Der Absturz der Moskauer Börse um über zehn Prozent am Montag hat gezeigt: Die Investoren sitzen wegen der Kriegsgefahr auf gepackten Koffern. Dabei ist die russische Wirtschaft stark abhängig von den westlichen Milliarden. Der Russland-Experte von Hermes Funds Managers, Gary Greenberg, schätzt, dass 70 Prozent der gehandelten russischen Aktien in ausländischer Hand sind. Hinzu kommt die Gefahr eines erneuten Rubel-Absturzes. Aus Sicht von Ökonomen ist bereits jetzt absehbar, dass die russische Wirtschaft wegen Putins Polit-Poker in die Rezession rutscht.

Denn wirtschaftlich stand Russland schon vor der Krise keineswegs blendend da. Gerade einmal um 1,3 Prozent war die Wirtschaft im vergangenen Jahr gewachsen. Von Traumraten wie nach der Jahrtausendwende von im Schnitt sieben Prozent im Jahr ist das noch immer stark von Energieexporten abhängige Land weit entfernt. Russland benötigt westliches Kapital, um seine Wirtschaft zu differenzieren und global wettbewerbsfähig zu machen. "Russland braucht Investitionen aus dem Ausland und muss sicherstellen, dass russisches Geld im Land bleibt", sagt Chris Weafer von der Beratungsgesellschaft Macro-Advisory.

Sollte westliches Geld allerdings künftig einen Bogen um Russland machen, könnte das für russische Unternehmen fatal werden. "Russische Unternehmen gehören zu den aktivsten auf den internationalen Anleihemärkten", warnt Francesc Balcells vom kalifornischen Vermögensverwalter Pimco. Russland habe viel unternommen, um seinen Anleihenmarkt zu öffnen: "Jede Konfrontation mit dem Westen würde diese Erfolge zerstören."

Denn militärische Abenteuer auf der Krim sind Gift für das Investorenvertrauen. "Wenn die Krise anhält und Russland ein Staat wird, in dem man nicht investieren kann - ein Pariah-Staat - wird das Geld schlicht nicht kommen", warnt Weafer. Greenberg nennt Putins Kurs ein Warnsignal für Investoren. Daran ändert auch die von der Hoffnung auf eine politische Lösung getriebene Markt-Erholung am Dienstag nichts. Putin zeigte sich demonstrativ unbeeindruckt von der Berg- und Talfahrt an den Börsen und nannte die Marktturbulenzen eine "taktische, vorübergehende" Entscheidung von Investoren.

ZINSERHÖHUNG DÄMPFT WACHSTUM

Aus Sicht von Ökonomen ist dagegen schon absehbar, dass Russland einen Preis zahlen wird für die Krim-Intervention. "Ein BIP-Wachstum nahe null scheint jetzt realistisch", sagt Natalia Orlowa, Ökonomin bei der russischen Alfa Bank: "Und das wäre noch das Best-Case-Szenario ohne eine weitere Eskalation der Krise." Grund dafür sind aus Sicht der Experten die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Stützung des Rubel, vor allem die Zinserhöhung der Notenbank von 5,5 auf sieben Prozent, die die Geldbeschaffung russischer Unternehmen weiter verteuern wird.

"Das Risiko einer Rezession bestand schon vor der Zinsanhebung, jetzt ist es weiter gewachsen", sagt Wladimir Kolytschew, Chef-Volkswirt bei VTB Capital. Orlowa warnt, manche zögen bereits Parallelen zum Finanzcrash von 2008. Damals trieb der kurze Krieg mit Georgien die Investoren aus dem Land - der Rubel büßte 30 Prozent seines Wertes ein.

"Die Ereignisse legen nahe, dass der Netto-Kapitalabfluss sehr stark bleiben wird - und ich sehe auch keine Anzeichen dafür, dass sich das ändern wird", sagt Orlowa. Vergangenes Jahr waren 60 Milliarden Dollar mehr aus als in das Land geflossen, im Januar waren es 17 Milliarden Dollar. Andere Experten wie Neal Shearing von Capital Economics in London warnen vor zu dramatischen Szenarien. Mit Währungsreserven von fast 500 Milliarden Dollar könne sich Russland kurzfristig gegen einen Rubel-Verfall stemmen und die Folgen klein halten. Aber auch er warnt, langfristig würden Auslandsinvestitionen gebraucht: "Die Krise schadet dem russischen Ansehen weltweit."

Reuters