Die Gefahren für die Wachstumsaussichten im Euro-Raum würden überwiegen, sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Mittwoch nach der Zinssitzung in Frankfurt. Dabei kritisierte er US-Präsident Donald Trump indirekt. "Die hereinkommenden Daten sind weiterhin schwach, vor allem für die Industrie." An ihren Schlüsselzinsen will sie noch lange nicht rütteln, der Leitzins bleibt bei 0,0 Prozent.

Alle Instrumente könnten, wenn erforderlich, angepasst werden, sagte Draghi. Die Notenbank hatte sich das Jahr 2019 ganz anders vorgestellt. Ursprünglich hatte sie in Aussicht gestellt, die Zinsen nur bis über den Sommer hinaus nicht anzuheben. Davon kann mittlerweile keine Rede mehr sein. Sie will ihre Schlüsselsätze noch bis mindestens zum Jahresende nicht antasten. Der Leitzins zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld bleibt damit vorerst auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Dort liegt er bereits seit März 2016. Damit dürfte Draghi der bislang erste EZB-Präsident werden, in dessen Amtszeit die Zinsen nicht angehoben wurden. Der Italiener tritt Ende Oktober nach acht Jahren ab.

"KLUFT ZWISCHEN WORTEN UND TATEN"


Ab September will die EZB den Geschäftsbanken zudem mit neuen Langfrist-Geldspritzen unter die Arme greifen. Die Konditionen dieser Refinanzierungsgeschäfte wollen die Währungshüter von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung abhängig machen, Details sollen auf einer der nächsten Zinssitzungen geklärt werden. Mit der bereits im März angekündigten neuen Serie von gezielten Langfristkrediten - in der Fachwelt "TLTRO" genannt - wollen die Euro-Hüter dafür sorgen, dass Banken bereitwilliger Darlehen an die Wirtschaft vergeben. Experten gehen davon aus, dass die Geldspritzen vor allem in Südeuropa nachgefragt werden.

Eher bedeckt hielt sich Draghi zur Diskussion um die Einführung eines gestaffelten Einlagensatzes zur Milderung der jahrelangen Negativzinsen. Es habe Übereinstimmung im Rat geherrscht, dass eine weitere Analyse notwendig sei, sagte Draghi. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte Ende März von Insidern erfahren, dass die Notenbank dabei auch einen gestaffelten Einlagensatzes prüft. Geldhäuser müssen bereits seit 2014 Strafzinsen zahlen, wenn sie über Nacht überschüssige Liquidität bei der Notenbank parken. Dieser Einlagensatz liegt momentan bei minus 0,4 Prozent.

Kritisch äußerte sich Draghi zu den protektionistischen Vorstöße der USA im Welthandel. Die immerwiederkehrenden Zolldrohungen aus Washington trügen mit zur wirtschaftlichen Flaute in Europa bei. Es bleibe abzuwarten, was in dem Konflikt tatsächlich geschehen werde. "Oft gibt es zwischen Worten und Taten ja eine große Kluft." Beim Thema Brexit hält der EZB-Präsident nichts von Schwarzmalerei. "Ich bin noch hoffnungsvoll." Auch wenn einige Länder wegen ihrer engen wirtschaftlichen Verflechtung mit dem Vereinigten Königreich stärker vom Brexit betroffen seien, dürfte sich der negative Einfluss auf die Güterwirtschaft insgesamt in Grenzen halten.

rtr