Die Pandemie traf Italien im Frühjahr heftig. Zuletzt war das anders. Während etwa in Frankreich und Spanien die Fallzahlen extrem gestiegen sind, gibt es zwischen den Alpen und Sizilien derzeit kein Risikogebiet. Auch dank strikter Maßnahmen: So lang und hart wie Italien griff bislang kein anderes EU-Land durch. Die WHO lobte das ausdrücklich.

Allerdings schnellten am Wochenende die Fallzahlen auch in Italien nach oben. Doch man reagiert prompt. Premierminister Giuseppe Conte will beispielsweise neben der Polizei auch das Militär einsetzen, um das Tragen von Masken auf den Straßen zu kontrollieren. Doch trotz der aktuellen Entwicklung scheint Italien insgesamt auf einem guten Weg. Man steht besser da als andere. Etwa wenn es darum geht, welches Land am meisten zum Vorkrisenniveau aufholen muss. Gemessen am Schnitt des Bruttoinlandsprodukts 2019 ist das Spanien mit einem Minus von 22 Prozent, dahinter Frankreich mit 18,9 Prozent, dann Italien mit 17,2 Prozent.

Mit Moses in die Zukunft


Auch sonst bewegt sich etwas in Italien. Zwei Projekte, die bisher symbolisch für den ökonomischen Niedergang des Landes standen - und das Unvermögen, dies zu ändern - stehen am Start: Das Projekt Moses, das mit Schleusen die Lagunenstadt Venedig vor Überschwemmungen schützen soll, ist nach 20 Jahren Hin und Her startklar. Und über die 2018 in Genua eingestürzte Autobahnbrücke fließt seit August wieder der Verkehr - aufgebaut in Rekordzeit, projektiert vom Stararchitekten Renzo Piano.

Der neue Schwung hat auch mit Conte zu tun. Der Stil, wie in Italien Politik betrieben wird, ist durch ihn verändert, ebenso die Inhalte. Der dort sonst übliche Machtstreit hat nachgelassen. Auch die Opposition, die Lega, hält sich zurück, seit die Koalition von Fünf Sterne und Sozialdemokraten in Rom das Sagen hat, geführt vom parteilosen Conte. Dass der unaufgeregte Premier seit März per Dekret regiert, stört kaum jemanden. Der 56-Jährige steigerte zuletzt seine Beliebtheit enorm. Auch die Finanzdaten sprechen für ihn. 2019 war die Neuverschuldung Italiens mit 1,6 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt die drittniedrigste seit 1980. "Ohne die Covid-19-Krise würden wir heute eher über einer Ratingheraufstufung Italiens sprechen statt über eine Abwertung", lobt daher die US-Bank Morgan Stanley in einer Analyse.

Mit Milliarden aus Brüssel


Und da ist dann natürlich noch das Hilfs­paket der Europäischen Union. Die Aussicht auf Milliarden aus einem - auch von Italien mitfinanzierten - europäischen Wiederaufbaufonds kommt gut an.

Positiv für die Wirtschaft ist auch, dass sich durch die milliardenschwere Fusion von Intesa Sanpaolo und UBI Banca das Bankensystem stabilisiert. Durch den Zusammenschluss entsteht nicht nur ein lokaler Marktführer, sondern die siebtgrößte Bank der Eurozone. Zuvor schon bauten die Banken den Anteil notleidender Kredite über die Jahre massiv ab.

An der Börse werden die positiven Aspekte jedoch wenig goutiert. Der Leitindex MIB der 40 größten und liquidesten Aktien hinkt dem DAX deutlich hinterher (siehe Chart rechts). Eine der Ursachen ist die Zusammensetzung des Index. Etliche Schwergewichte laufen schlecht und ziehen den Index nach unten. Der in der Öl- und Gasindustrie tätige Maschinenbauer Saipem etwa, ebenso der Stahlproduzent Tenaris, der Mineralölkonzern Eni oder auch die Banken Intesa und Unicredit.

Interessanter sind Spezialwerte wie Campari. Die Mailänder vertreiben Spirituosen, Wein und nichtalkoholische Getränke in 190 Ländern. Neben dem berühmten Aperitif zählen auch Marken wie Aperol, Averna, Grand Marnier und viele andere dazu. Ein Plus ist die Internationalität des Unternehmens. Nur ein Viertel des Umsatzes wird in Italien gemacht.

Spannend ist auch der Bezahldienstleister Nexi Capital, der im Frühjahr 2019 in einem der größten IPOs des Jahres an den Markt ging. Das Potenzial ist groß: Bisher ist die Anzahl an Kartenzahlungen in Italien halb bis ein Drittel so hoch wie in Frankreich oder Großbritannien. Die Deutsche Bank traut Nexi bis 2022 jährliche Gewinnzuwächse um 18 Prozent zu.

Und schließlich Amplifon. Das Unternehmen verkauft an gut 10 000 Vertriebspunkten seine Hörgeräte. Mit über 60 Prozent der Stimmrechte hat die Gründerfamilie das Sagen, Firmen mit vergleichbarer Eigentümerstruktur wirtschaften meistens nachhaltiger als andere. Zudem gilt das Geschäft mit Hörgeräten als kaum konjunkturanfällig. Die soliden zweistelligen Wachstumsraten sprechen für eine Investition.