Die Assekuranzen müssen ihre Kunden jedes Jahr über den Stand ihrer Altersvorsorge informieren. Mit den Angaben lässt sich oft einschätzen, was sinnvoller ist: eine Police weiterzuführen oder zu kündigen. Von Ulrich Lohrer

Lohnt sich meine private Altersvorsorge noch? Diese Frage stellen sich viele Versicherte vor dem Hintergrund der extrem niedrigen Zinsen und zunehmender Probleme vieler Lebensversicherer, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Für Versicherte empfiehlt sich, ihre Policen regelmäßig zu überprüfen. Eine Hilfe können die sogenannten Standmitteilungen sein, die die Assekuranzen ihren Kunden laut Gesetz alljährlich zusenden müssen.

Einige aufmerksame Versicherungsnehmer von privaten Renten- oder Kapitallebensversicherungen werden längst entdeckt haben, dass die für sie zum Vertragsabschluss prognostizierte Ablaufleistung im Laufe der Jahre gesunken ist. Die Standmitteilungen enthalten für die Bewertung der Policen wichtige Informationen: die Höhe der Ablaufleistung zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt, die Auszahlung, für den Fall, dass die versicherte Person stirbt (Todesfallleistung), sowie die über die Garantieverzinsung hinausgehenden Überschüsse. Seit 2018 müssen die Standmitteilungen zudem den Rückkaufwert im Falle einer Kündigung und die Ablaufleistung bei einem Einzahlungsstopp enthalten. Für Policen, die ab Juli 2018 abgeschlossen wurden, muss die Standmitteilung auch die Summe der bisher eingezahlten Beiträge enthalten.

Häufig ist den Versicherten nicht bewusst, wie wichtig das jährlich zugesandte Schreiben ihres Lebensversicherers ist und wie sie diese Informationen nutzen können. "Viele Anleger können mit der Standmitteilung wenig anfangen und legen sie ungelesen in ihrem Versicherungsordner ab. Werden die Mitteilungen nicht vollständig gesammelt, ist bei unterbrochenen Versicherungsverläufen eine Einschätzung nur schwer möglich", erläutert Markus Latta, Fachteamleiter Finanzdienstleistungen beim Verbraucherservice Bayern im KDFB e. V. (VSB) München.

Die Inhalte der Standmitteilungen spiegeln oft den rückläufigen Anlageerfolg der Lebensversicherer wider. Denn die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank macht es Lebensversicherern zunehmend schwer, die Altverträge mit hohen Garantiezinsen zu erfüllen.

Vier Prozent Garantiezins sind lange her

Wer beispielsweise eine private Rentenversicherung oder Kapitallebensversicherung zwischen Juli 1994 und Juli 2000 abgeschlossen hat, dem müssen die Lebensversicherer den höchsten Rechnungszins von vier Prozent garantieren. Für die seit 2017 abgeschlossenen Policen liegt dieser Garantiezins mittlerweile unter einem Prozent. Immer mehr Lebensversicherer bieten auch gar keine Policen mit Zinsgarantien mehr an. Um die Zinsverpflichtungen der Altverträge zu gewährleisten, schrieb 2011 die zuständige Aufsichtsbehörde - die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) - den Lebensversicherern die Bildung einer Zinszusatzreserve vor. Um diese zu finanzieren, mussten viele Versicherer für die später abgeschlossenen Policen die Überschussbeteiligung senken.

"Wir reden bei der Zinszusatzreserve mittlerweile von einem Reservierungsbedarf von knapp 100 Milliarden Euro, der bis 2025 auf etwa 150 Milliarden Euro steigt. Das ist ein Fass ohne Boden", warnt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bunds der Versicherten (BdV). Der BdV empfiehlt Verbrauchern, keine kapitalbildenden Lebensversicherungen abzuschließen. Versicherten mit Altverträgen rät der Verband, sorgfältig zu prüfen, ob ein Weiterführen, ein Stopp der Einzahlungen (Beitragsfreistellung), ein Verkauf oder eine Kündigung sinnvoll erscheint.

Verbraucherberater helfen weiter

Zudem machen einigen Lebensversicherern die strengeren Eigenmittelanforderungen zu schaffen, die für riskantere Anlagen vorgehalten werden müssen. Auch wenn für das dafür notwendige Eigenkapital eine großzügige Übergangsfrist bis 2032 besteht, sieht die Bafin bei einigen Versicherern Probleme, die Vorgaben einzuhalten. Frank Grund, Exekutivdirektor der Bafin, mochte in einem Interview mit der "Börsen-Zeitung" deshalb nicht ausschließen, dass künftig "Versicherer in letzter Konsequenz kein Neugeschäft mehr" betreiben dürfen.

Wie eine bestehende Police zu bewerten ist und welcher Handlungsbedarf eventuell besteht, können Verbraucherberater wie Markus Latta sagen. Ihm liefern die Standmitteilungen wichtige Informationen für die Beurteilung der Altersvorsorgeprodukte seiner Kunden. "In der Beratung werden sie bei uns häufig für Riester-Verträge oder andere private Rentenversicherungen herangezogen. Im Zusammenhang mit den Prognosen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses lässt sich damit beispielsweise erfahren, wie sich diese im Vergleich tatsächlich entwickelt haben", so Latta. Mit den Informationen lassen sich oft die aktuelle Rendite und deren Entwicklung aufzeigen und mit dem Anleger beurteilen, ob eine Alternativanlage sinnvoller ist. Dies erleichtert die Entscheidung, ob ein Vertrag weitergeführt, beitragsfrei gestellt oder gekündigt werden soll.

Da es keinen risikolosen Zins mehr gibt, bleibt nach Lattas Ansicht aber nur die Anlage in einen riskanteren, breit gestreuten Aktienfonds. Als kostengünstige Variante sei ein Aktien-ETF (Indexfonds) sinnvoll, sofern die Anlagedauer mindestens zehn Jahre betrage und der Anleger nicht besonders risikoscheu sei. ETFs auf den MSCI World haben beispielsweise seit Ende 2000 im Durchschnitt pro Jahr eine Performance von 5,8 Prozent erzielt - allerdings mit zum Teil erheblichen Kursschwankungen.

Doch auch für die Experten sind die Informationen aus den Standmitteilungen nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Eine Auswertung dieser Statusmeldungen durch die Marktwächter der Verbraucherzentralen im Jahr 2017 hatte noch bei einem Viertel der untersuchten Schreiben ein unvollständiges Umsetzen der gesetzlichen Vorgaben ergeben. Der Policenaufkäufer Policendirekt, größter institutioneller Bestandshalter von Lebensversicherungen, wertet seit Jahren diese Mitteilungen der Lebensversicherer aus, "um Prozesse im Ankauf und Verwaltung zu beschleunigen". Positiver Befund: Seit 2018 sieht er Fortschritte.

Bafin prüft auf Einhalten von Vorgaben

Nach aktueller Auswertung erfüllen 66 von 74 untersuchten Unternehmen die seit 2018 geltenden gesetzlichen Mindestanforderungen für alle untersuchten Verträge vollständig, 49 Unternehmen erfüllen zudem sämtliche Bafin-Anforderungen zu den Bewertungsreserven. Sollten die Versicherer ihren Kunden die Standmitteilungen unvollständig oder nicht korrekt zusenden, müssen sie zudem mit unangenehmer Post von der Versicherungsaufsicht rechnen. "In diesen Fällen weist die Bafin die betroffenen Unternehmen auf die fehlenden oder fehlerhaften Angaben hin und fordert sie auf, die fehlenden Angaben hinzuzufügen beziehungsweise die fehlerhaften Angaben richtigzustellen", erläutert Norbert Pieper von der Bafin in Bonn. Sollten wiederholt Vorgaben missachtet werden, könne dies "bis zur Verwarnung oder Abberufung verantwortlicher Leitungspersonen führen". Die Versicherer würden aber den Vorgaben zu den Standmitteilungen "grundsätzlich" nachkommen.

Trotz Verbesserung gibt es aber weiterhin Kritik am Zustand der Mitteilungen. So gebe es nach wie vor keinen einheitlichen Standard, weil die Angabe einer Reihe wichtiger Informationen oder etwa die Darstellung der Bewertungsreserven noch immer im Ermessen der Versicherer lägen, kritisiert Henning Kühl, Aktuar bei Policendirekt. Dabei ließe sich der Versicherungsstand mit einer standardisierten Tabelle verständlich darstellen.

Kritik an uneinheitlicher Darstellung

Einige Unternehmen hätten die neue Verordnung zwar für eine Qualitätsoffensive genutzt, einzelne Versicherer würden sich sogar mit Policendirekt zu dem Thema austauschen. Andere Assekuranzen teilten aber nur das mit, wozu sie verpflichtet seien. Auch Verbraucherberater halten die uneinheitliche Darstellung für ein Manko. "Wir vom Verbraucherservice Bayern wünschen eine einheitliche Darstellung - etwa vergleichbar den Produktinformationsblättern. Eine einheitliche Vorlage würde es den Anlegern erleichtern, den Inhalt besser zu verstehen und Policen miteinander zu vergleichen", so Latta. Er hält zudem für Policen, die vor 2018 abgeschlossen wurden, die Angabe der eingezahlten Beiträge für wichtig, da sich sonst die Rendite oft nicht einmal näherungsweise berechnen lasse.

Nach der Auswertung von Policendirekt wird über die Höhe der eingezahlten Beiträge der Altverträge kaum informiert. "Bei den von uns vorwiegend untersuchten, vor 2010 abgeschlossenen Bestandspolicen wird auf die Angabe der Summe der eingezahlten Beträge in den Standmitteilungen fast ausnahmslos verzichtet", so Kühl. Oft lassen sich die eingezahlten Beiträge und die Rendite überschlagen. Je früher man das tut, desto besser. Dann erschrecken Versicherte womöglich nicht so sehr, wenn sie zum Auszahlungszeitpunkt erkennen, dass ihre Zusatzrente magerer ausfällt als gedacht.

Wie Lebensversicherer Kunden über den Policenstand informieren


Die Liste im Überblick

So Lesen Sie die Tabelle


Der Policenaufkäufer Policendirekt wertet jedes Jahr die Transparenz der Standmitteilungen der Lebensversicherer aus. Dabei wurden folgende Aspekte untersucht:

Mindestanforderungen: Laut dem Versicherungsvertragsgesetz (§155 VVG) müssen die Unternehmen ihre Kunden über den aktuellen Rückkaufwert, die garantierte Ablaufleistung bei Vertragsende und im Falle einer Beitragsfreistellung sowie über die Todesfallleistung informieren. Bewertet wurde hier auch, ob die Bewertungsreserven nach Vorgaben der Finanzaufsicht Bafin genannt wurden. (maximale Punktzahl: 57)

Wichtige Infos: Sechs weitere Angaben (Todesfallleistung vollständig, prognostizierte Ablaufleistung, Einzelangabe der noch unsicheren Werte in der Ablaufleistung, Angaben zu Zusatzversicherungen, vollständige Rückkaufwertangaben mit allen Einzelwerten, Höhe einer gebildeten Anwartschaft) wurden mit je fünf Punkten belohnt. (maximal 30 Punkte)

Bonus: Bonuspunkte gab es für Angaben zum Wert von Zusatzversicherungen zum Stichtag, laufende Vertragskosten oder Angaben zur Steuer, die beim jeweiligen Leistungsfall zu zahlen ist. Diese Bonusangaben gehen mitunter weit über den allgemeinen Standard hinaus, sind aber sinnvolle Ergänzungen einer guten Standmitteilung.

Verständlichkeit: Hier geht es um Umfang, Textqualität, um verständliche Vertragswerte und darum, ob der Versicherer einzelne Begriffe gesondert erklärt. Daraus ergab sich eine positive, neutrale oder negative Bewertung. Dieser Aspekt ging jedoch nicht in die Punktebewertung ein.