Die Kluft zur US-Notenbank dürfte damit noch größer werden, weil jenseits des Atlantiks die Fed das Tempo bei ihren Zinserhöhungen angesichts des dortigen Wirtschaftsbooms sogar noch erhöhen will.

Die Aussicht auf weiterhin niedrige Zinsen in Europa gab dem Dax kräftig Auftrieb. Der deutsche Leitindex sprang erstmals seit Mai wieder über die psychologisch wichtige Marke von 13.000 Punkten. Dagegen ließ der Euro Federn und gab zeitweise bis zu 1,5 Prozent auf 1,1617 Dollar nach.

EZB-Chef Mario Draghi verwies nach der Zinssitzung auf einen soliden und breitgefächerten Wirtschaftsaufschwung, trotz einiger Rückschläge in den vergangenen Monaten. Zudem ziehe die Inflation - wie von der Notenbank angestrebt - an. Die EZB peilt knapp zwei Prozent als idealen Wert für die Wirtschaft an, verfehlt diesen aber seit Jahren. Die hauseigenen Ökonomen der EZB hoben zumindest ihre Vorhersagen für dieses und nächstes Jahr an. Allerdings dürfte die Inflation auch 2020 mit 1,7 Prozent noch etwas unter der Zielmarke bleiben.

ÖKONOMEN: EZB SORGT FÜR KLARE VERHÄLTNISSE

Ökonomen begrüßten die Beschlüsse: "Die Neuigkeit ist die unerwartete Klarheit. Es kommt etwas überraschend, dass sich die EZB so derart weit aus dem Fenster lehnt", erklärte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. Es müsse jetzt schon einen dramatischen Einbruch beim Wirtschaftwachstum geben, damit sie von dieser recht klaren Festlegung wieder abrücke und die Käufe verlängere. "Die Inflation spricht für einen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik", sagte Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank.

Momentan erwerben die Währungshüter noch Staatsanleihen und andere Wertpapiere für 30 Milliarden Euro pro Monat. Von Oktober an bis Ende 2018 sollen es nur noch 15 Milliarden sein. Damit ist Gesamtprogramm inzwischen auf knapp 2,6 Billionen Euro angelegt. Es war in den vergangenen Jahren die wichtigste Waffe der EZB im Kampf gegen die niedrige Inflation. Im Mai kletterte die Teuerung bereits auf 1,9 Prozent und liegt damit - zumindest kurzfristig - wieder im Zielbereich der Notenbank.

Über Zinserhöhungen sprachen die Euro-Wächter auf dem Treffen in der lettischen Hauptstadt laut Draghi nicht. Die Leitzinsen sollen noch bis mindestens einschließlich Sommer 2019 auf dem aktuellen Niveau bleiben - dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Die EZB hatte zum letzten Mal 2011 ihre Sätze angehoben, bevor sie wegen der Staatsschuldenkrise zu einer extrem lockeren Geldpolitik umschwenkte. Die Beschlüsse zum Zinsausblick seien einstimmig gefallen, betonte Draghi.

Volkswirten zufolge rückt an den Börsen nun die Zinswende in den Fokus. "Der Markt wird ab jetzt vor allem über das Datum der ersten Zinserhöhung spekulieren", sagte LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert. Diese könne entgegen der Verlautbarung der EZB früher kommen, wenn sich ein Inflationsdruck aufbaue. "Sie könnte aber auch später erfolgen, wenn die gegenwärtige leichte Konjunkturschwäche länger andauert."

ITALIEN KEIN GROSSES THEMA

Im Unterschied zur EZB hat die Fed in den USA ihre Geldpolitik bereits deutlich stärker gestrafft. Am Mittwoch erhöhte sie ihren Leitzins um einen weiteren Viertelpunkt auf die neue Spanne von 1,75 bis 2,0 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit zehn Jahren. Die Fed begann bereits Ende 2015 damit, die Zinsen anzuheben und hat damit jetzt einen größeren Handlungsspielraum.

Die jüngsten Marktturbulenzen in Italien spielten laut Draghi im EZB-Rat keine große Rolle. "Die Diskussion war nicht von Bedeutung", so der Italiener. Im Gegensatz zu den Jahren 2011 und 2012, als mehrere Länder ins Visier von Investoren gerieten, habe es diesmal keine Ansteckungseffekte gegeben: "Es war ein ziemlich regional begrenzter Vorfall." Befürchtungen, die Regierung in Rom aus populistischer 5-Sterne-Bewegung und rechter Lega könnte mit massiven Ausgabensteigerungen eine Schuldenkrise auslösen, hatten an den Anleihenmärkten für Nervosität gesorgt.

rtr