Der Grenzübergang auf der Autobahn A 4 wurde in beide Richtungen zeitweise von der Polizei gesperrt. Der Zugverkehr zwischen Österreich und Deutschland wurde unterdessen am frühen Morgen wieder aufgenommen. Die Verbindung zwischen Salzburg und München blieb jedoch gestört, weil sich Menschen auf den Gleisen befanden. Wie Deutschland will auch Österreich nach Angaben von Kanzler Werner Faymann seine Grenzen verstärkt kontrollieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lud die Ministerpräsidenten der Bundesländer für Dienstagabend zu einem Krisentreffen ein. Die für Dienstag und Mittwoch geplante Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg werde im Gegenzug nicht stattfinden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Ebenfalls am Dienstag werde sich Merkel mit ihrem österreichischen Kollegen Faymann in Berlin treffen. Danach kommt das Kabinett zu Beratungen über die Asyl- und Flüchtlingspolitik zusammen.

Laut Vizekanzler Sigmar Gabriel deutet "Vieles darauf hin", dass Deutschland in diesem Jahr nicht wie geschätzt 800.000 Menschen aufnehmen muss, "sondern eine Million". Entsprechend äußerte sich der SPD-Chef in einem Brief an seine Partei. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dagegen, es gebe zurzeit keinen Anlass, die Prognose zu verändern.

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SEIBERT: DEUTSCHLAND HANDELT WEITER HUMANITÄR



Die Regierung hatte am Sonntag angesichts des anhaltenden Zustroms von Flüchtlingen Grenzkontrollen im Grenzgebiet zu Österreich angeordnet. Der Zugverkehr aus dem Nachbarland war zunächst bis Montagmorgen gestoppt worden. Auslöser war der ungebremste Zustrom von Flüchtlingen nach München, wo allein am Wochenende rund 16.000 Menschen aus Ungarn und Österreich ankamen. Innerhalb der vergangenen zwei Wochen waren es dort 63.000 Flüchtlinge.

Innenminister Thomas de Maiziere bezeichnete die Abkehr von der bisherigen Politik der offenen Grenzen auch als Signal an Europa. Hohe Erwartungen richteten sich an ein Sondertreffen der EU-Innenminister am Nachmittag in Brüssel. Dabei soll über eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge unter den EU-Staaten beraten werden. Diplomaten zufolge ist allerdings unklar, ob es Beschlüsse geben wird.

Faymann sagte, die Grenzkontrollen Österreichs seien ein "klares Signal an die Betroffenen, dass jetzt der ungeordnete Übergang über die Grenze nicht mehr so stattfinden kann". Die Schengen-Regeln zum freien Reiseverkehr innerhalb der EU würden durch die Kontrollen nicht ausgesetzt, sagte der Bundeskanzler. Auch Seibert trat Kritik der Opposition und von Flüchtlingsverbänden entgegen und betonte, vorübergehende Grenzkontrollen seien nicht mit einer Schließung der Grenzen gleichzusetzen. Deutschland werde weiterhin Flüchtlinge aufnehmen und sei geleitet vom Grundsatz der Humanität. Dies müsse aber in einem geordneten Prozess geschehen. Die Kontrollen seien auch aus Sicherheitsgründen nötig.

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"EINE CHANCE, DAS SYSTEM WIEDER IN ORDNUNG ZU BRINGEN"



Seit Wiedereinführung der Grenzkontrollen sind nach Polizeiangaben rund 30 Schleuser und etwa 90 Migranten festgenommen worden. Laut Faymann wurde bislang aber kein Flüchtling nach Österreich zurückgeschickt. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sagte, mit den Grenzkontrollen bestehe "eine Chance, das System wieder in Ordnung zu bringen". Sie seien aber noch keine umfassende Lösung der Problematik. Wie Seibert betonte Seehofer, das Treffen der Ministerpräsidenten mit Merkel am Dienstag werde unabhängig vom geplanten Flüchtlingsgipfel am 24. September stattfinden.

Seehofer mahnte zugleich, je besser Europa seine Verantwortung wahrnehme bei der Verteilung von Flüchtlingen und der Hilfe vor Ort, "desto weniger brauchen wir Grenzkontrollen". Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier forderte, den anderen europäischen Staaten müsse klar gemacht werden, dass es so nicht weitergehen könne.

Vor allem die osteuropäischen EU-Staaten wehren sich gegen den Plan eines verbindlichen Quotensystems. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen nach einem festen Verteilungsschlüssel vorgeschlagen. Anders als Deutschland und Österreich will Tschechien aber vorerst keine Grenzkontrollen an den Übergängen nach Österreich einführen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnte nach der Wiedereinführung von Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze, Flüchtlinge in Ungarn drohten im "lebensgefährlichen Chaos" zu versinken. Es sei das Gebot der Stunde, ein gemeinsames Hilfsangebot an Ungarn zu richten, um das Land bei einer menschenwürdigen Erstaufnahme zu unterstützen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, dessen Land die EU-Ratspräsidentschaft innehat, zeigte im Deutschlandfunk Verständnis für die deutsche Entscheidung.

In Nickelsdorf im Burgenland waren am Sonntag 14.000 Flüchtlinge über Ungarn eingetroffen. Für Montag zeichnen sich weit höhere Zahlen ab. Autofahrer wurden aufgerufen, auf Personen auf der Fahrbahn zu achten und das Gebiet weiträumig zu umfahren.

Reuters