Von vielen Investoren kaum bemerkt, konnte sich Linde in den vergangenen Monaten als schwerster DAX-Wert etablieren. Mit einem Indexgewicht von 10,2 Prozent hat der weltgrößte Industriegasekonzern den ehemaligen Spitzenreiter SAP (9,2 Prozent) von Platz 1 verdrängt. Investoren honorieren, dass sich das Geschäft des Branchenprimus Linde, der im Oktober 2018 durch die Fusion mit dem US-Unternehmen Praxair entstanden war, im zurückliegenden Jahr erfreulich entwickelt hat und weiter florieren dürfte.

Dank eines starken vierten Quartals hat der Konzern das Jahr 2020 mit einem Umsatzrückgang um lediglich drei Prozent auf 27,2 Milliarden Dollar abgeschlossen. Hingegen kletterte der bereinigte operative Gewinn um zehn Prozent auf 5,8 Milliarden Dollar. Die Hälfte des Profits kommt aus der Region Amerika sowie jeweils rund ein Viertel aus Europa, dem Nahen Osten und Afrika sowie aus Asien-Pazifik. Vorstandschef Steve Angel beteiligt Investoren an den starken Ergebnissen und hat Dividenden von insgesamt zwei Milliarden Dollar ausgezahlt sowie für 2,4 Milliarden Dollar Aktien zurückgekauft.

Branchenprimus bei Wasserstoff

Für zusätzliche Fantasie beim Aktienkurs sorgt das Thema Wasserstoff. Der Konzern setzt mehr als zwei Milliarden Dollar pro Jahr mit der Produktion, dem Vertrieb, der Speicherung und der Anwendung von Wasserstoff um und ist damit weltweit die Nummer 1. "Angesichts der erwarteten Investitionsvorhaben von mehr als 100 Milliarden Dollar denke ich, dass sich unser Wasserstoffgeschäft in Zukunft vervierfachen könnte", sagte Angel im November 2020. Gerade bei großen Transportmitteln wie Lastwagen, Zügen, Fähren und Bussen werde sich Wasserstoff zuerst durchsetzen.

So baut Linde im Chemiepark Leuna den weltgrößten Wasserstoffelektrolyseur mit einer Leistung von 24 Megawatt. Er soll in der zweiten Jahreshälfte 2022 in Betrieb genommen werden und jährlich bis zu 3200 Tonnen Wasserstoff mithilfe von Ökostrom herstellen. Damit können etwa 600 Brennstoffzellenbusse im Jahr versorgt werden. Neben der Anlage wird auch ein neuer Wasserstoffverflüssiger errichtet. Flüssiger Wasserstoff weist eine höhere Energiedichte auf und kann besser über weite Strecken transportiert werden. Außerdem kooperiert Linde mit Daimler Truck bei der Flüssigwasserstoff-Betankungstechnologie für Lkw. Sie ermöglicht größere Reichweiten der Fahrzeuge und ein schnelleres Tanken. Die erste Füllung eines Prototyp-Lkw an einer Pilotstation in Deutschland ist für 2023 geplant.

Kräftiges Gewinnplus geplant

Der Firmenlenker will keine Umsatzprognose für das laufende Jahr abgeben, zumal der kurzfristige Konjunkturausblick unsicher sei. Jedoch will Angel den bereinigten Gewinn je Aktie auf 9,10 bis 9,30 Dollar steigern - was ein Plus von elf bis 13 Prozent ist. "Wir sind gut positioniert für ein weiteres herausragendes Jahr", sagt Angel. Zuversichtlich stimmt ihn der Auftragsbestand bei Gasprojekten von 3,6 Milliarden Dollar. Dabei entfallen knapp drei Viertel auf die Region Asien-Pazifik, wo das Geschäft gerade durch China kräftig angetrieben wird. "Wir haben erhebliche Projekte zur Belieferung neuer Halbleiterfabriken an Land gezogen, wovon das größte im Auftragsbestand noch nicht enthalten ist und erst noch bekannt gegeben werden muss", sagt Angel.

Bereinigt um das kleine Anlagenbaugeschäft stammen 40 Prozent des Konzernumsatzes aus stabilen Branchen wie Gesundheit, Elektronik sowie Nahrungsmittel und Getränke. Der Rest kommt aus konjunkturabhängigen Sektoren wie Industrie, Metallbranche, Chemie und Raffinerien. Diese profitieren von einer kräftigen Konjunkturerholung am stärksten, wobei zusätzliche Infrastrukturinvestitionen die Gasnachfrage aus der Metallindustrie ankurbeln würden. Chancen bietet zudem die Halbleiterindustrie, gerade durch Chips für Autos. "Darüber hinaus erwarte ich, dass wir unsere Chancen in langfristigen Wachstumsmärkten wie Gesundheit, Elektronik und erneuerbare Energien entschiedener ergreifen", so Angel.

Zudem arbeitet Linde mit dem italienischen Gasnetzbetreiber Snam zusammen, um Wasserstoffprojekte und Infrastruktur zu entwickeln. Die beiden Konzerne wollen sich gemeinsam für die "Schlüsseltechnologie entlang der Wasserstoffwertschöpfungskette einsetzen". Linde baut außerdem mit dem in Südkorea ansässigen Konzern Hyosung dort eine Infrastruktur für Flüssigwasserstoff auf. Im Rahmen des Joint Venture wird der DAX-Konzern in Ulsan die größte Flüssigwasserstoffanlage Asiens errichten. Linde will ein landesweites Netz von Wasserstofftankstellen errichten und betreiben.

Rückenwind bekommt die Aktie dadurch, dass sie nicht nur im DAX, sondern auch im S & P 500 enthalten ist, was für zusätzliche Nachfrage sorgt. Zudem sind US-Investoren üblicherweise bereit, für ein erwartetes höheres Wachstum einen deutlich höheren Preis zu bezahlen. Der Konzern kündigte zudem jüngst ein neues fünf Milliarden Dollar schweres Aktienrückkaufprogramm an, das bis Juli 2023 laufen soll.

 


Auf einen Blick

Starkes Geschäft