Die Fed-Sitzung vom 16. Juni hat nur kurz Schockwellen am US-Anleihemarkt ausgelöst. Die Mitglieder hatten völlig überraschend zwei Erhöhungen des Leitzinses um insgesamt rund 0,5 Prozentpunkte für 2023 signalisiert. Daraufhin waren die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach oben geschossen, zumal Fed-Chef Jerome Powell bestätigt hat, dass die Mitglieder über eine Drosselung der Anleihekäufe gesprochen hätten.

Investoren waren zwar kurz verunsichert. Doch drehten die Zinsen für zehnjährige Anleihen schnell wieder nach unten. Durch eine Drosselung würde die Fed weniger Liquidität als bislang in die Wirtschaft pumpen, womit sich die Konjunkturperspektiven eintrüben würden. Das sorgt für Abwärtsdruck auf die Zinsen.

Die Trendwende nach unten hatte am 31. März begonnen, als US-Präsident Joe Biden das geplante Infrastrukturprogramm vorgestellt hatte, knapp einen Monat später folgte das geplante Familienpaket.

Die beiden Programme sollen größtenteils durch kräftige Steuererhöhungen gegenfinanziert werden, wodurch der Stimulus viel kleiner sein wird als bislang. So wird im laufenden Fiskaljahr, das im September endet, die Wirtschaft durch zwei Konjunkturprogramme mit insgesamt 2,8 Billionen Dollar angekurbelt. Hingegen prognostiziert das Weiße Haus, dass sich der Stimulus 2021/22 auf netto insgesamt nur 100 Milliarden Dollar belaufen soll. Zudem soll das Haushaltsdefizit auf 1,8 Billionen Dollar halbiert werden (siehe Chart Seite 20). Kaum mehr Stimulus und eine gleichzeitige Reduktion des Haushaltsdefizits bedeuten einen enormen Gegenwind für die Wirtschaft, weshalb die Zinsen für zehnjährige Anleihen in den kommenden Monaten weiterhin auf Talfahrt sein sollten.

Growth-Aktien favorisieren

In einem Umfeld sinkender Zinsen laufen üblicherweise Growth- und defensive Aktien besser als Value-Aktien und Zykliker. So hat der S & P 500 Growth Index gegenüber Ende März um 8,8 Prozent zugelegt und damit dem S & P 500 Value Index (3,7 Prozent) klar die Rücklichter gezeigt. Growth-Aktien sind Unternehmen mit starkem Wachstum, gerade beim Umsatz, wie die Technologiefirmen. Bei defensiven Aktien handelt es sich um Papiere von Unternehmen aus weniger konjunkturabhängigen Sektoren wie Nahrungsmittel und Gesundheit. Hingegen sind Value-Aktien Papiere von niedrig bewerteten Unternehmen, gemessen etwa am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Zykliker sind Firmen aus stark konjunkturabhängigen Branchen wie Chemie und Halbleiter.

Zu unseren Favoriten aus dem Growth-Index gehört Alphabet. Dem weltgrößten Suchmaschinenbetreiber kommt die Belebung der Weltwirtschaft zugute, die dazu führt, dass Verbraucher verstärkt nach Angeboten im Einzelhandel, bei Restaurants oder Reisen suchen. Zudem erhöhen die Analysten die Schätzungen allmählich und sagen für 2021 eine Beschleunigung des Umsatzwachstums auf knapp 30 Prozent vorher, nach 13 Prozent für 2020. Genau solche Wachstumsaktien suchen Investoren in einem Umfeld sinkender Zinsen, die eine Abschwächung des US-Wirtschaftswachstums signalisieren. Die Aktie ist auf Rekordfahrt und hat mit einem KGV von 25,8 weiterhin deutliches Potenzial.

Auf Höhenflug ist auch die Aktie von Nvidia. Der Hersteller von Grafikkarten erfreut sich einer starken Nachfrage aus den Bereichen Gaming-PCs, Rechenzentren und Mining von Kryptowährungen und hat im per 2. Mai beendeten ersten Quartal des Geschäftsjahres 2021/22 den Umsatz um 13 Prozent gegenüber dem Vorquartal auf den Rekordwert von 5,66 Milliarden Dollar gesteigert.

Vorstandschef Jensen Huang hat für das laufende Geschäftsquartal einen Sprung auf 6,3 Milliarden Dollar angekündigt und gab sich zuversichtlich, dass die Regulierungsbehörden in etlichen Ländern die geplante Übernahme der Softbank-Tochter Arm Ltd. genehmigen würden. Mit Mikroprozessoren für Server auf Basis der Arm-Technologie will Nvidia noch stärker in das margenstarke Geschäft des Wettbewerbers Intel vordringen.

Für Rückenwind bei dem Nvidia-Papier sorgt zudem ein geplanter Aktiensplit, der am 19. Juli nach Handelsschluss durchgeführt wird. Demnach bekommen Anleger für jede alte Aktie drei neue Titel ins Depot gebucht.

Auf das Cloud-Geschäft setzen

Bei Salesforce.com läuft das Geschäft ebenfalls sehr gut. Der Anbieter von Cloud-Computing-Lösungen für Unternehmen hat im Ende April beendeten ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres den Umsatz um 23 Prozent auf 5,96 Milliarden Dollar gesteigert. Mit dem Abflauen der Pandemie investieren die Unternehmen verstärkt, zumal viele ihrer Mitarbeiter auch künftig im Homeoffice arbeiten werden. Vorstandschef Marc Benioff will gegen Ende des laufenden Geschäftsquartals die Übernahme von Slack Technologies für 27,7 Milliarden Dollar abschließen, wodurch das Umsatzwachstum auf mehr als 25 Prozent beschleunigt werden soll. Er hat zudem die Umsatzprognose für das laufende Fiskaljahr auf 25,9 bis 26 Milliarden Dollar angehoben.

Hingegen ist die Oracle-Aktie nach der Zahlenvorlage eingeknickt. Zwar erreichte das Umsatzwachstum des im Mai beendeten vierten Quartals des Geschäftsjahres 2020/21 7,5 Prozent. Allerdings lag die Prognose für den Gewinn je Aktie für das laufende Quartal deutlich unter den Schätzungen der Analysten. Vor allem, weil der Softwareriese kräftig in sein Cloud-Geschäft investieren will. Wegen zusätzlicher Ausgaben für Rechenzentren sollen sich Oracles Investitionen im laufenden Fiskaljahr auf knapp vier Milliarden Dollar verdoppeln. Jedoch dürften die Ausgaben das Wachstum ankurbeln, was Fantasie bei Investoren birgt.

Defensive Aktien gesucht

Bei den defensiven Aktien favorisieren wir mit Johnson & Johnson (J & J), UnitedHealth und Coca-Cola drei Schwergewichte aus dem MSCI USA Defensive Sectors Index. Zwar hat J & J mit Produktionsproblemen mit seinem Wirkstoff gegen Covid-19 zu kämpfen. Allerdings ist das nur ein sehr kleiner Teil des Geschäfts. Ansonsten läuft es gut. So kletterte der Umsatz im ersten Quartal um 7,9 Prozent auf 22,3 Milliarden Dollar. Dabei waren die Erlöse in der Pharmasparte um zehn Prozent gestiegen, bei den Medizintechnikprodukten um elf Prozent. Finanzchef Joseph Wolk hat den Ausblick für den Gewinn je Aktie für das Gesamtjahr auf 9,42 bis 9,57 Dollar eingegrenzt.

Aussichtsreich ist auch das Papier von UnitedHealth. Gemessen an den Beitragseinnahmen ist der Konzern der größte Krankenversicherer der USA. Nachdem die Ausgaben für die Bekämpfung der Pandemie die Kosten im vergangenen Jahr nach oben getrieben hatten, erwartet Vorstandschef Andrew Witty eine Belastung von 1,80 Dollar je Aktie für dieses Jahr. Der Großteil davon werde im nächsten Jahr verschwinden, sagte der Manager. Witty hat die Prognose für den bereinigten Gewinn je Aktie für 2021 auf 18,10 bis 18,60 Dollar angehoben.

In Richtung Rekordhoch vom Februar 2020 bewegt sich die Aktie von Coca-Cola. Der weltgrößte Hersteller von Softdrinks hat im ersten Quartal den Umsatz um fünf Prozent gesteigert. Durch immer mehr Lockerungen sollten die Verbraucher verstärkt in Restaurants und Freizeitparks streben, was das Geschäft von Coca-Cola beflügeln dürfte. Vorstandschef James Quincey will das Geschäft in Afrika innerhalb von 18 Monaten an die Börse bringen. Laut Schätzungen von Experten kann sich dessen Wert auf sechs Milliarden Dollar belaufen. Quincey will zudem die steigenden Rohstoffpreise an die Verbraucher weitergeben.

 


Auf einen Blick

USA