Zugleich signalisierte EZB-Chefin Christine Lagarde, dass das billionenschwere Corona-Notprogramm PEPP März 2022 enden dürfte. Wie es danach weitergeht, wird im Dezember entschieden, wenn neue Prognosen zur Inflation vorliegen. Diese ist mit 3,4 Prozent weit über das EZB-Ziel von zwei Prozent hinausgeschossen. In Deutschland waren es sogar 4,5 Prozent. Lagarde räumte ein, dass sie von der Dauer des Inflationsschubs überrascht wurde. Doch 2022 werde die Teuerung "Schritt für Schritt" nachlassen. Das Thema habe die Debatte bestimmt: "Wir sprachen über Inflation, Inflation, Inflation."

Noch seien aber die Bedingungen für eine Zinserhöhung in der nahen Zukunft nicht gegeben, erklärte die Französin. An den Finanzmärkten war zuletzt darüber spekuliert worden, dass es schon Ende kommenden Jahres soweit sein werde. International stehen die Zeichen auch wegen der allerorten spürbaren Inflationsgefahr derzeit auf Straffung: Die Bank of England könnte als erste der großen Notenbanken bereits nächsten Monat die Zinsen erhöhen. Für das US-Pendant Fed liegt dies für das nächste Jahr zumindest im Bereich des Möglichen. Nicht so im Euro-Raum, wie Chefökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe meint: "Eine Leitzinsanhebung liegt unverändert in weiter Ferne."

Die Aussicht auf ein Abflauen der EZB-Geldflut gab dem Euro Auftrieb. Er verteuerte sich um 0,6 Prozent auf 1,1675 Dollar. Aus Staatsanleihen südeuropäischer Länder wie Italien oder Spanien ziehen sich Investoren dagegen zurück.

Die EZB rechnet für kommendes Jahr mit einem Abebben des Preisdrucks, der aus ihrer Sicht vor allem durch erhöhte Energiekosten und pandemiebedingte Störungen der Lieferketten und Materialengpässe verursacht wird. All diese Sondereffekte sollten laut Lagarde nächstes Jahr allmählich verschwinden. Ein dicker Brocken dürfte dabei laut Lagarde "ab 1. Januar 2022" aus dem Weg gerollt sein: Der statistische Sondereffekt der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung im Corona-Jahr 2020, der derzeit die Jahresrate bei der Teuerung in Deutschland mächtig in die Höhe treibt.

Rund 73 Prozent der Deutschen sehen die Inflationsentwicklung kritisch, wie aus einer Umfrage des Deutsche Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) hervorgeht. Die anziehende Teuerung sei gefährlich, warnte DSGV-Präsident Helmut Schleweis. "Sie sollte nicht als vorübergehender Effekt nach der Corona-Krise verharmlost werden." Deshalb müsse die Europäische Zentralbank (EZB) im Dezember die Weichen für einen Ausstieg aus der ultra-expansiven Geldpolitik stellen. Auch der scheidende Bundesbankchef Jens Weidmann hatte seine Rücktrittsankündigung mit der Mahnung verbunden, die Inflationsrisiken nicht aus den Augen zu verlieren. Lagarde sieht den Rücktritt zum Jahresende jedoch nicht als Folge der lockeren Geldpolitik in Europa. "Ich bedauere, dass er geht", sagte die Französin. Aus ihrer Sicht gebe es keinen Hinweise, dass er wegen der EZB-Geldpolitik erschöpft gewesen sei.

ENDE VON PEPP ABSEHBAR


"Die derzeit steigenden Inflationserwartungen sind ein besonders starkes Argument für ein Ende der PEPP-Käufe im März 2022. Daran ändert auch die aktuelle Abkühlung der Konjunktur nichts", meint ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann. Mitte Dezember will der EZB-Rat über die Zukunft des Programms entscheiden, wenn neue Prognosen zur Konjunktur und Inflation vorliegen. Lagarde signalisierte nun, dass das Programm Ende März wohl auslaufen werde. "Ob wir den ganzen Kaufrahmen oder nicht nutzen, wird zu sehen sein." Das hänge von den Finanzierungsbedingungen ab. Der Kaufrahmen des Programms, das eines der wichtigsten Instrumente der EZB im Kampf gegen die Folgen der Corona-Pandemie ist, beläuft sich auf insgesamt 1,85 Billionen Euro.

Viele Experten gehen davon aus, dass die EZB nach dem Aus für PEPP dann ihre Anleihenkäufe nicht komplett einstellt, sondern ihr aktuell kleineres Kaufprogramm APP in der einen oder anderen Form weiterführen wird. Die EZB-Chefin ließ sich dazu noch nicht in die Karten blicken und betonte, bei der unorthodoxen Geldpolitik jenseits des Leitzinses seien "Volumina wichtiger als die Laufzeit".

rtr