Der Healthcare-Sektor, ein neben Tech- und Finanzwerten zentraler Bestandteil des S&P 500, befindet sich in einer beispiellosen Talfahrt. Schlägt die Stunde der Antizykliker?
Der Gesundheitssektor galt lange als Fels in der Brandung – widerstandsfähig in Rezessionen, verlässlich bei Dividenden und gesichert durch demografische Trends. Doch ausgerechnet dieser Traditionssicherheitsanker zeigt seit über zwei Jahren eine dramatische Underperformance.
Healthcare is the only S&P 500 sector that is cheaper than both 10-year and 30-year averages according to Goldman Sachs.
— Oguz O. | 𝕏 Capitalist 💸 (@thexcapitalist) July 21, 2025
That is an extremely attractive risk reward profile.$UNH $OSCR $CI $ELV pic.twitter.com/RDpa3GCCF2
Der Healthcare-Sektor ist 2025 der einzige Teilbereich des S&P 500, der sowohl unter seinem 10-jährigen als auch unter seinem 30-jährigen Durchschnitt notiert, wie Goldman Sachs herausarbeitet – ein historischer Tiefpunkt, den selbst die Finanzkrise nicht erreichte.
Healthcare is in pure panic territory. pic.twitter.com/3eDXV89RqG
— THE SHORT BEAR (@TheShortBear) July 19, 2025
Schwächste Performance seit der Dotcom-Blase
Ein Blick auf den Healthcare-ETF XLV, der die großen Player der Branche abbildet, zeigt ein deutliches Bild: Der Sektor hat sich seit 2022 stetig nach unten bewegt und befindet sich mittlerweile im „Panik-Territorium“, wie der Contrarian-Twitter-Account "The Short Bear" herausarbeitet. Tatsächlich war der Healthcare-Sektor seit 24 Jahren nicht mehr so stark vom Gesamtmarkt abgekoppelt wie heute.
Healthcare Stocks are underperforming the S&P 500 by the largest margin in 24 years 📉📉📉 pic.twitter.com/D1LufGPyFN
— Barchart (@Barchart) May 15, 2025
Pharma-Aktien unter Druck
UnitedHealth Group (UNH) hat als einer der größten Akteure im Gesundheitsversicherungsbereich aufgrund steigender Kosten und regulatorischer Unsicherheiten stark an Wert verloren – seit Jahresbeginn beträgt das Minus heftige 44 Prozent. Pfizer (PFE), während der COVID-19-Pandemie noch wertvollster Pharmakonzern der Welt, hat nach dem Rückgang der Nachfrage nach Impfstoffen und generischen Medikamenten erhebliche Kursverluste hinnehmen müssen. Seit dem Allzeithoch hat sich die Aktie mehr halbiert und liegt auch 2025 mit 8 Prozent im Minus.
Novo Nordisk (NVO), im vergangenen Jahr noch Europas wertvollster Konzern, ist unterdessen zum Sinnbild der Pharmakrise geworden. Trotz seiner Position als führender Akteur im Bereich Diabetes- und Fettleibigkeitsmedikamente wie Ozempic hat der dänische Vorzeigekonzern allein in diesem Jahr 35 Prozent an Wert verloren und seit dem Allzeithoch 2024 gar 60 Prozent eingebüßt. Nur der neue Branchenprimus Eli Lilly (LLY) stemmt sich gegen den Abwärtstrend der Branche und notiert 2025 bislang unverändert.
US-Politik belastet
Maßgeblicher Auslöser für die auffallend schwache Performance im ersten Halbjahr ist der Politikwechsel in den USA. Seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus im Januar kämpfen Pharmakonzerne mit massiven Herausforderungen. Eine Executive Order vom Mai etwa zwingt Unternehmen, Preise an internationale Standards anzupassen, was Gewinnmargen bedroht.
Die Ernennung von Robert F. Kennedy Jr. als HHS-Chef bringt zusätzliche Unsicherheiten, da seine Skepsis gegenüber Impfstoffen und FDA-Richtlinien Zulassungsprozesse erschweren könnte. Vor allem aber Trumps protektionistische Zölle nach dem „Liberation Day“ erhöhen Kosten.
Turnaround-Chance?
Dennoch wird die aktuelle Panik von einigen Marktbeobachtern als übertrieben angesehen, was Raum für eine Erholung schaffen könnte, sobald makroökonomische Bedingungen günstiger werden. Deloitte Insights weist etwa darauf hin, dass nach zwei Jahren der Stabilisierung innovative Entwicklungen und strategisches Wachstum den Sektor wiederbeleben könnten. Die Portfolio-Manager von Janus Henderson Investors argumentieren unterdessen, dass die derzeitigen Bewertungen des Sektors von kurzfristigen Widrigkeiten übermäßig stark beeinflusst werden und dass langfristige Perspektiven unterschätzt werden.
Historische Daten zeigen zudem, dass Sektoren, die so weit unter ihren Langzeitdurchschnitt fallen, oft stärker von einer Erholung profitieren, sobald die Marktstimmung umschlägt. Besonders Unternehmen mit starken Bilanzen und innovativen Pipelines wie Novo Nordisk, Eli Lilly oder Pfizer könnten von einem solchen Szenario profitieren. Dennoch sollte eine Investition sorgfältig geplant werden, da die Unsicherheiten – von regulatorischen Änderungen bis hin zu geopolitischen Faktoren – weiterhin bestehen.
Lesen Sie dazu auch: Mit Biotech Vermörgen aufbauen? Diese Aktie ist in einer Sache stabiler als viele Konkurrenten
Übrigens: Einmal kaufen, liegen lassen und nie mehr verkaufen – laut Börsenguru André Kostolany eine ideale Strategie, um mit Aktien zu Reichtum zu gelangen. 30 Evergreen-Aktien hat die Redaktion von BÖRSE ONLINE im "Aktien für die Ewigkeit"-Index zusammengefasst.
Hinweis auf Interessenkonflikte: Der Preis der Finanzinstrumente wird von einem Index als Basiswert abgeleitet. Die Börsenmedien AG hat diesen Index entwickelt und hält die Rechte hieran. Mit dem Emittenten der dargestellten Wertpapiere hat die Börsenmedien AG eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, wonach sie dem Emittenten eine Lizenz zur Verwendung des Index erteilt. Die Börsenmedien AG erhält insoweit von dem Emittenten Vergütungen.