Die Strategen von SPD, Grünen und FDP wollen in dem Veranstaltungsforum für Zukunftsentwicklungen die Botschaft ausstrahlen, die auch der designierte Kanzler Olaf Scholz später betont: Die neue Koalition wage den Aufbruch, es gehe um Zukunft, Modernität. Alle drei Parteien seien "Fortschritts-Parteien", betont der SPD-Politiker. Aber als sich die Granden der drei Parteien zur Unterzeichnung auf der Bühne versammeln, stehen dort genau neun Männer und zwei Frauen zusammen.

Am Ende halten nur drei Männer den Koalitionsvertrag in die Kameras - Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner. Wer es dann noch nicht verstanden hat, wo die Machtzentren dieser neuen Koalition liegen, muss nur ein paar Schritte bis zur nahegelegenen Bundespressekonferenz gehen. Denn dort setzen sich die rot-grün-gelben "Ampel-Männchen", die eigentlich die Ampel-Alphatiere sind, vor die Hauptstadtpresse.

Prompt kommt in der Pressekonferenz die Frage, ob dies kein Widerspruch zu dem erklärten Ziel der Gleichstellung von Mann und Frau sei. Das will niemand auf sich sitzen lassen. Wichtige Ministerien würden schließlich von Frauen besetzt, betont Scholz. Immerhin hatte er am Vortag eine Innen-, Verteidigungs-, Bau- und Entwicklungshilfeministerin präsentiert. "Die Sicherheit wird in dieser Regierung in den Händen starker Frauen liegen", hatte er gesagt. Am Dienstag schiebt der künftig Kanzler hinterher: In dieser Legislaturperiode werde die Gleichberechtigung von Mann und Frau "endgültig gelingen".

Auch FDP-Chef Lindner fühlt sich herausgefordert, schon weil die Liberalen mehr Männer als Frauen ins Kabinett schicken: Im Koalitionsvertrag würden viel mehr Themen aufgegriffen, die Richtung Gleichberechtigung zielten und für Frauen von Bedeutung seien als in früheren Koalitionsverträgen, betont er in der Pressekonferenz. "Deshalb ist dieser Koalitionsvertrag auch in gleichsstellungs-politischer Hinsicht ein Fortschritt." Das betonen auch viele Frauenorganisationen wie etwa die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) bei der SPD. Grünen und SPD können zudem darauf verweisen, dass der Frauenanteil in ihren Regierungsfraktionen deutlich höher liegt als der etwa bei der Union - oder dem Koalitionspartner FDP. In Unionskreisen räumt man ein, dass dies CDU und CSU vier Jahre lang beim Thema Gleichberechtigung in die Defensive bringen wird.

Doch zumindest bei der Sichtbarkeit gibt es auch bei der Ampel-Regierung eine männliche Dominanz. Das liegt schon daran, dass sich der designierte Kanzler dafür entschied, die Parität nur an den Ministerposten zu messen: Danach kommt sein Kabinett auf acht Frauen und acht Männer - sich selbst als Kanzler zählt Scholz dabei nicht mit. Und bei den Grünen ist die einstige Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock eindeutig an die zweite Stelle hinter Habeck zurück getreten - selbst bei der Unterzeichnung und Präsentation des Koalitionsvertrages im Futurium.

Schon bei der Besetzung des neuen Bundestagspräsidium zeigte sich, dass die Parteien bei dem Thema Gleichstellung unter erheblichem Druck stehen - weshalb als einziger Mann der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki ins Präsidium einzog. Nun macht NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst das Mann-Frau-Thema ausgerechnet an einer Stelle auf, an der es die SPD nicht will - dem Posten des Bundespräsidenten. "Die Zeit ist aus meiner Sicht reif für eine Frau im Schloss Bellevue", sagte der CDU-Politiker der "Welt am Sonntag". Ausdrücklich verwies er dabei auf das Erscheinungsbild der Ampel. "Wir haben bald einen Kanzler, der von zwei Männern vertreten wird. Es wird auch einige Anhängerinnen und Anhänger der Ampel-Parteien geben, die sich mehr Vielfalt gewünscht hätten."

rtr