Himmel und Hölle liegen in der Biotechforschung oft eng beisammen. Inflarx kann ein Lied davon singen. Weil im Juni 2019 eine Wirksamkeitsstudie mit dem Antikörper Vilobelimab bei Hidradenitis suppurativa (HS) floppte, stürzte der Aktienkurs um rund 80 Prozent ab. Jetzt steht die 2007 gegründete Biotechfirma mit Sitz in Jena, die seit Ende 2017 an der Nasdaq gelistet ist, bei der schmerzhaften chronischen Hautentzündung vor dem Comeback. Nach der Einigung mit der US-Behörde FDA auf ein neues Studiendesign startet Inflarx im zweiten Quartal mit der Patientenrekrutierung für die zulassungsrelevante Studie.

Covid-19 ist der nächste Kurstreiber

Wieder ins Laufen kam die Aktie im November 2021, nachdem Vilobelimab sehr positive Wirksamkeitsdaten bei ANCA-assoziierter Vaskulitis geliefert hatte. Bei dieser Autoimmunerkrankung kann die Entzündung von Blutgefäßwänden zu Organversagen führen.

Ein noch weitaus größerer Kurstreiber wartet in den kommenden Wochen mit den klinischen Phase-III-Daten bei schwer erkrankten und künstlich beatmeten Covid-19-Patienten. Als primärer klinischer Endpunkt ist festgelegt, die Sterberate nach 28 Tagen signifikant zu senken. Vilobelimab soll Immunthrombosen verhindern, wie sie als Folge von Gefäßentzündungen und Störungen der Blutgerinnung bei schweren Formen von Covid auftreten. Das Unternehmen ist davon überzeugt, dass auch nach dem Vorhandensein von Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid ein Umsatzpotenzial für Produkte wie Vilobelimab für lebensbedrohlich erkrankte Patienten besteht.

Die Zulassung sieht Vorstandschef Niels Riedemann im Gespräch mit BÖRSE ONLINE als erste Etappe vor dem Einsatz in anderen Indikationen: "Covid-19 ist für uns ein Joker. Im Falle einer Zulassung könnten die potenziellen Einnahmen die Finanzierung aller zulassungsrelevanten klinischen Studien in den anderen vier Krankheitsfeldern auf eine noch breitere Grundlage stellen. Wir sind durch eine harte Krise gegangen, sind aber jetzt mit unserem Hauptprodukt für die Zukunft unternehmerisch und finanziell sehr gut aufgestellt."

Vielfältige Einsatzoptionen

Das große Plus von Vilobelimab ist laut Inflarx sein vielseitiges Wirkprofil. Der Antikörper ist darauf ausgerichtet, den C5a-Rezeptor zu blockieren, der überschießende Immunreaktionen auslösen kann. Dieser Rezeptor spielt auch eine zentrale Rolle bei akuten und chronischen Entzündungen sowie bei Krebserkrankungen.

Erste klinische Wirksamkeitsdaten will Inflarx in diesem Jahr in der Krebsmedizin vorlegen. Hier wird Vilobelimab als Therapie gegen einen karzinombildenden Hautkrebs an Patienten getestet, bei denen zugelassene Therapien nicht mehr anschlagen und sich Metastasen bilden. Am schnellsten voranbringen will Inflarx jedoch die Phase-III-Studien in HS und in Pyoderma gangraenosum (PG), einer seltenen Hauterkrankung mit offenen Geschwüren, für die es bislang keine Behandlungsoptionen gibt. Klappt die Zulassung, beabsichtigt Inflarx, das Produkt selbst zu vermarkten.

Finanziell ist die Firma mit liquiden Mitteln von 120,6 Millionen Euro zum 30. September 2021 gut aufgestellt. Rund drei Viertel des aktuellen Börsenwerts sind damit abgedeckt. Dazu kommen 43,7 Millionen Euro an Fördermitteln durch die Bundesregierung.

Inflarx kann hier einzelne Tranchen als Kostenerstattung für die klinischen Studien bei Covid sowie nach dem Erreichen von drei Meilensteinen abrufen. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Forschungs- und Entwicklungskosten gegenüber den 28,2 Millionen Euro im Zeitraum Januar bis September 2021 deutlich steigen werden, ist Inflarx bis 2023 durchfinanziert.

Unabhängig davon, wie hoch für Inflarx die Einnahmen bei Covid ausfallen könnten, wird eine erste Zulassung für Vilobelimab den Aktienkurs beflügeln. Folgt dann auch noch die Zulassung in den beiden Nischenindikationen der Hautentzündungen, sind in den nächsten Jahren wieder die Kursregionen vor dem Absturz von 2019 drin. Allerdings ist der Titel, wie viele Biotechs, mit einem hohen Risiko verbunden, Anleger sollten den Stoppkurs beachten.

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