Eric, wegen der Restrukturierung in der Smartphone-Sparte hat Lenovo im abgelaufenen Quartal einen Netto-Verlust von 712 Millionen Dollar eingefahren. Das war der größte Verlust in der Unternehmensgeschichte. Analysten hatten noch Schlimmeres befürchtet. Wie erleichtert sind Sie?


Wir müssen die Zahlen sehr genau analysieren. Es stimmt: Wir haben im zweiten Quartal 923 Millionen Dollar Restrukturierungskosten zu verkraften. Aber das ist ein Einmal-Aufwand, der auf die Zukäufe von Motorola und dem xServer-Geschäft von IBM zurückgeht. Und natürlich ist es nie schön, Geld zu verlieren. Aber wenn wir auf das rein operative Geschäft schauen, sieht das Bild anders aus. Unser Umsatz hat zuletzt um 16 Prozent zugelegt, das bereinigte Ergebnis lag bei 166 Millionen Dollar. Das sind sehr solide Zahlen. Und die gute Botschaft ist: Mit der laufenden Restrukturierung werden wir die Kosten pro Jahr um 1,35 Milliarden Dollar senken - mit den entsprechend positiven Folgen für das Ergebnis.

Im Rahmen der Restrukturierung werden insgesamt 3200 Stellen gestrichen. Wie viele entfallen dabei auf Europa und auf Deutschland?


Der Großteil davon entfällt auf den Smartphone-Bereich und da vor allem auf die USA und China. Europa ist davon kaum betroffen.

Konkret?


Wir sprechen hier von Zahlen im niedrigen dreistelligen Bereich - und das ist alles schon abgeschlossen.

Der PC-Absatz sinkt im laufenden Jahr weiter. Alleine im dritten Quartal ging der Absatz weltweit um rund elf Prozent zurück. Daran konnte auch der Start von Windows 10 nichts ändern, schreiben die Analysten von Gartner in einer Marktstudie. Dabei galt die neueste Windows-Version in der Vergangenheit stets als zuverlässiger Absatz-Treiber. Ist Windows 10 für die PC-Branche also ein Non-Event?


Windows 10 konnte wegen des Starttermins im Ende Juli keinen großen Einfluss auf den PC-Absatz im dritten Quartal haben. Andererseits erwarten wir aber auch nicht, dass Windows 10 in den nächsten Monaten die Nachfrage richtig ankurbeln wird. In der Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) hatten wir im abgelaufenen Quartal einen Rückgang um gut 20 Prozent. Die Lage hellt sich mit Windows 10 sicherlich etwas auf. Aber große Sprünge wird es nicht geben.

Auch nicht im Weihnachtsgeschäft?


Das kommt auf die Perspektive an: Gegenüber dem dritten Quartal wird das Geschäft sicher besser laufen. Aber im Jahresvergleich rechnen wir erneut mit einem Minus, wenn auch nicht ganz so stark wie im dritten Quartal.

Und 2016?


Nach dem Minus 2015 rechnen wir wegen der niedrigeren Vergleichsbasis im kommenden Jahr mit einer leichten Erholung und einem Absatz-Wachstum um die Nulllinie, bestenfalls mit einem Plus von wenigen Prozentpunkten. Auch deshalb ist für das Geschäft mit Tablets, Smartphones und Servern für uns so wichtig.

Viele Beobachter führen die Schwäche auf dem PC-Markt auch darauf zurück, dass das Windows 10 Update umsonst ist. Ist das tatsächlich der Hauptgrund?


Das mag eine Rolle spielen. Aber der Hauptgrund liegt woanders.

Nämlich?


Wir müssen mehr innovative Produkte liefern, die bei den Endkunden das Bedürfnis nach einem Wechsel weckt.

Die Unkenrufe, wonach die Ära des PCs vorüber sei und durch Smartphones und Tablets ersetzt werden, werden damit künftig auch nicht leiser.


Der PC ist längst nicht tot. Und was Lenovo anbelangt: Unsere Stärke ist: Wir haben ein starkes Smartphone-Geschäft, wir haben ein starkes Tablet-Geschäft und wir haben ein starkes PC Geschäft. Wir müssen niemanden überzeugen, dass der PC die Zukunft ist, oder das Smartphone oder der Tablet. Wir wollen alle drei Bereiche mit Innovationen voranbringen - die Auswahl trifft am Ende der Kunde. Entscheidend ist nur, dass wir für die jeweilige Entwicklung gerüstet sind. Das sind wir gut aufgestellt.

In den vergangenen Jahren hat es in der PC-Branche große Veränderungen gegeben. Viele mittelgroße Anbieter sind weit zurückgefallen, andere wie Sony haben ganz das Handtuch geworfen und sich vom PC-Geschäft getrennt. Wird diese Konsolidierung weitergehen?


Ja, absolut. In einem Markt, der nicht wächst, haben es kleine Anbieter schwer, sich zu behaupten und Gewinne auszuweisen. Das treibt die Konsolidierung.

Wie viele Anbieter werden am Ende übrigbleiben?


Ich denke, eine Handvoll. Dabei werden die Top3 den Löwenanteil des Umsatzes auf sich vereinen. Wir sind seit zehn Quartalen die Nummer 1 und wir bleiben ehrgeizig.

Das heißt?


Mit Sicht auf zwei bis vier Jahren peilen wir einen Marktanteil von 30 Prozent an. Zuletzt hatten wir rund 22 Prozent.

Mit Sicht auf zwei bis vier Jahren peilen wir einen Marktanteil von 30 Prozent an. Zuletzt hatten wir rund 22 Prozent.
Lenovo-Europachef Eric Cador im Interview mit BÖRSE ONLINE


Im Geschäft mit Smartphones haben Sie nach der Übernahme von Motorola mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie mussten zuletzt 324 Millionen Dollar auf ältere Geräte abschreiben und Einschnitte beim Personal vornehmen. Dazu kommt eine kaum noch zu überblickende Anzahl an unterschiedlichen Marken: Von Lenovo über Motorola und Medion bis hin zum Online-Angebot Zuk sowie weitere Submarken wie Vibe. Müssten Sie hier nicht auch ansetzen und die Markenlandschaft bereinigen?


Wir müssen hier sicherlich ein wenig nachschärfen. Medion ist eher eine deutsche Marke. Aber weltweit sind wir mit Moto X und G-Geräten unterwegs, Lenovo Vibe S1 und Z2 und dazu Zuk als Internet-Angebot. Das ist der Kern unseres Angebots. Damit sind wir sehr gut aufgestellt.

Lenovo hat ein sehr starkes Geschäft mit Unternehmenskunden. Erst vor wenigen Wochen hat Dell für 67 Milliarden Dollar die Übernahme von EMC angekündigt. Welche Auswirkungen wird dieser Mega-Deal auf Ihr Server-Geschäft haben?


Der geplante Kauf von EMC ist eine große, sehr komplexe Übernahme, die intern viele Kräfte binden wird. Kurzfristig wird uns dieser Deal daher eher zusätzliche Chancen eröffnen. Mittelfristig sehen wir die Übernahme jedoch als Versuch, die Technologie von gestern zu schützen. Aber es geht eben nicht mehr darum, in den Rechenzentren immer noch mehr Server anzuschließen. Wir glauben, dass es in Rechenzentren künftig vor allem um die Fähigkeit zur maximalen Skalierbarkeit und Hyper-Conversion, also um software-gestützte Server-Optimierung, geht. Darauf setzen wir.