Punkten. Der zweite Bewertungstag ist der 11. Juni 2019. Wenn das Barometer dann auf oder über dem Kurs von 483,30 Punkten (95 Prozent des Startwerts) notieren sollte, wird das Papier vorzeitig fällig. Anleger erhalten den Nominalbetrag von 1.000 Euro plus die Zinszahlung ausgezahlt.

Die Barriere ist bei diesem Produkt zugleich die Kuponzahlungsschwelle und liegt bei 52 Prozent des Startkurses von 508,74 Punkten, also bei 264,54 Zählern. Wenn der Basiswert an einem der Bewertungstage das für die vorzeitige Fälligkeit relevante Expressniveau nicht erreicht, zugleich aber über oder auf der Kuponzahlungsschwelle (Barriere) notiert, erhalten Anleger den Kupon ausgezahlt, und das Zertifikat läuft weiter bis zum nächsten Bewertungstag. Notiert der Index an einem Bewertungstag unter der Barriere, fällt die Kuponzahlung aus. Sie wird aber nachgeholt, wenn der Index an einem späteren Bewertungstag wieder über der Barriere schließt.

Der für die vorzeitige Fälligkeit notwendige Expresslevel nimmt mit jedem Bewertungstag jährlich um fünf Prozent ab. Am 8. Juni 2020 liegt er zum Beispiel bei 90 Prozent des Startwerts, also bei 457,87 Punkten. Kommt es zu keiner vorzeitigen Rückzahlung, ist am finalen Bewertungstag Mitte Juni 2024 nur noch die Barriere relevant. Notiert der Index dann also auf oder über 264,54 Punkten, erfolgt die Rückzahlung zu 1000 Euro zuzüglich der aktuellen und sämtlicher eventuell ausgefallenen Kupons.

Liegt der Index am Ende unterhalb der Barriere, nehmen Anleger an den Kursverlusten teil. In diesem Fall liegt die Rückzahlung deutlich unter dem Nennwert, zudem entfallen die Zahlungen der ausgefallenen Zinsbeträge. Dieses Expresspapier eignet sich für Anleger, die davon ausgehen, dass der Stoxx Europe 600 Basic Resources künftig nicht drastisch einbricht. Zumindest sollten Investoren fest davon überzeugt sein, dass das europäische Branchenbarometer in gut fünf Jahren auf oder über der Barriere von 264,54 Punkten liegt.

Selbst wenn der Index aus heutiger Sicht bis dahin rund 45 Prozent an Wert verliert, liegen Anleger noch in der Gewinnzone. Geht die Taktik jedoch nicht auf, kommt es zu entsprechend hohen Verlusten. In dem Fall partizipieren die Zertifikatebesitzer an den Kursverlusten eins zu eins.

Marktmeinung bilden


Wichtig für die Kaufentscheidung ist stets die Erwartung, dass der Basiswert die Barriere nicht verletzt. Wird dieses Ziel erreicht, landen Anleger mit ihrem Investment am Ende in den schwarzen Zahlen. Wer sich Zeit für die Suche nimmt, kann also bei "gebrauchten" ­Expresszertifikaten durchaus das ein oder andere Schnäppchen finden.

Glossar:

Barriere: Die Barriere ist eine wichtige Kursmarke des Basiswerts. Bei Emission liegt sie unter dem aktuellen Kurs des Basiswerts. Erreichen die Aktie oder der Index, auf die sich das Zertifikat bezieht, diese Kursmarke, drohen hohe Verluste.

Basiswert: Der Basiswert ist der Wert, auf den sich das Zertifikat bezieht. In der Regel ist dies eine Aktie oder ein Index. Expresszertifikate eignen sich für seitwärts und moderat abwärts laufende Märkte.

Briefkurs: Dies ist der Kurs, zu dem der Emittent das Zertifikat anbietet. Für Anleger, die ein Papier kaufen wollen, ist der Briefkurs relevant - und nicht der Geldkurs. Der Geldkurs ist der Preis, zu dem der Anleger sein Papier verkaufen kann.

Bewertungstag: Dies ist der relevante Tag, an dem das Niveau des Basiswerts, in der Regel per Schlusskurs, festgestellt wird. Dieser Kursstand entscheidet bei Expresszertifikaten über die vorzeitige Auszahlung und die Auszahlung des Kupons. Bei Expresspapieren gibt es während der Laufzeit mehrere Bewertungstage.

Nennwert: Expresszertifikate haben einen Nennwert. Dies ist der maximal mögliche Auszahlungsbetrag pro ­Papier zuzüglich der gegebenenfalls angefallenen Zinsbeträge. Der Nennwert beträgt in der Regel 1.000 Euro oder 100 Euro pro Papier. Schnäppchenjäger suchen Zertifikate, deren Briefkurs unter oder nahe ihrem Nennbetrag notiert.

Zinssatz: Der Zinssatz, auch Kupon genannt, definiert die Höhe der Zahlungen, die Anleger zusätzlich zum Auszahlungsbetrag bei Fälligkeit eines Zertifikats erhalten. Er wird zur Emission festgelegt und bezieht sich in der Regel auf ein Jahr.