Schon vor mehr als fünf Jahren ging Wirecard pleite. Doch bis zuletzt hofften zehntausende geschädigte Aktionäre zumindest auf etwas Schadenersatz aus der Insolvenzmasse. Nun entschied der Bundesgerichtshof (BGH): Daraus wird auf absehbare Zeit nichts. 

Der neunte Zivilsenat in Karlsruhe entschied, dass geschädigte Aktionäre im Insolvenzverfahren um Wirecard keine einfachen Gläubiger sind - und deshalb mit ihren Ansprüchen auf Schadenersatz hinter den Forderungen anderer Gläubiger zurücktreten.

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Klage kam von der Fondsgesellschaft Union Investment

In dem konkreten Fall hatte die Vermögensverwaltung Union Investment von Wirecard Schadenersatz gefordert. Sie warf dem Konzern vor, über Jahre ein nicht existentes Geschäftsmodell vorgetäuscht und seine finanzielle Lage falsch dargestellt zu haben. Hätten Anleger die Wahrheit gewusst, hätten sie keine Aktien gekauft, argumentierte die Fondsgesellschaft. Sie hätten deswegen Anspruch auf Ersatz des entstandenen Vermögensschadens.

Allein Union Investment hatte Ansprüche in Höhe von knapp zehn Millionen Euro beim Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé angemeldet. Doch der wollte die Forderungen nicht annehmen. Er hält die Forderungen anderer Gläubiger für vorrangig. Denn Wirecard schuldet etwa kreditgebenden Banken und ehemaligen Angestellten viel Geld, es geht um insgesamt Milliarden. Hätten die Ansprüche der Aktionäre denselben Rang, bekämen die übrigen Gläubiger sehr viel weniger.


Welche Forderungen haben Vorrang?

Nachdem die Klage zuvor bereits am Landgericht München abgewiesen worden war, hatte Union Investment zuletzt einen Etappensieg verbuchen können: Das Oberlandesgericht München entschied im September 2024 in einem Zwischenurteil, dass Aktionäre ihre Ansprüche auf Schadenersatz als einfache Insolvenzforderungen geltend machen können.

Diese Entscheidung hob der BGH nun jedoch auf – und stellte das vorherige Urteil des Landgerichts wieder her. Die Klage von Union Investment ist damit abgewiesen, ihre Ansprüche müssen nicht in der Insolvenztabelle aufgenommen werden.

Zwar könnten Aktionäre, die durch bewusst falsche Angaben zum Kauf von Aktien veranlasst wurden, grundsätzlich von der Gesellschaft Erstattung verlangen. Die Schadenersatzansprüche seien aber eng mit der Stellung der Geschädigten als Aktionäre verknüpft und daher nach der Insolvenzordnung erst nach den Forderungen einfacher Gläubiger zu berücksichtigen, erklärte der BGH. Ob die Aktionäre als nachrangige Insolvenzgläubiger oder sogar erst nach einer Schlussverteilung aus einem möglicherweise bleibenden Überschuss zu bedienen sind, ließ der BGH offen. Dass am Ende ein solcher Überschluss übrigbleibt, ist angesichts der Dimensionen der Wirecard-Pleite und der verschwundenen Milliardensummen extrem unwahrscheinlich. Die Wirecard-Aktionäre würden in beiden Fällen vermutlich leer ausgehen.

15,4 Milliarden Euro Forderungen bei 650 Millionen Insolvenzmasse

Laut BGH haben etwa 50.000 Wirecard-Aktionäre Schadenersatz in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro zur Insolvenztabelle angemeldet. Insgesamt fordern die Wirecard-Gläubiger 15,4 Milliarden Euro. Die Insolvenzmasse beträgt aber nur rund 650 Millionen Euro. Voraussichtlich werden die Gläubiger also auch ohne Beteiligung der Aktionäre nur einen sehr kleinen Teil ihrer Forderungen bekommen - geschweige denn, dass danach Geld übrig bliebe.

Enthält Material von dpa-AFX

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