Dies ist für die Europäische Zentralbank (EZB) ein Rückschlag, denn sie strebt mittelfristig eine Teuerung von knapp zwei Prozent an. Sie verfehlt dieses Ziel jedoch seit langem und hat daher jüngst beschlossen, ihre Geldschleusen noch weiter zu öffnen. Teil des auch intern umstrittenen Maßnahmenpakets ist es, wieder Anleihen in großem Stil zuzukaufen.

Die EZB hatte bis Ende Dezember 2018 bereits Papiere im Volumen von 2,6 Billionen Euro erworben, bevor sie dazu überging, nur noch auslaufende Anleihen zu ersetzen. Ab November sollen nun Monat für Monat wieder Zukäufe im Umfang von 20 Milliarden Euro hinzukommen. "Auch wenn es hart klingt: Die von EZB-Chef Draghi all die Jahre propagierte expansive Geldpolitik lief gemessen an der Preisentwicklung ins Leere", meint Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank in Liechtenstein.

Auch innerhalb der Notenbank ist der Kurs des scheidenden EZB-Chefs umstritten. Bundesbankchef Jens Weidmann warf dem Italiener offen vor, mit dem Maßnahmenpaket über das Ziel hinausgeschossen zu sein.

INFLATIONSRATE WIE "FESTGETACKERT"


Auch der jüngst angekündigte vorzeitige Rückzug von EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger wird von Beobachtern mit Differenzen zwischen der Deutschen und dem EZB-Präsidenten in Verbindung gebracht, da sie keinen Hehl aus ihrer Ablehnung einer noch lockereren Geldpolitik gemacht hatte. EZB-Chefökonom Philip Lane will jedoch nichts von Grabenkämpfen in der Notenbankspitze wissen. Es gebe lediglich unterschiedliche Ansichten "über Details der Geldpolitik", sagte er Reuters jüngst.

Auf die Inflationsrate drückten im September insbesondere die Energiepreise. Sie verbilligten sich um 1,8 Prozent und damit drei Mal so stark wie im August. Unverarbeitete Lebensmittel verteuerten sich lediglich um 0,7 (August: 2,5) Prozent. Dienstleistungen kosteten 1,5 (1,3) Prozent mehr. "Vor allem die erneut niedrigeren Energiepreise haben die Teuerungsrate tiefgehalten. Bei rund 1,0 Prozent bleibt die Inflationsrate vorerst festgetackert", so Ökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. Da sich ein nachhaltiger Aufwärtstrend nicht abzeichne, dürfte die EZB seiner Ansicht nach "ihren Expansionsgrad" im nächsten Jahr noch steigern.

Draghi übergibt nächsten Monat das EZB-Spitzenamt an die Französin Christine Lagarde. Dass er praktisch auf den letzten Metern bei der Sitzung am 24. Oktober noch neue Maßnahmen auf den Weg bringt, gilt unter Experten als eher unwahrscheinlich: "Der EZB-Präsident zündete im September sein geldpolitisches Abschiedsfeuerwerk. Die Notenbanksitzung im Oktober dürfte der Noch-Vorsitzende ohne weitere Aktionen beenden", prophezeit EZB-Beobachter Gitzel.

rtr