HOLGER SCHMIEDING, CHEFVOLKSWIRT BERENBERG BANK:

"Wir sind mit den griechischen Vorschlägen einer Lösung sichtbar nähergekommen. Das ist schon ein Fortschritt. Erstmals haben beide Seiten bestätigt, dass es eine Grundlage gibt, auf der verhandelt werden kann. Athen hat gemerkt: Europa blufft nicht.

Leider ist der griechische Vorschlag wirtschaftlich nicht besonders sinnvoll, weil er zu sehr auf Steuererhöhungen beruht und zu wenig auf echten Reformen, die die langfristige Wachstumskraft stärken könnten. Besser wäre es gewesen, das Renteneinstiegsalter schneller anzuheben anstatt die Beiträge zum Rentensystem zu erhöhen. Ersteres erweitert das Angebot an Arbeitskräften, das zweite macht Arbeit teurer. Schön ist das nicht, aber es ist ein Schritt hin zu einer möglichen Lösung."



JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:

"Es steht nach wie vor auf Messers Schneide. Es gibt starke Argumente, dass es nicht zu einer Einigung kommt. Das liegt im wesentlichen an der Syriza, die sehr radikal ist und sich auf reformresistente Wählergruppen wie Rentner und Staatsbedienstete stützt. Sie ist an der Basis sehr radikal und kaum kompromissbereit. Auch die Zeit läuft langsam davon.

Nach wie vor gibt es aber auch starke Argumente für eine Einigung. Denn ohne sie kommt es zu einem Staatsbankrott. Die Geldgeber der Kreditländer müssten ihren Wähler dann erklären, dass ein Großteil der Hilfen verloren ist. Allein Deutschland steht für gut 80 Milliarden Euro gerade. Das einzugestehen, ist sehr unangenehm und schafft starke Anreize, doch einen Kompromiss zu machen.

Das dürfte aber ein fauler Kompromiss werden, der vom ursprünglichen Grundgedanken der Rettungspolitik abweicht - nämlich Auszahlung von Krediten nur gegen nachgewiesene, umgesetzte Reformen. Von diesem Grundsatz wird man wohl abgehen und sich mit bloßen Reformversprechen begnügen. Das wird das Regelwerk der Währungsunion weiter beschädigen. Das gibt Auftrieb für Reformgegner in anderen Ländern wie Spanien."



HOLGER SANDTE, NORDEA:

"Die Wahrscheinlichkeit eines Grexit ist gesunken, und das ist gut so. Allerdings bedeutet der 'Deal', der sich abzeichnet, keine dauerhafte Lösung des griechischen Problems - weder politisch noch ökonomisch. Abzuwarten bleibt, ob die griechische Regierung die versprochenen Maßnahmen liefern kann oder stolpert und ob sich die Wirtschaft belebt. Nach einem Wachstumsplan sieht das alles bisher nicht aus. Auch das strittige Thema Schuldenerlass ist nur aufgeschoben, nicht aufgehoben."



JÜRGEN MICHELS, CHEFVOLKSWIRT BAYERNLB:

"Die Griechen scheinen nach langem Zögern in vielen Bereichen den Forderungen der Gläubiger entgegenzukommen. Allerdings setzen sie weniger auf Ausgabenkürzungen, sondern eher auf Steuer- und Abgabenerhöhungen. Die Kuh wehrt sich nicht mehr, um vom Eis zu kommen - aber steht noch auf glattem Untergrund. Denn ohne Gegenleistung von europäischer Seite wird Athen einem Deal nicht zustimmen. Das läuft auf Schuldenerleichterungen zu einem späteren Zeitpunkt hinaus, wofür es wiederum eines dritten Hilfspakets bedarf.

Der im Juli drohende Zahlungsausfall dürfte erst einmal überbrückt werden. Aber wir sind von einer stabilen Lösung noch um einiges entfernt. Die Frage bleibt, ob Tsipras das Paket auch durch das Parlament bekommt. Es kann durchaus sein, dass seine Syriza-Partei auseinanderbricht. Die Frage ist, ob Tsipras diesen politischen Preis zahlen will."

Reuters