Mit moderat aufpolierten Modellen speist man die Chinesen längst nicht mehr ab. Auf der Peking Motor Show, die mittlerweile zu den wichtigsten Automessen der Welt gehört, stellten Europas Autobauer vorige Woche wegweisende Visionen und prestigeträchtige Prachtstücke vor. So enthüllte BMW die Studie Vision Future Luxury, die das neue Gesicht des 7er BMWs zeigen könnte, des Flaggschiffs der Münchner. Mercedes führte mit dem MLC gleich eine neue Fahrzeugkategorie ein: Das Coupé-SUV, das dem erfolgreichen 6er BMW einmal Konkurrenz machen soll. Audi brachte das TT Offroad Concept mit. Und Peugeot wollte den Gastgebern mit seiner Studie Exalt schmeicheln, dessen Innenraum Holzvertäfelungen im chinesischen Stil zieren.

Das chinesische Interesse an europäischen Autos ist groß. Das europäische Interesse an chinesischen Kunden ebenso. Vor allem deutsche Autos gelten im Reich der Mitte als Statussymbol. Und China gilt in Europa als größter und zukunftsträchtigster Wachstumsmarkt für die Automobilbranche, die gerade eine schwere Krise hinter sich lässt.

Sie musste in den vergangenen Jahren gleich zwei heftige Nackenschläge hinnehmen: Erst brachte die Finanzkrise weltweit heftige Umsatzeinbußen, die vor allem Opel in die Krise stürzten. Dann brachen während der Schuldenkrise in Europa die heimischen Absatzmärkte ein, was auf Europa konzentrierte Massenhersteller wie Fiat, Peugeot und Renault sowie Zulieferer wie Continental besonders hart traf.

Nun läuft es wieder besser. Seit Südeuropa die Krise Schritt für Schritt hinter sich lässt, werden auch die Aussichten für Europas Autobauer besser. Im März wurden in Europa zehn Prozent mehr Neuwagen verkauft als im März 2013. Besonders hohe Zuwächse gab es in Portugal (47 Prozent), Griechenland (31), Irland (23) und Großbritannien (18). Aber auch die Absatzzahlen in Spanien (plus zehn Prozent), Frankreich (acht) und Italien (fünf) waren ermutigend - zumal die Absätze in Europa zum siebten Mal in Folge stiegen.

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Europa-Absatz und China-Pläne

Das hat den Aktien der Autobauer zuletzt hohe Kursgewinne beschert. So legte der Index Stoxx Europe 600 Automobile & Parts, in dem die Papiere der größten Hersteller und Zulieferer versammelt sind, in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 50 Prozent zu (siehe Investor- Info). Doch allein auf das Europa-Geschäft sollten weder Autokonzerne noch deren Aktionäre bauen.

In Spanien halte eine Abwrackprämie die Neuwagenverkäufe auf hohem Niveau, sagt Peter Fuß, Partner und Autoexperte bei der Beratungsgesellschaft Ernst & Young. "Und in Deutschland sowie Frankreich geht die ruinöse Rabattschlacht im Volumensegment ungebremst weiter", so Fuß. "Die Verkaufszahlen steigen zwar, dafür sinken die Margen." Die Krise sei deshalb noch längst nicht vollständig ausgestanden.

So rückt China neben dem Heimatmarkt immer mehr in den Fokus der Konzerne. Wie wichtig das Land schon jetzt ist, zeigen erneut die Absatzzahlen vom März. Während in Europa 1,4 Millionen Neuwagen verkauft wurden, waren es in China bereits 1,6 Millionen. Und glaubt man Branchenexperten wie Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen, hat Chinas Automarkt weit mehr Potenzial als der europäische. Er rechnet damit, dass im Jahr 2025 in China 35 Millionen Fahrzeuge verkauft werden, fast doppelt so viele wie heute.

Kein Wunder also, dass sich beispielsweise Renault und Peugeot in Peking von ihrer besten Seite präsentieren wollen. Die beiden französischen Autokonzerne sind bisher stark auf Europa fixiert, wo sie wegen massiver Rabatte derzeit mit jedem verkauften Auto Verlust einfahren. Bei Renault sind das 280 Euro je Auto, bei Peugeot-Citroën (PSA) 370 Euro. Da ein starkes China-Geschäft bisher für sie nur eine Hoffnung ist, hat PSA nun reagiert: Die Franzosen wollen ihre Modellpalette von 45 auf 26 Fahrzeuge reduzieren, um auch in Europa profitabler zu werden.

Anders ist die Lage bei deutschen Premiumherstellern wie BMW, Mercedes oder Audi. Sie sind profitabel und haben sich bereits in China etabliert. Von Januar bis März verkauften deutsche Konzerne dort über eine Million Fahrzeuge, 17 Prozent mehr als im ersten Quartal 2013. China macht bereits 32 Prozent ihrer weltweiten Umsätze aus und wird Europa (35 Prozent) bald als wichtigsten Markt ablösen.

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