€URO AM SONNTAG: Noch vor Kurzem ruhten die Hoffnungen auf einem Konsumboom nach der Coronapandemie. Doch im Juni ist der Einzelhandel inflationsbedingt um neun Prozent eingebrochen - so stark wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Droht der deutschen Konjunktur die wichtigste Stütze wegzubrechen?

ALEXANDER KRÜGER: Wegen der hohen Verunsicherung wird der Konsum im zweiten Halbjahr weiter fallen. Die hefti­gen Realeinkommensverluste bestehen fort. In vielen Portemonnaies dürften die Löcher auch wegen der bald zu zahlenden Gasumlage noch größer werden. Kein Wunder, dass sich die Konsumlaune be­reits auf Kapitulationsniveau befindet.

Ist der Tiefpunkt schon erreicht?

Nein, erst wenn die Energiepreise nach­haltig sinken und die Inflationsrate deutli­cher zurückfällt. Erst dann ginge es dem Alles­-ist­-schlecht-­Gefühl an den Kragen. Mindestens für das nächste halbe Jahr ist es aber wenig wahrscheinlich. Der Tief­punkt beim Konsum kommt erst noch.

Sollte die Regierung mit Steuersenkungen wie während der Coronakrise etwa bei der Mehrwertsteuer gegenlenken?

Da muss man etwas weiter ausholen: Die Lage wäre deutlich besser, wenn der Staat das Land nicht in diese extreme Energie­abhängigkeit zu Russland geführt hätte. Auch für den Staat gilt das kleine Einmal­ eins, nicht "alle Eier in einen Korb" zu le­gen. Aber zur Frage: Zuschüsse wären in der Tat besser als Steuersenkungen.

Wird der Konsumeinbruch im zweiten Halbjahr eine Rezession auslösen?

Der private Verbrauch wird das Wirt­schaftswachstum auf jeden Fall belasten. Da auch von der Investitionstätigkeit und vom Außenhandel wenig zu erwarten ist, wäre es schon ein Erfolg, wenn es bei Stag­nation bliebe. Aus meiner Sicht ist das al­lerdings eine sehr vage Hoffnung.