Die Fed hob die Zinsen gestern wieder deutlich an. Was ist davon zu halten und was kommt als nächstes? Die Meinung der Experten im Überblick. Von Jennifer Senninger

„Meine Kollegen und ich sind fest entschlossen, die Inflation wieder auf unser Ziel von zwei Prozent zu senken", gab Jerome Powell bei der Notenbanksitzung bekannt. Das Ergebnis: Die Fed erhöht den Leitzins um weitere 75 Basispunkte. Damit befindet er sich nun in einer Spanne von 3,75 bis vier Prozent. „Wir gehen immer noch davon aus, dass weitere Erhöhungen angemessen sind“, so Powell.

Gleichzeitig erwähnte er aber auch: Es könne einige Zeit dauern, bis sich die Geldpolitik „in vollem Umfang“, insbesondere auf die Inflation, auswirkt. „Deshalb werden wir bei der Festlegung des Tempos künftiger Erhöhungen die kumulative Straffung der Geldpolitik und die Verzögerungen, mit denen die Geldpolitik die Wirtschaftstätigkeit und die Inflation beeinflusst, berücksichtigen.“ Heißt: Eventuell war es für dieses Jahr erst einmal die letzte Jumbo-Erhöhung.

Das sagen die Experten zum jüngsten Zinsschritt

Doch was können Anleger nun von den gestrigen Aussagen erwarten? Bloomberg fasste die wichtigsten Meinungen der Experten zusammen. Auch die gehen auseinander. Ein Überblick:

Gurpreet Gill, Makrostratege, Global Fixed Income bei Goldman Sachs Asset Management: "Da sich die Fed der verzögerten Auswirkungen der diesjährigen Straffung bewusst ist, erwarten wir für die nächste Sitzung im Dezember eine Verringerung des Zinstempos auf 0,5 Prozent. Die unangenehm hohe Inflation und der robuste Arbeitsmarkt könnten dazu führen, dass die Zinserhöhungen bis ins Jahr 2023 fortgesetzt werden, allerdings in kleineren Schritten."

„Das ist ein Himmelfahrtskommando“, meint hingegen Steve Chiavarone, Senior Portfolio Manager bei Federated Hermes. „Der Umfang der Zinserhöhungen wird wahrscheinlich sinken, aber die Endrate wird wahrscheinlich höher sein - das heißt eine größere Anzahl kleinerer Zinserhöhungen“. Also: Kein Signal einer sich lockernden Geldpolitik.

Andrzej Skiba, Leiter US Fixed Income bei RBC Global Asset Management: "Das ist noch nicht der Wendepunkt. Es ist nur die Erkenntnis, dass man nicht bei jeder Sitzung 75 Basispunkte anheben kann." Und: "Der nächste Schritt könnte bei 50 Basispunkten liegen, aber es könnte sein, dass sie in Zukunft noch mehr Erhöhungen vornehmen werden, als der Markt erwartet, um sicherzustellen, dass sie das Inflationsziel erreichen.“

Brian Mulberry, Kundenportfoliomanager bei Zacks Investment Management: „Kleinere Zinserhöhungen sind immer noch Zinserhöhungen und deuten nicht auf einen Wechsel in der Straffungspolitik hin. Der Markt hat diese Formulierung in letzter Zeit falsch interpretiert, indem er versucht hat, den endgültigen Zinssatz einzupreisen und davon ausgegangen ist, dass es einen schnellen Politikwechsel geben wird, der eine niedrigere Geldpolitik erfordert. Der Vorsitzende Powell hat klar zum Ausdruck gebracht, dass die Zinssätze höher als bisher erwartet steigen müssen. Die einzige wesentliche Änderung in dieser Erklärung ist die Frage, wie lange es dauert, bis der endgültige Leitzins erreicht wird."

Eric Winograd, leitender US-Ökonom bei AllianceBernstein: "Die Erklärung macht deutlich, dass sie das Tempo der Zinserhöhungen verlangsamen wollen. Neben der Betrachtung der Daten und der Märkte werden sie nun auch die kumulativen Auswirkungen ihrer bisherigen Maßnahmen berücksichtigen." Und: "Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass es neun bis zwölf Monate dauert, bis sich Zinserhöhungen bemerkbar machen, und zwölf bis 18 Monate, um die maximale Wirkung zu erzielen. Da die erste Zinserhöhung erst acht Monate zurückliegt, ist es sinnvoll, das Tempo zu drosseln.“

Bill Adams, Chefökonom der Comerica Bank: "Das Risiko eines weiteren Anstiegs der Energiepreise im Winter ist ein weiterer Grund, warum die Fed mehr Beweise dafür haben möchte, dass die Inflation zurückgeht, bevor sie von ihrem Zinserhöhungspfad abrückt.“