Bei der Allianz begründete Matthias Born seinen Ruf als Koryphäe für europäische Wachstumsaktien. Seit 2017 lenkt er Portfolios mit diesem Fokus für die Privatbank Berenberg und überzeugt erneut mit seinen Anlageergebnissen. Die Fondsredakteure von Euro am Sonntag und den Schwesterpublikationen Euro und Börse Online verliehen Born daher den Titel "Fondsmanager des Jahres 2022".

Euro am Sonntag: Herr Born, die weltpolitische und -wirtschaftliche Lage haben sich seit dem 24. Februar radikal gewandelt. Was haben Sie oder wollen Sie in Ihren Portfolios verändern?

Matthias Born: Es war immer falsch, in solchen Phasen hektisch zu agieren. Historische Vergleiche unterstützen dies, auch wenn es kurzfristig erst mal volatil bleiben kann. Dementsprechend habe ich in meinen Fonds nichts Grundsätzliches verändert, weil ich weiter an langfristiges Investieren glaube und an die unterliegenden strukturellen Wachstumstrends. Direktes Russland-Exposure hatten wir zudem keines. Es gibt zum Teil niedrig einstellige Umsatzexposures, die aber im Gesamtkontext fast zu vernachlässigen sind. Die Abhängigkeiten zu bestimmten Rohstoffen haben wir überprüft und fühlen uns dahingehend robust aufgestellt. Wir haben wenig energie- und rohstoffintensive Branchen im Portfolio.

Wie können sich Qualitätswachstumstitel bei höherer Inflation und schwächerem Wachstum schlagen?

Zunächst einmal gilt es zu sagen, dass das von Ihnen beschriebene Umfeld, also die sogenannte Stagflation, natürlich alles andere als positiv für den allgemeinen Aktienmarkt ist. Ob dieses Negativszenario dann auch eintritt, wird sich aber erst noch zeigen. Fest steht, dass in einem inflationären Umfeld die Unternehmen positiv herausstechen, die höhere Kosten an die Kunden weitergeben können, also von Preissetzungsmacht profitieren. Darüber hinaus dürfte der Aktienmarkt, bei einem sich abflachenden Wirtschaftswachstum, die Unternehmen, die strukturell und von der Wirtschaft unabhängig wachsen können, mit einer relativ gesehen höheren Bewertung honorieren. Heißt also, Qualitätswachstumstitel sollten sich zumindest relativ gesehen, in solch einem Umfeld gut schlagen.

Welche Marktsegmente rücken für Sie 2022 besonders in den Blick? Und wovon lassen Sie lieber die Finger?

Zuletzt wurde am Markt viel über Aktien aus sogenannten Value-Sektoren, wie Bank- und Energietitel sowie anderen rein zyklischen Bereichen diskutiert. Wir stehen diesen Sektoren weiterhin skeptisch gegenüber, da wir keine Anzeichen dafür sehen, dass sich die strukturellen Gegenwinde der letzten Jahre nachhaltig umkehren. Die in unseren Augen kurzfristige und vor allem zyklisch getriebene Erholung dieser Titel ist darüber hinaus auch schon in den Bewertungen reflektiert und daher kaum noch attraktiv. Stattdessen sehen wir Chancen bei einigen Wachstumstiteln, deren Bewertungen zuletzt stark unter die Räder kamen. Hier werden wir selektiv zuschlagen.

Welche Tugenden zeichnen einen guten Fondsmanager aus?

Ich denke, dass Erfahrung eine große Rolle spielt. Man sollte schon einige Zyklen mitgemacht haben. Und damit meine ich nicht nur Konjunkturzyklen, sondern auch Zyklen im Portfolio. Es ist wichtig, dass man auch Phasen der Underperformance gut managt. Das muss man ebenfalls lernen.

Wie wichtig ist Teamarbeit beim Fondsmanagement?

Sehr wichtig. Auch wenn ich es jetzt bin, der einen schönen Titel bekommt, hätte ich diese Leistung nicht allein erbringen können. In den vergangenen Jahren haben wir bei Berenberg ein tolles Team aufgebaut. Und gerade in Marktphasen wie dieser ist es wichtig, dass ich nicht allein dastehe und mir Gedanken mache, sondern dass wir im Team kontrovers diskutieren oder uns in unseren Ansichten stärken.

Das hört sich nach überzeugtem Teamplayer an ...

Damals, als ich bei Allianz Global Investors war, habe ich zwei Teams mit aufgebaut: das für Small Caps und das für Wachstumsaktien. Das habe ich bei Berenberg wieder gemacht. Und ich freue mich, dass das Team hier gut harmoniert, den gleichen Investmentstil vertritt, aber trotzdem auch die Fähigkeit besitzt, sich mal gegenseitig zu kritisieren. Wir haben hier vor vier Jahren quasi bei null begonnen. Wenn man so etwas gemeinsam aufbaut, schweißt das zusammen.

Wie lange beschäftigen Sie sich schon mit Wachstumsunternehmen?

Seit gut 20 Jahren. Ich habe 2001 angefangen, den dit Wachstum Deutschland zu managen (dit: Deutscher Investment Trust; Anm. d. Red.), dazu noch Small-Cap-Portfolios. Also, ich kenne diese Art von Aktien schon sehr lange.

Wie unterscheidet sich die Arbeit bei Berenberg von der bei Ihrem vorherigen Arbeitgeber?

Meine jetzige Arbeit macht mir viel Spaß. Aber ich wäre nicht 16 Jahre bei der Allianz geblieben, wenn das nicht auch gepasst hätte. Alles hat eben seine Zeit. Ich denke, beide Welten einmal zu sehen, hat Vorteile. Weil ich weiß, wie’s auch anders funktioniert. Grundsätzlich haben wir als kleiner Anbieter schon den Vorteil, dass wir sehr effizient agieren können und dass wir einen klaren Fokus auf einen Investmentstil und wenige Portfolios haben.

Und die Nachteile?

Der entscheidende Nachteil ist am Ende sicher die geringere Vertriebspower. Das ist schon ein Riesenvorteil bei den großen Häusern: Die Marken sind bekannt und die Vertriebswege ausgebaut. Das haben wir alles nicht in dem Umfang. Für uns ist es herausfordernder, neues Anlagekapital zu akquirieren.

Sie müssen durch pure Leistung überzeugen.

Am Ende müssen das die großen Anbieter auch. Aber dort hat man natürlich durch anhängende Vertriebswege ein gewisses finanzielles Grundrauschen.

Wie wird es bei Berenberg im Asset-Management weitergehen?

Wir wollen nicht überdiversifizieren, sondern weiter auf den Themen aufbauen, bei denen wir uns stark fühlen. Das ist zum einen der Aktienbereich, den ich verantworte. Daneben aber auch der Multi-Asset-Bereich. Dort haben wir über die vergangenen Jahre ebenfalls eine starke Kompetenz aufgebaut und gute Ergebnisse erzielt. Deutschland ist ein großer Multi-Asset-Markt, und wir sind in diesem Bereich noch sehr klein. Es besteht also viel Potenzial, dort zu wachsen.

Wollen Sie überhaupt keine neuen Themen hinzunehmen?

Punktuell verbreitern wir uns schon. Wir haben zum Beispiel erst kürzlich einen Fonds aufgelegt, der in internationale Micro Caps investiert. Das findet man bei anderen Anbietern nicht. Wir streben einen Mix an - zum einen sehr innovative Produkte, zum anderen eine Reihe an Blockbustern, mit denen sich Geld akquirieren lässt.

Wo fehlt Ihnen noch Kompetenz?

Wo wir im Aktienbereich noch einen weißen Fleck haben, das sind Schwellenländer. Hier mit einem Produkt präsent zu sein, darüber denken wir nach.

Sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Wachstum des Asset-Managements?

Durchaus, wenn man bedenkt, dass wir 2017 mit einem einzigen Aktienfonds mit 50 Millionen Euro Anlagekapital gestartet sind. Das war der Berenberg Aktien Mittelstand. Heute verwalten wir allein im Aktienbereich rund acht Milliarden Euro. Dazu kommen auf der Fondsseite noch eine Milliarde Euro in Multi-Asset-Portfolios und rund 1,2 Milliarden Euro in Anleihefonds.

Welche Marktphasen sind Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?

Die Finanzkrise ist sicherlich ein prägendes Ereignis für jeden, der in unserer Branche arbeitet. Sehr lehrreich empfand ich auch die Zeit des Neuen Markts und der Tech-Bubble. Diese Phase hat sicherlich meinen Anlageansatz entscheidend mitgeprägt. Ich habe festgestellt: Geschäftsmodelle, die es erst seit zwei Jahren gibt und die auch in fünf Jahren geschätzt noch keinen Gewinn erwirtschaften werden, das ist nichts für mich. Ich konzentriere mich bei der Aktienauswahl lieber auf bereits profitable Unternehmen.

Eine wichtige Einsicht ...

Die Zeit der Tech-Bubble hat mir auch geholfen, bei Gesprächen mit Management-Teams ein gewisses Gefühl dafür zu entwickeln, welche Strategien nachhaltig sind. Ich jedenfalls habe damals viel dazugelernt, was Aussagen und Versprechungen von Managern angeht, aber auch, was die verschiedenen Arten von Geschäftsmodellen betrifft.

Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit für Berenberg?

Wir setzen das Thema so um, dass es zu unserem Ansatz passt und dass wir uns nicht verbiegen müssen. Dabei haben wir das Glück, dass ein Quality-Growth-Ansatz sehr gut mit ESG-Kriterien harmoniert. Wir haben in den vergangenen Jahren nicht nur das Asset Management, sondern auch ein ESG-Office mit drei Personen neu aufgebaut. Und wenn man das gemeinsam entwickelt und hinter dem Ansatz steht, gibt es später viel weniger Friktionen zwischen den Portfoliomanagern und dem ESG-Team. Der zweite Punkt ist, dass die Portfoliomanager bei uns auch selbst die ESG-Analyse für die Unternehmen machen müssen, in die sie investieren. Dabei werden sie dann natürlich von den Experten des ESG-Teams unterstützt.

Wie sehr verlassen Sie sich dabei auf die Ratings von ESG-Datenanbietern?

Wir glauben, dass man nicht allein auf Ratings basiert investieren kann. Die Rating-Provider sind sicher ein nützlicher Datenlieferant. Aber man muss immer auch den jeweiligen Hintergrund betrachten. Es gibt beispielsweise Firmen, die nicht genug Ressourcen haben, um ein umfangreiches Reporting zu erfüllen. Im Nebenwertebereich ist das häufig der Fall. Das heißt: Wenn ich rein nach Ratings investieren würde, bekäme ich ein Portfolio mit sehr wenigen Small Caps.

Gibt es Überlegungen, die Nachhaltigkeit bei der Unternehmensauswahl stärker ins Schaufenster zu stellen?

Nein. Wir haben das bisher vermieden, weil wir gesagt haben, wir machen das ja schon immer so. Wenn der Berenberg European Focus Fund jetzt plötzlich ein "Sustainability" im Namen tragen würde, suggerierte das ja dem Investor: Jetzt ist er nachhaltig, jetzt macht er was anderes. Aber das ist ja nicht der Fall, insofern wäre das eine Irreführung.
 


Seine Fonds:

Qualität und Wachstum

Matthias Born managt mit dem Berenberg European Focus sowie dem Berenberg Eurozone Focus zwei Portfolios, in denen europäische Qualitätswachstumstitel versammelt sind. Letztgenannter Fonds konzentriert sich dabei nur auf die Länder der Eurozone. Born und sein Team legen Wert auf stetiges Gewinnwachstum. Ihr Investmenthorizont beträgt drei bis fünf Jahre.
 


Vita:

Der Europa-Meister

Matthias Born (47) ist seit 2017 Chefanlagestratege für Aktien bei der Privatbank Berenberg. Er studierte BWL in Würzburg. 2001 ging er zu Allianz Global Investors, wo er zunächst einen Aktienfonds für deutsche Wachstumswerte sowie Portfolios für europäische Nebenwerte managte. Viele Jahre lenkte er zudem den Aktienfonds-Klassiker Concentra.