Die deutsche Wirtschaft geht überraschend mit weniger Optimismus ins Jahr 2020. Das Barometer für das Ifo-Geschäftsklima im Januar fiel auf 95,9 Punkte von 96,3 Zählern, wie das Münchner Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilte. Von Reuters befragte Volkswirte hatten hingegen mit dem dritten Anstieg in Folge gerechnet - auf 97,0 Zähler. "Die deutsche Wirtschaft startet verhalten ins neue Jahr", erklärte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Firmenchefs beurteilten zwar ihre Geschäftslage günstiger als zuletzt, ihre Aussichten aber skeptischer.

Im Verarbeitenden Gewerbe gebe es Zeichen der Erholung, betonte das Ifo. Hier habe sich das Geschäftsklima deutlich verbessert. "Der große Lichtblick ist die Industrie", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. Der wichtige Wirtschaftszweig arbeite sich langsam aus der Krise heraus. Auch die Bundesbank erkennt inzwischen Anzeichen für ein Ende der Talfahrt der deutschen Industrie. Die Notenbank geht davon aus, dass die gesamte Wirtschaftsleistung Ende 2019 weitgehend stagnierte, nach einem Mini-Wachstum von 0,1 Prozent im dritten Quartal. Das Ifo rechnet damit, dass die Konjunktur Anfang 2020 um 0,2 Prozent zulegen könnte.

Im Servicesektor trübte sich die Stimmung laut Ifo spürbar ein, vor allem wegen "merklich zurückhaltendere Erwartungen" der Unternehmen. "Offenbar hat die Schwäche der Industrie mit Zeitverzug auch die Dienstleister erreicht", sagte LBBW-Chefökonom Uwe Burkert. "Alles in allem zeigt es, dass wir vor einem schwierigen Jahr stehen." Im Handel zog das Geschäftsklima an, während es sich am lange boomenden Bau verschlechterte. "Die Einschätzungen zur aktuellen Lage fielen auf den niedrigsten Stand seit Juni 2018", erklärte das Ifo.

Spotanalyse: Volkswirte zum gesunkenen Ifo-Geschäftsklimaindex im Januar

THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:


"Der Ifo-Geschäftsklimaindex holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück. Der konjunkturelle Aufschwung bleibt eine Wackelpartie. Nach dem Teilabschluss eines Handelsabkommens zwischen den USA und China ist die Feier vorbei, im Januar herrscht Katerstimmung.

Der Rückgang im Januar zeigt, dass man in den deutschen Chefetagen skeptisch ist. Der Strukturwandel in der Automobilwirtschaft und der ungewisse Ausgang der Verhandlungen mit Großbritannien über ein Freihandelsabkommen belasten. Darüber hinaus gesellt sich aktuell mit dem Coronavirus ein weiterer temporärer Belastungsfaktor hinzu. Kein Wunder also, dass die Stimmung in den deutschen Unternehmen gedrückt bleibt."

ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT BANKHAUS LAMPE:


"Von Erleichterung über den US-chinesischen Handels-Deal keine Spur. Sorgen bereitet vor allem der Stimmungsabfall im so wichtigen Dienstleistungssektor. Zudem ist die Stimmung im Bausektor gedrückt geblieben. Mit dem Coronavirus und noch immer drohenden US-Autozöllen für die EU dürften die Sorgen nicht kleiner werden. Erwartungsseitig wird ein konjunkturelles Wendesignal weiter auf sich warten lassen."

UWE BURKERT, CHEFVOLKSWIRT LBBW:


"Eine faustdicke Überraschung. Wir hatten mit einer Verbesserung gerade der Erwartungen gerechnet, weil mit dem 'Hard Brexit' und den Kompromisssignalen im Handelsstreit zwei Belastungsfaktoren weggefallen sind. Jetzt ist es anders gekommen. Offenbar hat die Schwäche der Industrie mit Zeitverzug auch die Dienstleister erreicht. Da kann man nur hoffen, dass dort auch die Erholung der Industrie, die wir inzwischen an den Daten ja auch ablesen können, ankommt. Alles in allem zeigt es, dass wir vor einem schwierigen Jahr stehen."

rtr