Als Georg Weifert 1850 in Pancevo geboren wurde, gehörte die Stadt an der Mündung der Temesch in die Donau noch zum damaligen Kaisertum Österreich. Seine katholische, deutschstämmige Familie war unter den dort ebenfalls lebenden Ungarn und orthodoxen Serben wohlgelitten, führte sie doch neben einem Bauernhof auch eine von Vater und Großvater gegründete Bierbrauerei, die für Arbeitsplätze sorgte.

Weil für den Export des Gerstensafts ins gerade mal 14 Kilometer entfernte Belgrad damals noch hohe Zölle anfielen, entschieden sich die Weiferts schließlich, dort eine eigene Sudstätte zu errichten. Georg Weiferts Vater Ignaz hatte sein Handwerk bei der Münchner Spatenbrauerei gelernt, das Bier bayerischer Art war in der Region sehr gefragt.

Brauerstudium in Weihenstephan


Paneuropäisch, wie die Region war, gestaltete sich Georgs Ausbildung: Nach der deutschen Grundschule besuchte er die ungarische Mittelschule, danach ging es auf die Handelsakademie in Ungarns Hauptstadt Budapest, wo er 1869 diplomierte. Anschließend studierte er Brauereiwissenschaft im bayerischen Weihenstephan. Dort wurde Weifert auch Mitglied der Studentenverbindung Agronomia, die heute noch als Corps Alemannia in München existiert. Etliche seiner Corpsbrüder besetzten nach dem Studium wichtige Posten in Brauereien, im Finanz- und Versicherungswesen, dazu in der Industrie, was Weifert für seine spätere Karriere hilfreich werden sollte.

Nachdem Weifert in seine Heimat zurückgekehrt war, gelang es der Familie, die Brauerei zu einem der modernsten Industriebetriebe Serbiens auszubauen. Der Absatz von früher 3000 "Eimern" (serbisch: Kofa) pro Jahr steigerte sich unter Georgs Leitung auf 20 000 Eimer - wobei das serbische Mengenmaß Kofa 100 Liter fasste. Bei den Pariser Weltausstellungen 1989 und 1900 wurde das Weifert-Bier aus Belgrad mehrfach ausgezeichnet.

"Verrückt wie Weifert"


Weil in der Gegend um Belgrad zwar seit Jahrhunderten Erz- und Kohlebergbau betrieben wurde, der aber nicht mit der Industrialisierung standhalten konnte, investierte Georg das schnell wachsende Familienvermögen in den Kauf und die Modernisierung der Gruben. Beinahe wäre das Minenengagement in einem finanziellen Fiasko geendet, die Weiferts standen kurz vor dem Bankrott. In der Geschäftswelt Belgrads verbreitete sich damals die Redensart, jemand, der offensichtlich erfolglose Unternehmungen betreibe, sei "verrückt wie Weifert". Doch dann stießen Weiferts Prospektoren auf reichhaltige Kupfervorkommen - und der gerade noch verspottete Deutschstämmige wurde nach zeitgenössischen Schätzungen der reichste Einwohner Serbiens und sogar des späteren Jugoslawiens. Wegen der zahlreichen technischen Neuerungen, die in Weiferts Minen eingeführt wurden, gilt er als Begründer des modernen Bergbauwesens in Serbien.

Wobei Serbien als eigenständiger Staat über Jahrhunderte nicht existiert hatte. Unter der türkisch-osmanischen Besetzung war die Gegend einfach nur einer von vielen Tributzahlern für Istanbul, zudem ständiges Schlachtfeld für Scharmützel der Osmanen mit den Truppen der Habsburger. Weite Teile Südungarns wurden dadurch entvölkert, sodass die Region Pancevo durch deutsche und serbische Siedler wieder aufgebaut werden musste. Erst 1867 gelang es den Serben, die Türken endgültig zu besiegen. Auf dem Berliner Kongress 1878 wurde schließlich die Unabhängigkeit des Fürstentums Serbien anerkannt, das später zum Königreich wurde.

Georg Weifert, der auch als Freiwilliger mit den Serben gegen die Osmanen gekämpft hatte, wurde schon 1872 die serbische Staatsbürgerschaft verliehen. Mit dem ständig wachsenden Kapital aus der Brauerei und den Minen hatte er sich auch dem Bankwesen zugewandt. 1890 wurde der erfolgreiche Industrielle deshalb zum Gouverneur der neuen Zentralbank des Königreichs Serbien ernannt. Das war keine einfache Aufgabe. Die nationale Währung war zwar der serbische Dinar, der aber mit dem montenegrinischen Perper, der österreichischen Krone und in Teilgebieten auch mit dem bulgarischen Lew konkurrieren musste. Nachdem sich Weifert ab 1902 wieder vermehrt um seine Besitzungen und die Brauereien gekümmert hatte, kehrte er 1912 in das Amt des Notenbankchefs zurück und setzte sich erneut für die Werterhaltung des serbischen Dinar ein.

Großteil des Vermögens verschenkt


Wegen seiner Verdienste wurde er nach Ende des Ersten Weltkriegs Zentralbankgouverneur im neu gegründeten Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, dem späteren Jugoslawien. Weifert setzte nun eine Währungsreform durch, bei der der Wechselkurs zwischen der österreichisch Krone und dem Dinar auf vier zu eins festgelegt wurde - was zwar die österreich-ungarische Bevölkerung klar benachteiligte, Weifert aber zum serbischen Nationalhelden machte. 1926 wurde er, der sich inzwischen Djordje Vajfert schrieb, zum Ehrenvorsitzenden der Zentralbank gewählt.

Weifert, der selbst keine Kinder hatte und 1937 starb, hatte vor seinem Tod noch seinen Neffen Ferdinand Gramberg auf den Zentralbankchefposten gehievt und ihn zudem als Erben seines Wirtschaftsimperiums eingesetzt. Er folgte seinem Onkel auch als Großmeister der von diesem gegründeten serbischen Freimaurerloge. Gramberg - ganz der philanthropischen Tradition seiner Familie verhaftet - gründete wiederum den Rotary Club Serbien. Einen Großteil ihres Vermögens hatte die Familie Weifert bis dahin schon gemeinnützigen Genossenschaften, Invalidenheimen und Frauenvereinen geschenkt sowie Schulen und katholische Kirchen im ganzen Land gebaut.

Mit der Gründung des sozialistischen jugoslawischen Staates während des Zweiten Weltkriegs verlieren sich allerdings die Spuren der Familie. Die königstreue Familie Weifert, die auch die serbischen Tschetniks, also quasi die königstreue Guerilla, im Kampf gegen die Besatzung aus Hitler-Deutschland unterstützte, stand bei den kommunistischen Partisanen des späteren Diktators Josip Broz Tito wegen ihrer deutschen Abstammung und ihres Wohlstand unter Generalverdacht.

Die zwischendurch verstaatlichte Brauerei Weifert in Belgrad aber existiert bis heute. Allerdings wurde sie nach den Jugoslawien-Kriegen der 90er-Jahre ausgerechnet von türkischen Investoren, 2008 dann von Heineken aufgekauft. Dennoch ist Georg Weifert, der große Förderer der serbischen Nation, bis heute im Alltag des Landes überall präsent - sein Konterfei prangt auf der aktuellen 1000-Dinar-Note, im Hintergrund das alte Gebäude der Belgrader Brauerei.