€uro am Sonntag: Wie wirkt sich die derzeitige Zuspitzung der Corona-Lage auf die deutschen Einzelhändler aus?
Stefan Genth: Bisher bleibt der Einzelhandel weitgehend von neuen Corona-Einschränkungen verschont. Das ist auch richtig so, denn die Branche ist kein Pandemietreiber - im Handel gibt es keine Hotspots, Hygienekonzepte und Maskenpflicht wirken. Ein Problem könnte werden, dass aufgrund der vielen abgesagten Weihnachtsmärkte und Veranstaltungen weniger Menschen den Weg in die Innenstädte finden.

Der Handelsverband HDE hat erst Anfang November einen neuen Rekordumsatz für das Weihnachtsgeschäft prognostiziert. Demnach sollen die Einnahmen im November und Dezember um zwei Prozent zum Vorjahreszeitraum auf 112 Milliarden Euro steigen. Halten Sie an dieser Prognose trotz der steigenden Corona-Zahlen fest?
Bisher gibt es keinen Grund, unsere Prognose von zwei Prozent Umsatzplus im Vergleich zum Vorjahr zu verändern. Wir müssen sehen, wie sich die Kauflaune angesichts der Corona-Lage weiter entwickelt. Zudem gab es letztes Jahr mitten im Weihnachtsgeschäft den harten Lockdown mit erheblichen Umsatzeinbußen.

Könnte der Online-Handel mögliche Ausfälle im stationären Handel kompensieren?
Viele ursprünglich rein stationäre Händler haben ein Online-Standbein. Das wird aber bei den meisten nicht reichen, um eventuelle Ausfälle im Geschäft vor Ort zu kompensieren. Dafür sind die Geschäftsmodelle zu unterschiedlich - nehmen Sie nur die hohen Retourenquoten im E-Commerce.

Welche Forderungen haben Sie an die Regierung?
Die Politik muss bei ihrer Corona-Politik dort ansetzen, wo erhöhte Infektionsrisiken bestehen. Im Einzelhandel ist das nicht der Fall. Außerdem muss die Impfkampagne viel stärker nach vorne gebracht werden. Der Handel hat wie ich finde sehr erfolgreich vorgelegt. Im Rahmen der größten privatwirtschaftlichen Impfkampagne Deutschlands motivieren Plakate und Flyer in den Geschäften sowie Filme und Posts in den sozialen Medien zur Impfung. Dazu kommen Impfaktionen auf Parkplätzen und in Einkaufszentren, bei denen schon mehr als 140000 Impfdosen verimpft wurden. Abseits von Corona muss die kommende Bundesregierung eine Entfesselungsoffensive für die Wirtschaft angehen. Für einen kraftvollen Neustart brauchen wir weniger Bürokratie, weniger Regulierung und mehr Vertrauen in Unternehmertum. Zudem braucht es eine koordinierte Offensive für den Handelsstandort Innenstadt. Ansonsten werden wir immer mehr Leerstände und verödete Stadtzentren erleben.