Der Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, hat wenige Tage nach der ersten US-Leitzinsanhebung seit Jahren eine weitere Straffung der Geldpolitik angedeutet. Demnach könnten im Jahresverlauf größere Zinsschritte als üblich erfolgen. Powell stellte dabei Zinsanhebungen von jeweils bis zu einem halben Prozentpunkt in Aussicht. Bislang waren Zinsschritte von einem Viertelprozentpunkt erwartet worden. Das hat vor allem Bankaktien angetrieben, die insbesondere im klassischen Kreditgeschäft von höheren Zinsen profitieren.

Powell betonte vor der National Association for Business Economics (NABA), die Notenbank werde "die notwendigen Schritte unternehmen, um die Preisstabilität wiederherzustellen". Der Arbeitsmarkt sei sehr stark und die Inflation viel zu hoch, sagte Powell. Die Verbraucherpreise in den USA waren zuletzt mit 7,9 Prozent so kräftig gestiegen wie seit 40 Jahren nicht mehr.

Die Perspektive erneut höherer Zinsen trieb nicht nur die Aktien von US-Banken an, sondern auch den europäischen Bankenindex Stoxx Europe 600 Banks. Bei den Einzelwerten legten unter anderem Deutsche Bank und Commerzbank jeweils um gut vier Prozent zu.

Die Notenbank hatte erst vergangene Woche die Zinswende eingeleitet und den Schlüsselzinssatz um einen Viertelprozentpunkt auf die Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent angehoben. Es war die erste Zinserhöhung seit 2018. "Die Wirtschaft ist sehr stark und gut positioniert, um eine straffere Geldpolitik zu bewältigen", begründete Powell die Maßnahme. Eine Zinsanhebung um einen halben Prozentpunkt, wie der Fed-Chef sie jetzt in Aussicht stellte, hat es seit 20 Jahren nicht mehr gegeben.

Banken auf Achterbahnfahrt

Bankaktien hatten unter dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs vor vier Wochen besonders zu leiden. Nachdem sie in den Monaten zuvor stark von den Hoffnungen auf eine Zinswende der Notenbanken profitiert hatten, brachen die Kurse der Geldhäuser ebenso kräftig ein. Vor allem jene mit hohen Kreditengagements in Russland wie Unicredit oder Société Générale waren betroffen, aber auch die deutschen Geldhäuser gerieten in den Negativsog. Der Markt befürchtet Forderungsausfälle, hohe Abschreibungen und Ertragseinbußen.

Angesichts der von der Fed eingeleiteten Zinswende sehen deutsche Wirtschaftsverbände die Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck, dem US-Zinssignal zu folgen. Volker Treier, Chef des Außenwirtschaftsverbands BGA, forderte von der EZB im Jahresverlauf maßvolle Zinserhöhungen.

EZB-Chefin Christine Lagarde hat allerdings die europäische Notenbank noch einmal strikt abgegrenzt von ihrem US-Pendant. Beide Volkswirtschaften befänden sich in einer unterschiedlichen Phase des Konjunkturzyklus und seien auch unterschiedlich vom Ukraine-Krieg betroffen. Am Markt werden derzeit bis zu zwei Zinsanhebungen der EZB noch im laufenden Jahr erwartet. Zuvor müssen allerdings die Anleihekäufe beendet werden, was im dritten Quartal geschehen soll. Damit wäre der Weg für eine erste Erhöhung der EZB-Leitzinsen seit 2011 frei.

Die Deutsche Bank hatte sich erst vor zwei Wochen neue Ertrags- und Gewinnziele für die Zeit nach ihrem laufenden Konzernumbau gesetzt. Der deutsche Branchenprimus will die Nachsteuerrendite bis 2025 auf mehr als zehn Prozent erhöhen. Das Ziel für das laufende Jahr liegt bei acht Prozent. In den ersten zwei Monaten 2022 sei bereits eine Rendite von 11,8 Prozent erreicht worden.

Auch die Commerzbank blickte zuletzt optimistischer auf dieses Jahr. So erwartet das Geldhaus ein Konzernergebnis von über einer Milliarde Euro und will erstmals seit Jahren wieder eine Dividende zahlen. Die Commerzbank gilt als eines der zinsabhängigsten Geldhäuser Europas und dürfte von einer Zinswende der Notenbanken besonders profitieren.

ehr