Das war ein ordentlicher Denkzettel. Bei den gerade beendeten Parlamentswahlen in Kanada hat Regierungschef Justin Trudeau die absolute Mehrheit verloren. Seine liberale Partei bekam zwar die meisten Stimmen und kann eine Minderheitsregierung bilden, ist aber auf Unterstützung durch die linksgerichtete Neue Demokratische Partei (NDP) angewiesen. Eine echte Hypothek, haben doch Minderheitsregierungen in Kanada bislang selten länger als zweieinhalb Jahre gehalten. Zur Erinnerung: Vor vier Jahren war Trudeau noch euphorisch und mit einem Erdrutschsieg als Hoffnungsträger in das Amt des Premiers gewählt worden.

Und eigentlich waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für einen erneuten überzeugenden Sieg gar nicht schlecht: Die Konjunktur des G7-Landes erweist sich als robust: Sowohl die Zentralbank als auch die kanadischen Geschäftsbanken geben für das zweite und dritte Quartal 2019 ein reales Wachstum von jeweils zwei Prozent gegenüber dem Vorquartal an.

Börse mit Aufholpotenzial

Gleichzeitig ist auch die Arbeitsmarktentwicklung positiv. Und nicht zu vergessen: Auch die Börse in Toronto hat sich während Trudeaus Amtszeit positiv entwickelt. 17 Prozent Plus seit seiner ersten Wahl im Jahr 2015 stehen immerhin zu Buche. Und seit Jahresanfang läuft es sogar genauso gut wie an der Wall Street - denen lief man sonst immer hinterher.

Dass es trotzdem ein eher enttäuschendes Wahlergebnis gab, lag vor allem da­ran, dass Trudeaus Image angekratzt war. Der 47-Jährige steht für Toleranz und Offenheit, da passt es gar nicht recht, dass er sich in einer Korruptionsaffäre schützend vor den beschuldigten Baukonzern SNC Lavalin gestellt hat. Dazu kamen Rassismusvorwürfe, weil ihn Fotos aus jungen Jahren mit dunkel geschminktem Gesicht auf einem Kostümball zeigen.

Trudeaus Grundproblem ist aber, dass er es sowohl linksgerichteten wie konservativen Wählern nicht recht machen kann. Die Grünen werfen ihm vor, zu wenig zur Bekämpfung des Klimawandels zu unternehmen. So genehmigte das Kabinett erst im Sommer die Erweiterung der umstrittenen "Trans Mountain Pipeline", die Bitumenöl aus den Ölsandfeldern Albertas an die Pazifikküste bringen soll.




Politischer Spagat mit Nebenwirkung

Trudeau versucht dennoch den Spagat. Seine Regierung wolle sowohl Umwelt- und Klimaschutz vorantreiben als auch Arbeitsplätze in der Öl- und Gasindustrie schaffen. "Die große Mehrheit der Kanadier versteht, dass die Wirtschaft wachsen muss und wir gleichzeitig die Umwelt schützen müssen", so der Regierungschef vor der Wahl. Man hat ihm das wohl nicht recht abgenommen, denn bei der aktuellen Wahl verloren zwei Minister aus seinem Kabinett ihre Sitze in den konservativen westlichen Bundesstaaten. Also dort, wo die für die Wirtschaft des Landes wichtige Öl- und Energiebranche über die angeblich zu restriktive Umweltpolitik der Regierung klagt.

Beobachter wie Ex-Finanzminister John Manley rechnen jetzt mit einem Linksruck des Landes. Das größere Problem ist aber wohl, dass die kanadische Gesellschaft noch nie so gespalten gewesen ist wie derzeit.





Trotzdem sollte man die Börse Toronto nicht abschreiben. Es gibt gute Unternehmen dort. Etwa die Banken. Die profitieren unter anderem davon, dass in Kanada im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern der Welt die Zinsen tendenziell steigen. Ein Profiteur ist die Royal Bank of Canada (RBC), das größte Kreditinstitut des Landes. Und das vielleicht ehrgeizigste. Vor neun Jahren hatte man sich das Ziel gesetzt, eine der Top-10-Investmentbanken der Wall Street zu werden. Es ist gelungen: in den Bereichen Aktien­emissionen und Fremdkapitalfinanzierung schon vor Jahren. Und jetzt auch im Bereich Fusionen: Da rangiert die Tochter RBC Capital Markets inzwischen auf Rang 10 mit einem Marktanteil von 9,9 Prozent. 72 Fusionen und Übernahmen im Wert von rund 179 Milliarden US-Dollar hat man abgewickelt, Tendenz weiter steigend. Die Erfolgsformel von RBC: Während andere nach der Finanzkrise ihre Aktivitäten reduzierten, baute man sie bei RCB aus. Ganz simpel.

Nach dem Bekenntnis von Trudeau, dass der Rohstoff- und Energiesektor sowie die Pipelines von "nationalem Interesse" seien, wird die Aktie von Canadian National Resources wieder interessant. Das Unternehmen ist in Kanada führend in den Geschäftsfeldern Öl, Gas und Ölsand. Das Unternehmen sitzt auf hohen Cashbeständen und schüttet seit Jahren gute Dividenden aus.