Der Paradigmenwechsel ist da. Vorbei sind die Zeiten, während der Videospieler mit dem Stigma des kindischen Wunderlings versehen wurden. Gaming als Zeitvertreib ist mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert, weshalb immer mehr Menschen den Griff zu Gamepad und Tastatur wagen. Laut Statistik zählen 2021 mehr als 3,2 Milliarden Menschen zum Kreis der regelmäßig aktiven Gamer, während noch im Jahr 2016 nur etwas mehr als zwei Milliarden Menschen regelmäßig gedaddelt haben.

Für einen zusätzlichen Schub sorgten die Lockdowns im letzten Jahr, als Millionen von Menschen mangels Alternativen nach neuen Freizeitbeschäftigungen suchten und dann vielfach bei Videospielen hängen blieben.

Pandemie-Gewinner

Somit gehörte auch der Gaming-Sektor zu den klaren Corona-Gewinnern des Jahres 2020. Die Umsätze und Gewinne der führenden Unternehmen aus dem Sektor bekamen dadurch einen zusätzlichen Boost, die Aktienkurse profitierten überproportional. Wie immer an der Börse folgte im Anschluss an die Party der Kater. So war es zu Beginn des Jahres vorbei mit der Herrlichkeit. Die Lockdown-bedingten Umsatzsteigerungen des Jahres 2020 konnten 2021 nicht mehr ohne Weiteres wiederholt werden. Dazu gesellten sich noch zahlreiche Verschiebungen neuer Spieleblockbuster, woraufhin Analysten und Investoren vielen Gaming-Aktien verschnupft den Rücken kehrten.

Besonders dem durch die "Call of Duty"-Reihe sowie "World of Warcraft" berühmt gewordenen westlichen Gaming-Giganten Activision Blizzard bläst vom Markt derzeit ein besonders rauer Wind entgegen. Erst vor wenigen Tagen wurde der Titel angesichts der verschobenen Hoffnungsträger "Overwatch 2" sowie "Diablo 4" mit knapp 15 Prozent abverkauft. Dabei befindet sich die Aktie wegen Sexismus-Skandal und der Schwäche beim einstigen Aushängeschild "World of Warcraft" bereits so schon im Sinkflug.

Dass man bei Activision Blizzard die Kirche aber im Dorf lassen sollte, zeigt sich am überaus stabilen Zahlenbild. Die "Call of Duty"-Reihe ist und bleibt eine Cashcow mit über 119 Millionen aktiven Spielern; der neueste Titel "Vanguard" wurde zudem am letzten Freitag veröffentlicht. Dazu gesellt sich seit der Übernahme des Handyspiele-Publishers King noch eine hervorragende Stellung beim extrem wichtigen Mobile-Gaming. Denn rund die Hälfte des umsatzseitig 175 Milliarden Dollar schweren weltweiten Gaming-Markts entfällt auf Spiele für Smartphones und Tablets. Trotz auslaufender Lockdowneffekte rechnet der Konzern auch in diesem Jahr mit weiter anziehenden Umsätzen und Gewinnen.

Wenn auch charttechnisch suboptimal, sorgt der jüngste Abverkauf für eine gute Einstiegsgelegenheit. Die Bilanz ist stabil. Activision Blizzard ist sogar nettoschuldenfrei und mit einem 2022er-KGV von 17,4 ein antizyklischer Leckerbissen, zumal der Konzern zuletzt meist mit einem KGV zwischen 25 und 30 taxiert wurde.

Interessant, aber nicht ohne Risiko

Noch deutlicher wird die Unterbewertung bei Tencent, dem chinesischen Tech-Giganten. Die Milliarden-Dollar-Gewinne, die der Konzern aus dem Reich der Mitte mit der Wechat-App sowie vielen anderen digitalen Dienstleistungen über die Jahre generierte, steckte der Konzern in unzählige Übernahmen und Beteiligungen, darunter Tesla, Snapchat sowie den chinesischen Handelskonzernen Meituan und Vipshop.

Das Gaming-Portfolio ist hierbei besonders stark. Mit Beteiligungen an Activision Blizzard, Ubisoft, Epic Games (Fortnite) und dem vollständigen Besitz von Riot Games (League of Legends) sind die Chinesen so etwas wie das Berkshire Hathaway der Gaming-Industrie. Aufgrund regulatorischer Einschränkungen in China (so dürfen Minderjährige inzwischen nur noch drei Stunden pro Woche mit Onlinespielen verbringen, auch wird der Absatz mit In-Game-Käufen stark eingeschränkt) sowie der Unsicherheiten in Zusammenhang mit der chinesischen Immobilienblase ist die Aktie so günstig wie seit 2013 nicht mehr. Unter Einbezug aller Beteiligungen weitet sich die Unterbewertung noch eklatanter aus. Da Tencent aber, wie einige andere Unternehmen auch, von der chinesischen Regierung an die Kandare genommen wird, sind wir vorsichtig und belassen den Titel auf "Beobachten".

Angesichts der Kurshalbierung seit 2018 wird auch Ubisoft bewertungstechnisch nun wieder interessant. Allerdings bringen die Franzosen auch die tiefsten Margen der betrachteten Unternehmen mit. Mit der 2022 anstehenden Veröffentlichung eines Spiels im Setting von James Camerons Filmblockbuster "Avatar" aus dem Jahr 2009 und dem jüngst veröffentlichten und gut angelaufenen neuesten Teil der erfolgreichen "Far Cry"-Serie könnte der Turnaround gelingen.

Zum Kreise der Aktionäre gehört auch immer noch die Gründerfamilie rund um Yves Guillemot, der mitsamt einiger Familienmitglieder den Konzern leitet. Die prall gefüllte Pipeline an Spielentwicklungen sorgt bei der Aktie für Aufholpotenzial - aus diesem Grund stufen wir den Wert wieder auf "Kaufen" hoch.

So wird neben "Avatar - Frontiers of Pandora" unter anderem gleichzeitig an einem neuen Spiel im Star-Wars-Universum, "Rainbow Six Extraction", sowie "Skull & Bones", einem Spiel im Setting der Freibeuter-Ära des 18. Jahrhunderts gearbeitet.

So viel kreatives Hirnschmalz muss der Sportspiel-Champion Electronic Arts (EA) indes nicht aufbringen, der mit jährlich neu erscheinenden Versionen des Fußballklassikers FIFA und weiterer Sport-Franchises kaum Innovationen bietet, dafür aber fortlaufend die Preise erhöht. Das sorgt regelmäßig für Unmut bei den Spielern, die mangels Alternativen aber doch immer wieder zu FIFA & Co greifen. Für EA sorgt dies indes für Nettomargen zwischen 25 und 30 Prozent.

Mit In-Game-Käufen verdient man sich zusätzlich eine goldene Nase - damit können sich Gamer beispielsweise bessere Ausrüstung, Utensilien oder einfach nur schicke Accessoires zulegen. Was für Außenstehende bizarr wirken mag, bedeutet für die Gaming-Konzerne Milliardenumsätze. Diese erweitern bei EA auch für das weitere Flaggschiff "Battlefield" das Umsatzspektrum, dessen neuester Ableger "Battlefield 2042" ab dem 19. November zum Verkauf steht und von dem hohe Einnahmen erwartet werden.

Während Electronic Arts aus Sicht vieler Gamer seine Kunden auspresst wie Zitronen, genießt der US-Spieleentwickler Take Two derweil ein hervorragendes Renommee in der Spielergemeinschaft. Die New Yorker stehen für qualitativ hochwertige Spiele mit Tiefgang und gut erzählten Stories, die die Spieler für unzählige Stunden vor die Bildschirme fesseln.

Nicht umsonst hat sich der fünfte Teil des Flaggschiffs "GTA" über 150 Millionen Mal verkauft und steht damit auf Platz 2 der meistverkauften Spiele aller Zeiten. Dafür weist die Aktie auch die höchste Bewertung von allen beschriebenen westlichen Gaming-Schmieden auf. Die Veröffentlichung einer grafisch überarbeiteten "GTA"-Trilogie mit älteren Teilen im November bzw. "GTA 5" im Frühjahr 2022 werden für weitere Impulse sorgen. Schwäche zeigte der Konzern bisher nur im Bereich Mobile Gaming.

Mit einem Umsatzanteil von zehn Prozent im dritten Quartal und einem Wachstum von 68 Prozent gegenüber dem Vorjahr beweist das Unternehmen, dass es auch in diesem enorm wichtigen Segment Fuß zu fassen gedenkt.

Eine Milliarden-Branche

Dem Researchhaus Mordor Intelligence zufolge soll der Gaming-Sektor von 175 Milliarden Dollar im Jahr 2020 auf 314 Milliarden in 2026 anwachsen. Das entspricht einem prozentualen jährlichen Zuwachs von knapp zehn Prozent. Und die Ankündigungen von Microsoft und Facebook hinsichtlich des virtuellen Paralleluniversums Metaverse (unser Branchenreport der vergangenen Woche), von dem gerade Spielekonzerne mit ihren digitalen Spielewelten enorm profitieren sollten, wird in dieser Rechnung noch nicht einmal einbezogen. Das langfristige Bild stimmt demnach also.

Wem Einzelaktien zu riskant sind und wer seine Investitionen daher lieber über mehrere Titel aus dem Sektor verteilt, könnte den VanEck Vectors Video Gaming and eSports ETF ins Auge fassen - unser aktueller Fonds der Woche, der auf Seite 22 genauer unter die Lupe genommen wird.

 


Auf einen Blick

Gaming

Computer- und Videospiele sind angesagt, die Pandemie gab dem Ganzen noch einen Schub. Der Sektor aber verzeichnet seit Jahren stetige Zuwächse. Bei E-Sports-Turnieren fließen Millionenbeträge an die Gewinner.