Die Biogen Idec-Aktie hat sich fast das ganze Jahr 2014 über eine Auszeit genommen. Dem Nasdaq Biotechnology Index hinkt der Titel deshalb neuerdings hinterher. Man kann diese Entwicklung als wohlverdiente Auszeit bezeichnen. Schließlich sind die Anteilsscheine des weltgrößten Herstellers von Medikamenten zur Behandlung von Multipler Sklerose in den Jahren zuvor ausgesprochen gut gelaufen.

Doch mit etwas Glück könnte die jüngste Lethargie demnächst auch schon wieder enden. Die Notiz hat zuletzt jedenfalls wieder Lebenszeichen gesendet. Verantwortlich dafür war die Vorlage positiver Studiendaten für den Alzheimer-Wirkstoff BIIB037. Dieser soll die Krankheit verlangsamen und auch positive Wirkung auf das Erinnerungsvermögen haben. Auf dieser Basis sei die Aufnahme des Phase-III-Programms möglich, so die Verantwortlichen. Diese Meldung nährt die Hoffnung auf einen weiteren Blockbuster im Portfolio. S&P Capital IQ beziffert das mit BIIB037 verbundene Marktpotenzial auf gut fünf Milliarden Dollar im Jahr.

An das Thema Alzheimer knüpft sich dabei besonders viel Potenzial, weil im Kampf gegen diese weit verbreitete Krankheit noch keinem Unternehmen der Durchbruch gelungen ist. In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, dass die Versagensquote von Alzheimer-Medikamenten, die es in die Phase drei geschafft haben, bisher bei fast 100 Prozent liegt. Folglich ist auch bei Biogen ein Durchbruch noch lange nicht sicher. Immerhin: Biogen hat auch noch zwei andere potenzielle Alzheimer-Medikamente im Köcher, die als aussichtsreich eingestuft werden. Doch selbst bei BIIB037 wäre auch im Erfolgsfall die Marktreife noch vier bis fünf Jahre entfernt.

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Chancen und Risiken liegen im Biotech-Geschäft nahe beisammen

Wegen der vielen Rückschläge in der Forschung sind Aktionäre auch bei Biogen gut beraten, nicht vorschnell zu große Hoffnung in einen durchschlagenden Erfolg eines Alzheimer-Medikaments zu setzen. Das gilt in diesem speziellen Fall auch deshalb, weil bei der diesmaligen Präsentation der Studiendaten nicht alles Gold war, was glänzte. Wie viele Risiken auch für Anleger im Biotech-Bereich nicht nur für Patienten sondern auch für Anleger lauern, zeigt der Fall des Multiple-Sklerose-Mittels Tecfidera. Dieses dient zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose, kann jedoch eine Lymphopenie verursachen. Im Oktober ist bei einer Patientin mit schwerer und lang anhaltender Lymphopenie, die seit viereinhalb Jahren mit Tecfidera behandelt wurde, nun erstmals eine tödliche progressive multifokale Leukenzephalopathie aufgetreten. Aufgrund potenziell tödlicher Nebenwirkungen weist Biogen in einem aktuellen Rote-Hand-Brief deshalb jetzt darauf hin, dass mit Tecfidera behandelte Patienten, die unter Lymphopenie leiden, sorgfältig und häufig auf Anzeichen und Symptome neurologischer Funktionsstörungen hin überwacht werden sollten. Zudem sei regelmäßig ein großes Blutbild zu erstellen.

Meldungen wie diese können dazu beitragen, einen Blockbuster wie Tecfidera in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen und negative Auswirkungen auf die Absatzzahlen haben. Abgesehen von dieser allgemein bei Biotech-Aktien zu beachtenden Gefahr scheint Biogen aber mit einer gut bestückten Produkt-Pipeline ausgestattet zu sein. Insgesamt verfügt die Gesellschaft, die 25 bis 30 Prozent des Konzernumsatzes in Forschung und Entwicklung reinvestiert, über zwölf neue Wirkstoffe in fortgeschrittenen Entwicklungsstufen oder bereits kurz vor der Zulassung. Erfolge bei diesen Medikamenten wären echte Pluspunkte, weil laut RBC Capital das in den Konsensprognosen der Analysten in der Regel bisher nicht berücksichtigt ist.

Auf Seite 3: Warum der Kurs absackt



Trotz Prognoseerhöhung sackte der Kurs nach Quartalszahlen ab

Wissenswert zum geschichtlichen Hintergrund von Biogen ist außerdem, dass die Gesellschaft 1978 in Genf in der Schweiz gegründet worden war. Zwei Gründungsmitglieder erhielten übrigens später Nobelpreise. Erst 1982 wurde dann der Firmensitz nach Cambridge in den USA verlegt. Im Jahre 2003 entstand durch den Zusammenschluss von Biogen und Idec Pharmaceuticals zu Biogen Idec das drittgrößte Biotechnologie-Unternehmen weltweit. Die Gesellschaft, die als therapeutische Schwerpunkte unter anderem die neurodegenerativen Erkrankungen, Hämophilie und Autoimmunerkrankungen definiert hat, ist mit eigenen Niederlassungen in 30 Ländern vertreten und hat Vertriebspartner in mehr als 70 Ländern.

Geschäftlich gesehen ist der Konzern weiterhin erfolgreich unterwegs. Für das abgelaufene Quartal wurden jedenfalls überraschend starke Zahlen vorgelegt. Im Zeitraum Juli bis Ende September stieg der Gewinn um knapp 76 Prozent auf 857 Millionen Dollar. Der Umsatz kletterte gleichzeitig um 37 Prozent auf 2,51 Milliarden Dollar. Mit dem vorgelegten bereinigten Gewinn je Aktie von 3,80 Dollar wurden die Schätzungen der Analysten deutlich geschlagen. Wie schon bei der Präsentation der Halbjahreszahlen wurden auf dieser Basis die Jahresprognosen erneut, zum insgesamt dritten Mal in diesem Jahr angehoben. Beim bereinigten Jahresgewinn je Aktie wurde die erwartete Bandbreite von bisher 12,90 bis 13,10 Dollar auf 13,45 bis 13,55 Dollar erhöht. Beim Aktienkurs kam es anschließend dennoch zu Verlusten. Erklärt wurde dies mit den Umsatzzahlen von Tecfidera. Diese haben sich mit 787 Millionen Dollar im dritten Quartal zwar mehr als verdoppelt, die Erwartungen von 794 Millionen Dollar wurden damit aber verfehlt und daran knüpften sich Sorgen, ob sich vielleicht nicht alle Umsatzhoffnungen erfüllen werden.

Auf Seite 4: Kaufsignal in Reichweite



Charttechnisches Kaufsignal in Reichweite

Im Schnitt sind Analysten aber dennoch weiter optimistisch. Das Kursziel wird von ihnen auf 377,48 Dollar taxiert. Für Piper Jaffray ist die Biogen-Aktie nicht zuletzt wegen der gut bestückten Pipeline derzeit sogar die zweitbeste Wahl im Biotech-Sektor nach Marktführer Amgen. Auch die Citigroup hält mit Blick auf den Medikamenten-Zulassungs-Fahrplan derzeit den Zeitpunkt für einen Einstieg bei dem Wert für günstig. Zudem hat S&P Capital IQ die mit einem Kursziel von 400 Dollar versehene Kaufempfehlung für Biogen in Reaktion auf die Studiendaten zum besagten Alzheimer-Wirkstoff BIIB037 bestätigt.

Wenn sich die Ergebnisprognosen erfüllen, dann sollte der Titel in der Tat bald nach oben ausbrechen. Denn für 2014 rechnen Analysten derzeit durchschnittlich mit einem Anstieg beim Gewinn je Aktie von 8,96 Dollar auf 13,53 Dollar und 2015 sollen es dann sogar 16,28 Dollar werden. Auf Sicht der nächsten fünf Jahre wird das Ergebniswachstum je Aktie zudem auf 21,20 Prozent p.a. taxiert. Das deckt sich in etwa mit dem GV von gut 21, das sich auf Basis der für 2015 erwarteten Ergebnisse ergibt. Im Branchenvergleich ergibt sich auf dieser Basis ein vorteilhafter Bewertungseindruck. Zugunsten von Biogen spricht auch ein Freier Cash-Flow je Aktie von 8,86 Dollar. Das ist der höchste Wert im Sektor und fällt sogar besser aus als bei Amgen mit 7,43 Dollar.

Seit der letzten Besprechung in dieser Rubrik im Januar zu 310,54 Dollar hat der Titel auf Dollar-Basis knapp elf Prozent zugelegt und auf Euro-Basis fast 20 Prozent. Weiteres Aufwärtspotenzial würde charttechnisch gesehen dann erschlossen werden, wenn es gelingt, das bisherige Rekordhoch von 351,94 Dollar zu überwinden. Schließlich wäre das dann gleichbedeutend mit einem prozyklischen Kaufsignal.

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