Um noch länger deutsche Titel zu erwerben, müsste die EZB womöglich ihre Regeln aufweichen oder sogar ändern. Das sei aus rechtlichen Gesichtspunkten heikel, sagten die Insider. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann pocht auf die Einhaltung bestehender Regeln, "um das Risko zu mindern, dass die Geldpolitik ins Schlepptau der Finanzpolitik gerät", wie er kürzlich sagte. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.

An der Börse zogen sich Anleger daraufhin aus Bundesanleihen zurück und trieben die Rendite zehnjähriger Papiere auf ein Zweieinhalbmonatshoch bei minus 0,432 Prozent. Mit Italien-Bonds deckten sie sich dagegen ein.

Die Währungshüter um ihren scheidenden Notenbankchef Mario Draghi hatten im September ein umfassendes Paket zur Stützung der schwächelnden Konjunktur beschlossen. Es sieht unter anderem einen Neustart der Anleihenkäufe vor, die bis zu ihrem Stopp im Dezember 2018 ein Volumen von 2,6 Billionen Euro erreicht hatten. Ab November sollen pro Monat nun wieder Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von 20 Milliarden Euro erworben werden. Die Käufe sollen erst dann beendet werden, wenn die EZB kurz vor einer Zinserhöhung steht. Die Wiederaufnahme der Käufe ist EZB-intern umstritten. Bundesbankchef Weidmann und auch Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau hatten die Entscheidung öffentlich kritisiert.

FLEXIBILITÄT BEIM KAPITALSCHLÜSSEL


Die Programm sieht Kaufobergrenzen für Staatsanleihen von maximal 33 Prozent pro Land vor. So soll verhindert werden, dass die Notenbank zu sehr die Anleihenmärkte dominiert. Das Grundgerüst der Transaktionen ist dabei der sogenannte Kapitalschlüssel, der sich an der Wirtschaftsleistung und Bevölkerungszahl eines Landes orientiert. Daher erwerben die Euro-Wächter besonders viele deutsche Schuldentitel. Den Insidern zufolge stehen den Euro-Wächtern nur noch rund ein Jahr kauffähige deutsche Titel am Markt zur Verfügung, sollten beide Eckpfeiler des Kaufprogramms eingehalten werden.

Zwei weiteren Insidern zufolge wird die Notenbank, sollte sie an die Limits bei deutschen Titeln stoßen, eher Abweichungen beim Kapitalschlüssel zulassen und weniger deutsche Anleihen erwerben, als die Kaufobergrenzen verändern. Beim Kapitalsschlüssel sei bereits eine gewisse Flexibilität angelegt, so dass dieser Weg rechtlich nicht so leicht anfechtbar sei, hieß es. Laut einer fünften Person mit Kenntnis der Zusammenhänge könnten dann "länger als ein Jahr" noch deutsche Titel erworben werden.

Die EZB hat bereits in der Vergangenheit solche Abweichungen zugelassen, etwa bei italienischen, spanischen und französischen Titeln. Die Länderobergrenze zu verletzen gilt dagegen als weitaus problematischer. Nach einem Bericht der "Financial Times" hat der Rechtsausschuss der Notenbank bereits auf die Risiken einer solchen Vorgehensweise hingewiesen. In Deutschland, wo die Käufe ohnehin sehr kritisch gesehen werden, hat der geplante Neustart der Transaktionen bereits deren Gegner um den Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber auf den Plan gerufen. Sie beantragten die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung über die Käufe vor dem Bundesverfassungsgericht.

rtr