Fumio Kishida ist "erst" 64 Jahre alt. Das unterscheidet ihn von vielen Politikern Japans. Im Reich der aufgehenden Sonne sitzen meist betagte Männer in führenden Positionen: Finanzminister Taro Aso beispielsweise ist 81 Jahre alt, Katsue Hirasawa, Minister für Wiederaufbau, bringt es auf 79 Jahre. Mit Kishida verjüngt sich die Politik.

Der frühere Außenminister hat die Wahl zum Vorsitz der Liberaldemokratischen Partei (LDP) gewonnen. Er setzte sich gegen den zunächst als Favoriten gehandelten 58-jährigen Taro Kono durch. Da die LDP im Unterhaus über die Mehrheit verfügt, tritt Kishida am kommenden Montag auch die Nachfolge Yoshihide Sugas im Amt des Ministerpräsidenten an. Kishida werde schnell ein relativ junges Kabinett bilden, in dem wichtige Posten mit Frauen besetzt sind, kommentiert John Vail, Chief Global Strategist bei Nikko Asset Management, den Wahlausgang.

Der 72-jährige Suga hatte nach einem massiven Verlust an Zustimmungswerten Anfang September überraschend seinen Rücktritt vom LDP-Vorsitz angekündigt. Die Börse in Tokio hatte darauf mit kräftigen Kursgewinnen reagiert. Der Nikkei 225 legte innerhalb eines Monats knapp sieben Prozent zu. Mitte September übertraf der Leitindex die Bestmarke aus dem Jahr 1990. "Mit dem Verzicht Sugas ist die politische Unsicherheit aus dem Markt", erklärt Kateryna Illyushenko, Fondsmanagerin des UniJapan. "Die Anleger gehen nun davon aus, dass die wirtschaftsfreundliche LDP die im November stattfindenden Wahlen zum Unterhaus erneut gewinnen wird."

Zu seinen wirtschaftlichen Vorhaben äußerte sich Kishida bislang jedoch nicht allzu dezidiert. In den vergangenen Wochen hatte er sich zwar für ein erneutes milliardenschweres Konjunkturpaket stark gemacht. Wie hoch es ausfallen wird, will er jedoch erst nach den Unterhauswahlen entscheiden. Klar aber ist, dass ein erheblicher Teil der Mittel in die Digitalisierung und in grüne Energien fließen soll. Kishida fordert zudem einen "Neuen Kapitalismus". Weniger Neoliberalismus soll die Einkommensunterschiede in Japan wieder schließen. Doch auch dazu gibt es bislang keine konkreten Aussagen.

Steuersenkungen für Unternehmen, die ihre Löhne erhöhen, wären dagegen eine Maßnahme, die bei Investoren gut ankäme. Den Vorschlag hatte sein Rivale Kono ins Spiel gebracht. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen steigern und gleichzeitig die Binnennachfrage beleben.

Aus Sicht langfristig orientierter Anleger muss Kishida vor allem aber ein Problem adressieren: Zuwanderung. Japan zählt zu den Ländern mit dem höchsten Bevölkerungsrückgang. Gleichzeitig steigt der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung. Die Folgen: Es fehlt an Arbeitskräften, der Konsum lässt nach, den Rentenkassen droht die Überlastung. Mehr Zuwanderung würde das demografische Problem zumindest entschärfen. Die bisherige Visa-Praxis Japans reicht da nicht.

Positiv bewerten Anleger, dass Ki-shida im Gegensatz zu früheren Kommentaren die Notenbank mittlerweile nicht mehr zur geldpolitischen Wende aufruft. Die Bank of Japan hat in den vergangenen Jahren nicht nur massiv Anleihen erworben. Sie investierte auch in ETFs und sorgte so für kontinuierliche Kursunterstützung am Aktienmarkt.

Das Ziel die Inflationsrate auf zwei Prozent zu heben, hat die Notenbank dennoch nicht erreicht. Während in anderen Industriestaaten die Preise anziehen, sinken sie in Japan. Im Juli lag die Teuerungsrate bei minus 0,3 Prozent. Erst im Jahr 2022 sei das angestrebte Ziel von zwei Prozent erreichbar, prognostiziert die Bank of Japan. Bis dahin dürfte sie demzufolge noch keinen Kurswechsel einleiten.

Value plus Wachstum

Nicht nur politische Stabilität und anhaltend tiefe Zinsen ermuntern zum Einstieg. "Japans Aktienmarkt hat sich bislang nicht so stark entwickelt wie die Börsen in den USA oder in Europa", sagt Managerin Kateryna Illyushenko. "Eine ganze Reihe von Unternehmen ist günstig bewertet und bietet im Zuge einer steigenden Impfquote und einer globalen wirtschaftlichen Erholung Aufholpotenzial."

Dazu zählt zum Beispiel Toyota Motor. Die Aktie des nach Stückzahlen weltweit größten Autobauers weist ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von um die zehn auf. Die Value-Fantasie des Titels wird durch ambitionierte Investitions- und Wachstumspläne ergänzt. Bislang setzte Toyota vor allem auf Hybridfahrzeuge. Um reine E-Autos kümmerte sich der Konzern weniger. So drohte Toyota gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten. Vorstandschef Akio Toyoda hat die Gefahr erkannt. Anfang September kündigte er eine Investitionsoffensive an. Bis zum Jahr 2030 will er 11,5 Milliarden Euro in den Ausbau der Batterieproduktion und in die Batterieentwicklung stecken. Schon in vier Jahren sollen 15 neue elektrische Modelle auf den Markt kommen. Die zur Finanzierung notwendigen Mittel bringt Toyota locker auf. Der Autobauer verfügt über hohe Cash-Bestände.

Ein Kauf sind auch Aktien von Unternehmen, die bislang von den Lockdown-Maßnahmen stark betroffen waren. Dazu zählt beispielsweise die Central Japan Railway Company. Nach einer längeren Schwächephase legte der Titel diese Woche kräftig zu. Derzeit von Investoren gesucht ist auch die Aktie der Restaurantkette Food & Life Companies. Der scheidende Ministerpräsident Suga hatte jüngst aufgrund sinkender Infektionszahlen für dieses Wochenende die teilweise Aufhebung des Corona-Notstands angekündigt.
 


INVESTOR-INFO

UniJapan

Margenstarke Dickschiffe

Kateryna Illyushenko favorisiert Unternehmen, die hohe Margen erzielen. Unter den Top-Ten-Positionen finden sich Schwergewichte wie Toyota Motor, Sony Corporation und Nintendo. Aktuell setzt die Managerin vermehrt auf Unternehmen, die von einer Lockdown-Aufhebung profitieren können. Diese findet sie unter anderem in der Konsum- und Tourismusbranche. Innerhalb eines Jahres legte der Fonds 25 Prozent zu.

BNP Paribas Japan Small Cap

Eigene Investmentideen

Japans Aktienmarkt ist reich an vielversprechenden Nebenwerten. In diese investiert Fondsmanager Shunsuke Matsushima. Unternehmen aus der Technologiebranche, wie den Hersteller von elektronischen Geräten Yokowo, hat der Investmentprofi mit 30 Prozent und damit deutlich höher als im Vergleichsindex gewichtet. Deutlich untergewichtet sind dagegen Finanzwerte. Insgesamt besteht das Portfolio aus 139 Positionen. Der Fonds erzielte in den vergangenen zehn Jahren 329 Prozent.

Lyxor Nikkei 225

Neue Höhen

Der Nikkei 225 zählt zu den wichtigsten Börsenbarometern Japans. Mitte September erreichte der Index 30.670 Punkte und damit den höchsten Wert seit dem August 1990. Vergangenen Mittwoch notierte der Index bei 29.544 Punkten. Experten trauen dem Index bis Ende des Jahres einen Anstieg auf 34.000 Punkte zu. Der Lyxor Nikkei 225 ETF bildet die Wertentwicklung des Index indirekt ab. Innerhalb eines Jahres legte der Kurs 19 Prozent zu. In fünf Jahren schaffte er 56 Prozent. .