IWH-Ökonomen haben berechnet, dass der deutsche Fiskus seit 2010 Einsparungen in Höhe von rund 100 Milliarden Euro erzielt habe, die zumindest zum Teil direkt auf die Griechenlandkrise zurückzuführen seien. Das Volumen liege bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts und übertreffe die Kosten der Krise, selbst wenn Griechenland seinen Schuldendienst komplett einstellen würde. Diese Kosten beziffert das IWH auf rund 90 Milliarden Euro. "Deutschland hat also in jedem Fall von der Griechenlandkrise profitiert", so die Ökonomen.

Die Erklärung der Forscher: Mit der Krise hätten Anleger aus aller Welt besonders sichere Anlagen gesucht. Dabei standen deutsche Staatsschulden ganz oben auf der Liste der sicheren Häfen. Außerdem pumpte die Europäische Zentralbank (EZB) Milliarden in den Markt. Die hohe Nachfrage drückte dann die Rendite von Bundesanleihen. Die Folge: Deutschland konnte auslaufende Staatsanleihen mit Anleihen ersetzen, für die viel niedrigere Zinsen als üblich fällig werden.

KRITIK AN ZAHLEN DES IWH

Unter Experten gibt es allerdings Zweifel an der Aussagekraft der vorgelegten Zahlen. Diese bezögen sich nur auf den deutschen Staat, bemängelte der Ökonom Hans-Werner Sinn gegenüber der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX. Aber Deutschland bestehe nicht nur aus einem staatlichen Schuldner, sondern auch aus privaten Sparern, die als Inhaber von Auslandsvermögen ebenfalls von den Zinssenkungen betroffen seien. "Da Deutschland in der Summe über alle Wirtschaftssubjekte einschließlich des Staates ein Nettogläubiger ist, nach China gar der größte der Welt, kann es durch die Niedrigzinspolitik der EZB nicht gewinnen, sondern nur verlieren", so Sinn.

Bert Van Roosebeke, Finanzmarktexperte beim Centrum für Europäische Politik, hält die Einschätzung, dass der deutsche Staat über niedrige Zinsen von der Griechenlandkrise profitiert hat, zwar für grundsätzlich plausibel. Allerdings sei es methodisch kaum möglich, belastbare Zahlen zu dieser Frage vorzulegen. "Es gibt eben keine klare Antwort auf die Frage, was ohne die Griechenlandkrise gewesen wäre", sagte Roosebeke gegenüber dpa-AFX.

METHODISCHE PROBLEME

Die entscheidende Frage ist also, wie man überhaupt Aussagen darüber treffen kann, wie hoch die Zinslasten gewesen wären, wenn es keine Krise gegeben hätte. Für den Vergleichsmaßstab wählten die Forscher des IWH zwei Methoden. Einmal legten sie einfach die vor der Krise üblichen Zinssätze für Deutschland zugrunde. Im zweiten Fall errechneten sie aufgrund der Wirtschaftsentwicklung Zinssätze, wie sie ohne Krise wahrscheinlich gewesen wären. Beide Rechenmethoden kamen aber zum ungefähr gleichen Ergebnis.

Die Forscher aus Halle untersuchten außerdem, wie sich positive und negative Nachrichten zur Verschuldung Griechenlands in den Renditen deutscher Anleihen niederschlugen. Dabei erkannten sie einen direkten Zusammenhang. "Schlechte Nachrichten in Griechenland waren gute Nachrichten in Deutschland und umgekehrt", heißt es in der Studie. Dies führen die Ökonomen darauf zurück, dass die Investoren in Zeiten der Krise in sichere Häfen wie deutsche Anleihen fliehen. Aber damit nicht genug: Voraussichtlich werde der Zinsvorteil Deutschlands auch in Zukunft noch anhalten, so die IWH-Forscher./tos/rgo/jkr/fbr