Kleiner Kapitaleinsatz - große Gewinne. Mit Hebelpapieren können Anleger überdurchschnittlich von Kursbewegungen profitieren. Die Oldtimer unter diesen Derivaten sind die Optionsscheine. Die ersten von Banken emittierten Papiere kamen in Deutschland 1989, also vor 30 Jahren, auf den Markt. Der erste Optionsschein war der von der Citi emittierte Call-Schein auf das Wechselkurspaar US-Dollar/Deutsche Mark. Mit dem Produkt setzten Anleger darauf, dass sich der Greenback gegenüber der D-Mark besser entwickelt.

Inzwischen gibt es Zigtausende der im Englischen "Warrants" genannten Papiere. Allein auf den DAX sind es aktuell rund 40.000. Mit Call-Scheinen setzen Anleger auf steigende und mit Put-Scheinen auf fallende Kurse des Bezugswerts (Basiswerts). Der Käufer erwirbt mit solch einem Papier das Recht, einen Basiswert zu einem fest­gelegten Preis zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put).

Die Kraft des Hebels


Ein Beispiel: Eine Aktie notiert bei zehn Euro. Ein Anleger erwartet, dass der Kurs in den kommenden drei Monaten steigt. Er kauft sich für einen Euro einen Call-Optionsschein auf die Aktie. Dieser hat einen Basispreis von zehn Euro und eine Laufzeit von drei Monaten.

Der Käufer erwirbt also das Recht, die Aktie am Laufzeit­ende für zehn Euro zu kaufen. Angenommen, die Aktie steigt bis zur Fälligkeit auf zwölf Euro: Der innere Wert des Scheins beträgt zwei Euro, da der Anleger theoretisch die Aktie für zehn Euro kaufen und sie anschließend für zwölf Euro verkaufen könnte. In der Praxis werden Gewinne bei Fälligkeit automatisch ins Depot gebucht. Der Gewinn beträgt somit einen Euro (Ertrag minus Kaufpreis).

Während die Aktie um 20 Prozent gestiegen ist, hat der Optionsschein um 100 Prozent an Wert gewonnen. Der Gewinn wurde somit um das Fünffache gehebelt. Allerdings wirken die Hebel in beide Richtungen: Fällt etwa im obigen Beispiel der Kurs der Aktie, kommt es zu hohen Verlusten. Und sollte die Aktie am Laufzeitende auf oder unter dem Basispreis von zehn Euro notieren, verfällt der Optionsschein wertlos und es kommt zum Totalverlust.

Die Berechnung des Optionsscheinwerts ist bei Fälligkeit relativ simpel. Während der Laufzeit sieht dies jedoch anders aus. Denn ein wesentlicher Preisfaktor ist neben dem Basiswert die implizite Volatilität, also die von den Marktteilnehmern erwartete künftige Schwankungsbreite des Basiswerts. Steigt die Volatilität, steigt auch der Preis des Optionsscheins.

Volatilität beachten


Denn wenn der Basiswert stärker schwankt, erhöhen sich auch die Gewinnchancen des Optionsscheins. Eine fallende Volatilität führt hingegen zu sinkenden Optionsscheinkursen. Daraus ergibt sich: Optionsscheine sind in schwankungsarmen Phasen weit günstiger als in turbulenten Börsenphasen. Wer sich ein genaueres Bild von der Bewertung eines Optionsscheins machen möchte, sollte sich mit verschiedenen Kennzahlen vertraut machen. Da sie dem griechischen Alphabet entstammen, werden sie auch "die Griechen" genannt.

Das Delta gehört zu den wichtigsten Kennzahlen aus der Reihe der Griechen und wird oft als "Preissensitivität" bezeichnet. Es misst die Veränderung des Optionsscheinkurses, wenn sich der Basiswert um eine Geldeinheit, etwa um einen Euro, verändert. So bedeutet ein Delta von eins bei einem Call-Schein: Steigt die unterlegte Aktie um einen Euro, erhöht sich auch der Kurs des Optionsscheins um einen Euro.

Ein anderer wichtiger Grieche ist das Omega, auch effektiver Hebel genannt. Es gibt an, um wie viel Prozent sich der Optionsscheinpreis verändert, wenn der Basiswert um ein Prozent steigt oder fällt. Bei einem Omega von fünf steigt der Kurs eines Call-Scheins um fünf Prozent, wenn die Aktie um ein Prozent zulegt. Eine dritte Kennziffer ist das Theta. Es bezieht sich immer auf einen bestimmten Zeitraum und misst den Zeitwertverlust eines Optionsscheins. Das Theta pro Woche gibt zum Beispiel den prozentualen wöchentlichen Wertverlust eines Optionsscheins für den Fall an, dass alle anderen Preisfaktoren gleich bleiben.

Depot mit Puts absichern


Optionsscheine eignen sich nicht nur für risikobereite Anleger, sondern auch zur Depotabsicherung. Dies ist mit Puts möglich. Ihr Wert steigt, wenn der Basiswert fällt.

Wer etwa sein DAX-Depot bis Ende Januar 2020 absichern will, kauft sich Put-Scheine auf den DAX mit entsprechender Laufzeit. Der Basispreis muss dabei auf dem aktuellen Kursstand des Index liegen. Notiert der DAX bei Fälligkeit unter dem Basispreis, gewinnen die Puts den Betrag, den das Depot an Wert verliert. Notiert der Index jedoch über dem Basispreis, werden die Puts wertlos. Zugleich legt jedoch der Depotwert zu.

Wie viele Put-Scheine sind für die Absicherung nötig? Beispiel: Der DAX notiert bei 13.000 Punkten und ein Anleger will sein Depot im Wert von 10.000 Euro vor Verlusten bewahren. Dann lautet die Rechnung: Depotwert : (DAX x Bezugsverhältnis des Puts). Bei einem Bezugsverhältnis von 0,01 bedeutet das: 10.000 : (13.000 x 0,01) = rund 77 Scheine. Angenommen der Kaufpreis eines Papiers beträgt 2,80 Euro, dann kostet die Absicherung fast 216 Euro.

Investor-Info

DAX-Call-Optionsschein
Auf steigenden Index setzen


Für Anleger, die fürs nächste Jahr steigende DAX-Kurse erwarten, könnten Call-Optionsscheine auf den Index interessant sein. Ein Beispiel ist das Papier der Deutschen Bank, das bis September 2020 läuft. Der Basispreis liegt bei 13.200 Punkten, das Bezugsverhältnis beträgt 0,01. Angenommen, der DAX ­notiert zum Laufzeitende bei 14.500 Punkten, so ergibt sich ein Ertrag von 13 Euro. Die Rechnung: (14.500 - 13.200) x 0,01. Bei einem aktuellen Kaufpreis von 7,64 Euro ergäbe sich ein Gewinn von 5,36 Euro. Sollte der DAX ­allerdings am Ende auf oder unter dem ­Basispreis notieren, erleiden Anleger einen Totalverlust.