von Martin Blümel

Es wird ein schwieriges Börsenjahr. Eine Meinung, die man immer öfter hört und von immer mehr Leuten. Schon im Dezember waren die Aktienmärkte ja ausgesprochen schwach, was unüblich ist für diesen Monat, der normalerweise von einer Jahresendrally geprägt ist. Aber es scheint eben auch vieles auf der Kippe. Der Einbruch der Ölpreise beispielsweise auf rund 30 Dollar je Barrel könnte Vorbote einer sich verschärfenden Konjunkturabkühlung sein. Aktuell überschlagen sich ja die Auguren, wie tief der Preis wohl noch fallen wird: auf 20 Dollar, zehn Dollar, fünf Dollar oder noch tiefer. Man fühlt sich an die Peak-Oil-Jahre erinnert mit Preisprognosen von 250, 500 und 1000 Dollar, nur eben andersherum.

Und noch was Kippeliges: In den USA hat die Berichtssaison begonnen. Für die Unternehmen des breit gefassten Aktienindex S & P 500 wird mit einem Gewinnrückgang von fünf Prozent gerechnet, die Umsätze dürften um drei Prozent gefallen sein. Das liegt daran, dass zum einen die exportlastigen Unternehmen unter dem starken Dollar leiden, und es liegt zum anderen am schon erwähnten Ölpreisverfall. Der setzt sowohl den großen, integrierten Gesellschaften zu wie auch den Firmen, die es mit der Erschließung von Schieferöl zu tun haben. Und weil die jetzt alle sparen müssen, schadet das indirekt eben auch vielen anderen Branchen. Allerdings - das sollte man nicht vergessen - dürfte der Rückgang des Ölpreises ja auch positive Auswirkungen auf große Teile der Wirtschaft haben.

Und noch ein Aspekt zur Berichtssaison: Dies ist nun schon das dritte Quartal in Folge mit sinkenden Gewinnen. Zuletzt gab es das während der Rezession in den ersten drei Quartalen 2009. Jedoch - und jetzt kommt der Hoffnungsschimmer - war dies aber auch das Jahr, in dem die Aktienmärkte einen Boden fanden. Insgesamt ist die Stimmung aber klar negativ. Investoren stehen vor einem "katastrophalen Jahr", schreibt die Royal Bank of Scotland in einem Brief an ihre Kunden. Der Ratschlag der Bank: "Verkaufen Sie alles außer hochwertige Anleihen. Es geht jetzt um Kapitalerhalt und nicht um Rendite." Man fühle sich an das Jahr 2008 erinnert, nur dass dieses Mal nicht die US-Banken eine Finanzmarktkrise auslösen könnten, sondern das schwächere Wirtschaftswachstum in China. Ähnliche Vergleiche hat in der Vorwoche ja auch schon der Investor George Soros gezogen.

Doch muss es wirklich so schlimm kommen? Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die Wachstumsperspektiven für die Weltwirtschaft gerade auch nach unten revidiert: für die kommenden drei Jahre um jeweils 0,2 Prozentpunkte. Absolut gesehen allerdings erscheint das immer noch vernünftig - 3,1 Prozent Plus im laufenden, 3,4 Prozent im nächsten und 3,6 Prozent im übernächsten Jahr. Doch auch dies sind letztlich nur Prognosen, die ja bekanntlich immer wieder revidiert werden können.

Die Weltwirtschaft steht einer Vielzahl von strukturellen Problemen gegenüber, so viel ist klar. Der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre ist damit infrage gestellt. Aber deswegen undifferenziert Aktien verkaufen? Mag sein, dass sich der Abwärtstrend an den Märkten weiter fortsetzt oder sogar beschleunigt. Etwa auch, weil Investoren aus Gründen des Risikomanagements verkaufen müssen. Aber dies bietet ja auch Chancen, selektiv nachzukaufen - Aktien mit guter Dividendenrendite etwa, ganz egal, ob es nun ein schwieriges Börsenjahr wird oder nicht.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com