Mehrere hundert Prozent Gewinn in wenigen Wochen sind mit Turnaround-Aktien keine Seltenheit. SMA Solar aus dem TecDAX gilt als einer der Musterschüler auf dem deutschen Kurszettel. Doch nicht immer geht die Spekulation auf, den größeren Chancen stehen auch immer wesentlich höhere Risiken gegenüber. Entscheidend sind nicht nur das Markt- und Branchenumfeld, auch bei den Unternehmen selbst sind oft schmerzhafte Kürzungen erforderlich. Besonders die Druckmaschinenhersteller standen in den vergangenen Jahren unter Druck. Zum Höhepunkt der Krise in 2009 drohte Heidelberger Druck die Insolvenz, nur dank staatlicher Hilfe konnte die Situation gemeistert werden. Viele Mitarbeiter haben ihren Job verloren, seit dem Geschäftsjahr 2007/08 sank die Zahl der Angestellten um 40 Prozent.

Langsam aber stetig geht es nun aufwärts, wie auch die vor wenigen Tagen präsentierten vorläufigen Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr zeigen. Erst zum zweiten Mal innerhalb der vergangenen acht Jahre meldete HeidelbergerDruck wieder einen Gewinn. Netto blieben rund 28 Mio. Euro hängen, nach minus 72 Mio. Euro im Vorjahr. Der Umsatz kletterte um acht Prozent auf 2,5 Mrd. Euro, beim Unternehmen überwiegt wieder Zuversicht.

"Heidelberg schreibt wieder Gewinne und blickt optimistisch in die Zukunft", fasste Vorstandschef Gerold Linzbach die Ausgangslage zusammen. "Das abgelaufene Berichtsjahr markiert einen Wendepunkt auf unserem Weg der strategischen Neuausrichtung. Die Weichen für das Unternehmen sind damit wie versprochen auf Wachstum und nachhaltige Profitabilität gestellt."

Deutlich wird dies auch an der Konzern-Finanzstruktur. Aufgrund der soliden Liquiditätsposition wollen die Heidelberger zum 10. Juni die noch ausstehende Hochzinsanleihe mit einem Restvolumen von rund 50 Mio. Euro aus Barmitteln vorzeitig vollständig zurückzuzahlen. Vergleichsweise teure Finanzierungen werden so abgelöst. Dies zeigt, dass sich Heidelberger Druck wieder in einer etwas komfortableren Lage befindet. "Die Neuordnung der Finanzierungsstruktur mit weiter sinkenden Zinsaufwendungen bildet das Fundament, das Unternehmen künftig strategisch weiterzuentwickeln", sagte Finanzvorstand Dirk Kaliebe.

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"Simply Smart"



Der nächste Katalysator für die Aktie dürfte die bevorstehende Branchenmesse drupa sein, die vom 31. Mai bis 10. Juni ihre Türen öffnet. Heidelberger Druck wird am 8. Juni die Bilanzpressekonferenz zum abgelaufenen Geschäftsjahr abhalten. Wie in vielen anderen Bereichen steht das Thema Digitalisierung ganz oben auf der Agenda. Zwar entfällt mit derzeit noch rund 60 Prozent der Löwenanteil am Markt auf den leistungsstarken Offsetdruck. Nach Meinung der Analysten vom Bankhaus Lampe wird der Anteil in den kommenden Jahren aber kontinuierlich zugunsten des Digitaldrucks abnehmen.

Industrielle Digitaldruckmaschinen erreichen inzwischen Marktreife - und hier dürfte Heidelberger Druck groß auftrumpfen. Vorstandschef Linzbach gilt nicht nur als Restrukturierungsexperte, sondern hat den Konzern auch mit Blick auf die Chancen im Bereich Digitalisierung gut aufgestellt. "Simply Smart" lautet das Motto des Unternehmens auf der diesjährigen drupa: Eines der Messehighlights wird die industrielle digitale Bogendruckmaschine "Primefire 106" der Heidelberger sein.

In Zusammenarbeit mit Fuji sorgte die Maschine auf einem Prelaunch vor Journalisten und Branchenexperten bereits für Furore und dürfte besonders für den Verpackungsdruck prädestiniert sein. Auch wenn der Vertriebsstart wohl erst 2017 beginnen wird, eine vergleichbare Lösung gibt es bisher nicht. Die Weltpremiere für die industrielle Produktion von Digitaldruckanwendungen im B1 Format dürfte für positive Schlagzeilen und Fantasie bei der Aktie sorgen.

Natürlich haben die Heidelberger weitere Pfeile im Köcher. Speziell für kleinere Auflagen von Werbe- und Präsentationsmaterialien eignet sich die digitale Druckmaschine Linoprint. Den Markt für digitalen Etikettendruck befriedigt Heidelberger Druck mit der Gallus Labelfire. Noch mehr Fantasie bietet Omnifire, einer Maschine für den 4D-Druck. Damit können auch Kunden außerhalb der traditionellen Zielgruppe angesprochen werden. Besonders die Konsumgüterhersteller rücken in den Fokus. Mit Omnifire können Verpackungen oder auch Sportartikel wie Fußbälle nach Kundenwunsch individuelle gestaltet werden. Der Fantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt.

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Einstelliges KGV und hohe Kursziele



Bessere Margen als im Neugeschäft erzielt Heidelberger Druck mit dem Service-Bereich. Über Akquisitionen sollte die Sparte künftig weiter wachsen und ausgehend von derzeit rund 450 Mio. Euro in drei Jahren einen Umsatz von etwa 800 Mio. Euro beisteuern. Das Geschäft mit Ersatzteilen und Verbrauchsmaterialien ist zudem weniger volatil und ermöglicht eine höhere Visibilität der Entwicklung. Im vergangenen Geschäftsjahr steuerte der Service-Bereich rund 45 Prozent zum Konzernumsatz bei und dürfte mittelfristig mindestens die Hälfte ausmachen.

Da das Segment Service mit rund zehn Prozent eine höhere Marge aufweist als der Bereich Equipment mit gut vier Prozent, führt der steigende Anteil zu einer entsprechend positiven Entwicklung der Konzermarge. Nach Einschätzung vom Bankhaus Lampe führt das Digitalangebot wahrscheinlich auch zu einer höheren Bruttomarge, die sich flankierend mit der anziehenden Auslastung und sinkenden Kosten ebenfalls margensteigernd für den Konzern auswirken sollte.

Zweistellige Kursregionen wie zuletzt 2008 bleiben für die Aktie natürlich weiterhin unerreichbar. Die kräftigen Gewinne auf die jüngst präsentierte Bilanz sind aber ein Signal, dass sich mutige Anleger bereits positionieren und auf den Turnaround setzen. Zwischenzeitliche Rückschläge sollten eingeplant werden und bieten sich zur Positionsaufstockung an. Mit einem Stopp knapp unter dem Frühjahrstief bei 1,75 Euro bleiben die Risiken überschaubar. Das Bankhaus Lampe sieht die Aktie bei 2,60 Euro, Warburg billigt dem SDAX-Titel sogar Luft bis 3,55 Euro zu. Auf Basis der Bewertung bietet die Aktie durchaus viel Fantasie. Börse Online rechnet für 2017 mit 0,25 Euro je Aktie, was auf ein KGV von 9,7 hinausläuft.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily.

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