Herr Prof. Fuest, die Inflation in der Eurozone ist im Februar auf 2,0 Prozent gestiegen. Das ist der höchste Stand seit Januar 2013. Wie überrascht sind Sie?

Clemens Fuest: Dass die Inflationsrate steigt, ist keine Überraschung, das war angesichts steigender Ölpreise absehbar. Überraschend ist das Ausmaß. Die meisten Prognosen lagen deutlich unter zwei Prozent.

EZB-Chef Mario Draghi hat die Niedrigzins-Politik der europäischen Notenbank stets mit der Angst vor einer möglichen Deflation begründet. Davon sind wir inzwischen weit entfernt. Muss die EZB jetzt nicht eine rasche Kursänderung einleiten und die Zinsen wieder anheben?



Das Deflationsrisiko habe ich nie für sonderlich groß gehalten. Es waren fallende Energiepreise, die die Inflation auf Nahe bei Null reduziert haben. Jetzt sorgen sie für den drastischen Anstieg. Man sollte jetzt nicht gleich die Zinsen erhöhen, aber die Wertpapierkäufe sollten abgebaut werden, ich würde sie ab April um 10 Milliarden Euro pro Monat senken.

Für wie wahrscheinlich halten Sie eine solche Kehrtwende?



Die EZB will den Ausstieg hinauszögern. Sie argumentiert jetzt damit, dass die Energiepreise die Inflation nach oben treiben und die Kern-Inflation sich wenig verändert. Als die Inflationsrate fiel, ebenfalls wegen der Energiepreise, hat die EZB argumentiert, es komme nicht auf die Kerninflation an. Das passt nicht zusammen.

Was wären die Folgen, falls die EZB trotz steigender Inflationsraten bei ihrer starren Niedrigzinspolitik bleibt?



Die Nachteile der expansiven Geldpolitik - die Verzerrung der Kapitalmärkte, die Verunsicherung der Sparer, die Belastung der Banken - überwiegen zunehmend die Vorteile. Es kommt außerdem zu einer Einkommensumverteilung zwischen Gläubigern und Schuldnern in Europa, eine Nebenwirkung dieser Geldpolitik, die großes Konfliktpotential beinhaltet.

Und die Sparer blieben weiter die Dummen?



Die Sparer werden 2017 mit einer deutlich negativen Realverzinsung leben müssen.