Noch an diesem Tag würden in Brüssel Vorschläge präsentiert. Sie seien ein Kompromiss, sagte er, ohne konkreter zu werden. Medien berichteten, Johnson schlage für den Hauptstreitpunkt, die Grenze zwischen Irland und Nordirland, eine Übergangslösung vor. Die britische Provinz solle in einer besonderen Handelsbeziehung mit der EU und bis mindestens 2025 zu großen Teilen im EU-Binnenmarkt bleiben. Am Schluss der Brexit-Übergangsphase Ende 2020 solle aber Nordirland die EU-Zollunion zusammen mit dem Vereinigten Königreich verlassen, das dann direkt in ein Freihandelsabkommen mit der EU eintreten werde. "Das wird nicht hinhauen", hieß es dazu in EU-Kreisen.

Seine Vorschläge seien konstruktiv und vernünftig und ein Kompromiss des Vereinigten Königreiches, sagte Johnson. "Und ich hoffe sehr, dass unsere Freunde das verstehen und ihrerseits kompromissbereit sind." Großbritannien werde am 31. Oktober die EU verlassen - komme, was wolle. "Wir können es, wir müssen es, und wir werden es." Einen EU-Austritt ohne Abkommen wolle er nicht. "Das ist kein Ergebnis, das wir uns wünschen. Aber das ist ein Ergebnis, auf das wir vorbereitet sind." Ein solcher No-Deal-Brexit wird nicht nur in der EU, sondern auch von der Wirtschaft und an den Finanzmärkten befürchtet. Eine Hürde dafür hat aber das britische Parlament gesetzt. So muss die Regierung eine Verschiebung des Austrittstermins beantragen, sollte bis Mitte Oktober kein Abkommen mit der EU erzielt sein. Am 17. und 18. Oktober kommen die Staats- und Regierungschefs der EU zu ihrem Gipfel in Brüssel zusammen.

JOHNSON: KEINE KONTROLLPUNKTE AUF IRISCHER INSEL


Zur 500 Kilometer langen Grenze auf der irischen Insel sagte Johnson lediglich, es werde "unter keinen Umständen" Kontrollposten zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland geben. Auf die in Medien verbreiteten Details ging er nicht ein. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, man wolle eine Vereinbarung. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werde am Nachmittag mit Johnson telefonieren. Die Bundesregierung erklärte, die EU-Kommission werde Johnsons Vorschläge prüfen und alles tun, um ein Abkommen zu erreichen. Frankreich teilte mit, man erwarte "substanzielle Vorschläge" aus London.

Details, die unter anderem der "Daily Telegraph" verbreitete, stießen in der EU auf Kritik. Die Vorschläge seien "grundsätzlich mangelhaft", sagte ein führender EU-Vertreter. Deutschland und Frankreich, die Schwergewichte in der EU, würden Irland nicht dazu drängen, sie zu akzeptieren, sagte der EU-Vertreter. Der irische Außenminister Simon Coveney nannte die in Medien verbreiteten Vorschläge "besorgniserregend". Sie würden nicht die Grundlage für ein Abkommen mit der EU bilden, sagte Coveney dem TV-Sender Virgin Media One.

Ein EU-Diplomat, der mit dem Brexit befasst ist, sagte zudem, als Optionen blieben die ursprüngliche Backstop-Regelung für Nordirland mit einigen Anpassungen oder eine Verschiebung des Austrittstermins. Sollte Großbritannien erneut um eine Verschiebung bitten, werde die EU dies nicht ablehnen, denn sie wolle nicht für ein Scheitern verantwortlich sein. "Wenn sie (die Briten) eine Dummheit begehen wollen, dann sollte das ihre eigene Verantwortung sein."

Der sogenannte Backstop sieht vor, dass die Grenze nach dem EU-Austritt Großbritanniens durchlässig bleibt, bis eine endgültige Regelung gefunden wird. Allerdings soll Nordirland bis dahin Teil des EU-Binnenmarktes bleiben. Eine entsprechende Vereinbarung hatten Johnsons Vorgängerin Theresa May und die EU getroffen. Doch der jetzige Premierminister und die Mehrheit des Parlamentes in London lehnen dies ab, und Johnson will Änderungen durchsetzen.

rtr