von Andreas Büchler




Chart 1 - DAX Intradaychart auf Fünf-Minuten-Basis



In einer Hausse vergessen Marktteilnehmer gerne einmal für einige Zeit die Realität. Man ist so sehr an steigende Kurse gewöhnt, dass die Phasen davor gerne einmal ausgeblendet werden. In dieser Situation befindet sich der DAX derzeit, da fast täglich ein neues Hoch markiert wird. Viele dieser frischen Spitzenwerte sind zugleich Allzeit-Höchststände: Gestern schloss der Index bei 10.911 Punkten ebenfalls auf Rekordstand, im Tagesverlauf lagen die Notierungen am Dienstag allerdings schon weitaus höher und kratzten beinahe an der 11.000er-Marke - daran konnte der DAX zur Wochenmitte nicht mehr anknüpfen.

Allerdings stabilisierten sich die Kurse am Mittwoch nach einem kurzzeitigen Rückschlag bereits an der oberen Grenze der ersten stärkeren Unterstützungszone, die momentan von 10.760 bis 10.800 Punkte verläuft. Damit ist das Warnsignal im Kerzenchart (Shooting Star, siehe Seite 4), über den wir gestern ausführlich berichtet haben, bislang nicht bestätigt. Kritisch wird es erst wenn sich an der nächstgelegenen Unterstützung, die auch heute wieder auf den Prüfstand kommen könnte, nicht mehr genug Käufer für eine Stabilisierung finden. Diese Entwicklung sollten Anleger verstärkt im Blick behalten.

Kommt es dazu, dürften die nächsten Kursziele bei 10.650 und 10.550/10.600 Zählern bald erreicht werden, auch eine Korrektur bis zurück an den bereits lange nicht mehr erreichten Monatsmittelkurs bei aktuell 10.325 Punkten und die knapp darunter liegende 10.300er-Marke sind nicht allzu unwahrscheinlich. Dort hätte der Index die Hälfte der letzten größeren Aufwärtswelle von 9637 auf 10.984 Zähler nach unten korrigiert - das so genannte 50%-Retracement ist ein beliebtes Kursziel und damit eine häufig verwendete Orientierungsmarke für den Wiedereinstieg in kleineren Marktkorrekturen.

Wie bereits eingangs angesprochen erscheint ein Kursrückgang in dieser Dimension aktuell noch unvorstellbar, da alle nach vorne blicken. Doch ausgehend vom momentanen Indexstand ist das nur eine Strecke von sechs Prozentpunkten und damit nicht der Rede wert. Insbesondere wenn sich die Kurse nun schwer damit tun, über die 11.000er-Marke zu steigen, erhöht sich die Eintrittswahrscheinlichkeit für ein Korrekturszenario deutlich.

Neben dem bereits angesprochenen Shooting Star ist ein weiteres Warnsignal erkennbar, auf das wir ebenfalls schon hingewiesen hatten, und das sich in der laufenden Woche erneut bestätigt: Tage mit einer schwächeren Kursentwicklung wie der Dienstag, an dem die Notierungen sich nicht lange auf dem im Tagesverlauf erreichten Hoch halten konnten, weisen ein stärkeres Handelsvolumen auf, als Tage mit einem eindeutig positiven Trend. Dies zeigt, dass Investoren die Stärke des Marktes zum Abverkaufen ihrer bestehenden Positionen nutzen - eine absolut übliche Vorgehensweise nach Gewinnen in dem Ausmaß, wie wir sie in den vergangenen Wochen und Monaten gesehen haben.

Seit dem Tief Mitte Oktober 2014 hat der Markt bereits um mehr als 30 Prozent zugelegt, da denken selbst spekulativ orientierte Anleger langsam an Gewinnmitnahmen. Insbesondere institutionelle Investoren, die oft nachhaltigere Risikokontrollmechanismen haben, achten dabei auch auf Anzeichen einer langfristigen Überhitzung: So hat sich der DAX um fast 13 Prozent von seinem langfristigen Durchschnittskurs, der 200-Tage-Linie, nach oben abgesetzt. Werte um 14 Prozent waren in den vergangenen fünf Jahren das Maximum (siehe Chart auf Seite 3).

Doch wenn die Rally zum Selbstläufer wird, dann kann den Deutschen Aktienindex erfahrungsgemäß nichts stoppen. In diesem Fall sind im zurück liegenden Jahrzehnt auch Abstände von bis zu 20 Prozent zum 200-Tage-Mittelkurs messbar gewesen, davor auch schon einmal 33 Prozent. In Punkten ausgedrückt bedeutet das: Knapp über der 11.000er-Marke sollte Schluss sein, wenn man fünf Jahre zurück schaut, blickt man weiter nach hinten, wäre auch eine Übertreibung an die 11.600er-Marke möglich, der Extremwert liegt bei rund 12.900 Zählern. Doch Anleger sollten nicht darauf setzen, dass ein nur zwei Mal in 20 Jahren erzielter Rekord (zuletzt im Jahr 2000) sich wiederholt, und es den Profis gleich tun: Zwischen 11.000 und 11.600 Punkten spätestens mit langsamen Gewinnmitnahmen starten, und stärkere Rückschläge zum Wiedereinstieg nutzen.

Chart 2 - DAX-Intradaychart auf Ein-Minuten-Basis



Tradesignal Online. Tradesignal® ist eine eingetragene Marke der Tradesignal GmbH. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten.



Chart 3 - Tageschart mit Abstand zur 21-Tage-Linie in %



Seit dem Ausbruch über die 10.100er-Marke ist der Weg nach oben frei, der mittelfristige Trend hat von "seitwärts" auf "aufwärts" gedreht. Neue Hürden müssen sich erst ausbilden, da der Markt ein Allzeithoch markiert hat und keine Orientierungsmarken durch vergangene Kursbewegungen mehr abzuleiten sind. Ein Kursziel lässt sich vorerst nur durch die Schwankungen um längerfristige Durchschnitte wie die 200-Tage-Linie berechnen (siehe Wochenchart auf Seite 3). Kurzfristigere Kursziele liegen im Idealfall aktuell im Bereich der 11.200-Marke und ergeben sich durch den Abstand des DAX zum Monatsdurchschnittskurs (21-Tage-Linie).

Wird das Angebot auf lange Sicht noch einmal höher als die Nachfrage, ist die erste stärkere Kaufzone im Bereich der 8900er-Marke erkennbar. Dort haben sich seit Ende 2013 zahlreiche Zwischentiefs ausgebildet, auch bei einem erneuten größeren Rückschlag dürften Anleger sich wieder an dieser Zone orientieren. Dieses Szenario ist allerdings vorläufig eher unwahrscheinlich.





Chart 4 - Wochenchart mit Abstand zur 200-Tage-Linie



Wie weit kann es langfristig nach den neuen Allzeithochs nun noch gehen? Die Statistik hilft, diese Frage zu beantworten: Unter dem Kursverlauf des DAX haben wir im Wochenchart den Abstand der Kurse zur 200-Tage-Linie (entspricht etwa dem 40-Wochen-Durchschnitt) abgebildet. Mit dieser Methode lassen sich Kursziele auf der Oberseite bei maximal rund 11.600 Zählern errechnen - diese Werte entsprechen den in der Vergangenheit im Idealfall gemessenen 14 bis 20 Prozent Abstand des Index zu seinem langfristigen Durchschnittspreis.

Der Chart auf Wochenbasis zeigt gleichzeitig auch die Bedeutung der Zone um 8000/8150 Zähler als Unterstützung im Falle eines erneuten größeren Rückschlags, ebenso wird die 7500er-Marke als weiterer Haltebereich sichtbar. In beiden Arealen waren in der Vergangenheit mehrere markante Wendepunkte erkennbar. Auch aus den Abweichungen zur 200-Tage-Linie nach unten würde sich ein erstes Kursziel in dieser Zone errechnen lassen, falls die Stimmung wieder nachhaltig kippt. Damit lässt sich das Risiko für langfristige Anlagen gut abschätzen.



Chart 5 - Kerzenchart auf Tagesbasis





Unterstützungen und Widerstände




























































Andreas Büchler ist Herausgeber des "Index-Radar", der größte tägliche Börsenstatistik-Report Deutschlands. Der Experte für Handelssysteme ist zudem Vorstand der Qarat AG, einer auf Quantitative Analyse und Algorithmic Trading spezialisierten Forschungsgesellschaft.

www.index-radar.de