BÖRSE ONLINE: Wieviel Spielraum hat die EZB bei ihren in Aussicht gestellten Zinssenkungen?
Friedrich Heinemann: Die EZB kann den Zins nur noch symbolisch senken. Sinken die Zinsen zu tief in den negativen Bereich, beginnt die Flucht ins Bargeld, das einen attraktiven Nullzins bietet.

Erreicht die EZB ihre Ziele mit einer kleinen Zinssenkung?
Nein, damit kann sie die Inflation nicht nachhaltig beleben. Deshalb bringt sie weitere Wertpapierkäufe ins Spiel. Aber auch die haben Nachteile. Die größten Fans der EZB sitzen in der italienischen Regierung. Die Aussicht auf noch mehr EZB-Anleihekäufe hat die Renditen italienischer Staatsanleihen abstürzen lassen. Daran sieht man die Fehlanreize einer extrem expansiven EZB-Geldpolitik. Das ist ein Teufelskreis. Der einzige Weg zu höherem Wachstum und höherer Inflation läge in einer mutigen Reformpolitik der EU-Staaten. Das billige EZB-Geld finanziert aber gerade die Reformverweigerung populistischer Politiker und ihrer Wähler.

Draghi hat sogenannte Staffelzinsen ins Spiel gebracht, um die negativen Folgen der EZB-Politik für Banken über Freibeträge einzudämmen. Verbessert das die Perspektiven der Geldhäuser?
Das Potenzial von Staffelzinsen wird überschätzt. Erleichterungen für Banken widersprechen den Zielen der EZB-Geldpolitik. Sie darf auch keine Wettbewerbsverzerrungen in den Bankenmarkt tragen. Ich rechne nicht mit einem großen Wurf.

Die Niedrigzinspolitik belastet die Banken mit Milliardenkosten. Die Geldhäuser in Deutschland haben es bislang vermieden, diese an ihre Kunden weiterzugeben, sehen aber dafür kaum noch Spielräume. Erwarten Sie, dass sich "Strafzinsen" für Bankkunden durchsetzen lassen?
Faktisch ja. Versuche von Verbraucherschützern, dies zu verhindern, sind naiv und werden scheitern. Wenn es den Banken formal nicht gelingt, Kundeneinlagen mit Negativzinsen zu belegen, dann müssen die Geldhäuser eben in Gebühren ausweichen. Für die Profitabilität ist es egal, ob das Kind "Strafzins", "Verwahrentgelt" oder -"Kontoführungsgebühr" heißt.