Wenn sie aktuelle Bilder aus Shanghai sehen, haben Zuschauer ein Déjà-vu-Erlebnis. Wie vor zwei Jahren zu Beginn der Pandemie wird wieder eine chinesische Stadt wegen steigender Coronavirus-Infektionen abgeriegelt. Für die gesamte Stadt und damit für 26 Millionen Menschen gilt vorerst ein unbegrenzter Lockdown.

Das hat nicht nur Folgen für die Einwohner, sondern auch global. Denn in Shanghai befindet sich der größte Hafen der Welt. Wenn die Hafenarbeiter dort nicht arbeiten können, verzögern sich die Auslieferungen nach Amerika, Europa, Asien und Afrika.

Die Auswirkungen sind bereits spürbar. Die Zahl der Schiffe, die am Hafen warten, um beladen zu werden, hat sich seit Februar versechsfacht. Im Februar waren es noch 50, aktuell sind es rund 300. Hält dieser Zustand an, könnten lange überwunden geglaubte Lieferkettenprobleme vom Beginn der Pandemie zurückkehren. "Wir beobachten sehr genau die Ereignisse in China mit einer weiteren Welle von Covid-19, die sich in mehreren Großstädten und Firmen ausbreitet", sagte Gene Seroka, Exekutivdirektor des Hafens von Los Angeles, der Nachrichtenagentur Reuters.

Los Angeles ist ein Nadelöhr für den globalen Containerschiffsverkehr. Die Engpässe an der US-Westküste und in China gelten als Hauptgründe, warum die Reedereien weltweit schon seit Längerem ihre Fahrpläne nicht mehr einhalten und die Transportkapazitäten knapp sind. Ihren Ausgang nahmen die Turbulenzen mit dem Ausbruch der Pandemie vor zwei Jahren in China, als Häfen dichtmachten. Container stauten sich an den Terminals, und Lkw konnten sie nicht aus den Häfen abtransportieren. In der Folge stiegen die Container-Frachtraten exorbitant an.

Gegenwärtig sind etwa für einen 40-Fuß-Container von China nach Los Angeles 7.450 US-Dollar zu bezahlen. Jahrelang lagen die Raten dafür zwischen 1.000 und 2.000 Dollar. Sollte der Lockdown in China andauern, könnten sich die Raten noch weiter erhöhen. Dagegen spricht allerdings, dass die Chinesen inzwischen viele Arbeiten in ihren Häfen automatisiert haben.

Das sieht an der US-Westküste anders aus. Dort verhindern starke Gewerkschaften der Hafenarbeiter seit Jahren den technischen Fortschritt. Da sie für einen reibungslosen Ablauf unverzichtbar sind, wollen sie bei den beginnenden Tarifverhandlungen weit höhere Löhne durchdrücken. Streiks drohen, was erneute Lieferkettenprobleme und teurere Frachtraten bedeuten könnte. Geringer ist dagegen der Einfluss des Krieges in der Ukraine auf die globalen Schiffsfrachtkosten, da die Hauptrouten über den Atlantik, Pazifik oder durch das Mittelmeer führen. Die Tatsache, dass einige Häfen im Schwarzen Meer nicht angefahren werden, ist hier nicht so bedeutend.

Während die Pandemie und die damit verbundenen Lieferkettenstörungen für viele Wirtschaftszweige beträchtliche Einschnitte mit sich brachten, waren es für Reedereien goldene Zeiten. "Die Reedereien haben in zwei Jahren fast so viel verdient wie in den zehn durchschnittlichen Jahren zuvor", sagt Marcus Poppe, Manager des DWS Smart Industrial Technologies Fonds, der auch zu rund 20 Prozent Transportfirmen enthält. Kommt keine starke Rezession, sieht er gute Chancen, dass die Reeder weiter gut verdienen - auch weil sie Allianzen geschmiedet haben, die sie krisenresistenter machen als früher. Die Margen werden aber nicht mehr so exorbitant sein wie zuletzt. Viele Industriefirmen haben ihre Lager gut gefüllt, zudem wurden 2021 viele neue Schiffe bei Werften geordert.

Russische Flugzeuge fallen aus

Ordentlich klingeln dagegen nach wie vor die Kassen bei den Luftfrachtunternehmen. Sind diese doch Kriegsprofiteure. Die russischen Frachtmaschinen fallen komplett aus, was die Nachfrage nach den Airlines westlicher Länder erhöht. Statt über die Ukraine und Sibirien fliegen deutsche Airlines nun meist über die Türkei, Georgien und Kasachstan, um nach China, Japan und Korea zu gelangen. Das erhöht die Flugzeit.

Beim Rückflug sei die Situation noch extremer, erklärt Anke Keilich: "Rückflüge aus Asien dauern länger als Hinflüge, da man mit Gegenwind fliegt. Darum brauchen wir für einen Flug von Peking nach Frankfurt noch mehr Sprit und können dadurch weniger Fracht laden", so die Pilotin bei Lufthansa Cargo. Dadurch sind Frachträume noch gefragter als vorher, was die Preise treibt. Schon in den letzten zwei Jahren waren die Kapazitäten knapp, da viele Passagierflüge wegen Covid ausfielen. In deren Laderäumen wird aber etwa die Hälfte der Güter im Luftverkehr transportiert. Hinzu kam, dass wegen der Probleme im Schiffsverkehr viele Versender auf teurere Airlines wechselten.

Billiger sind die Eisenbahngesellschaften, die in den letzten zwei Jahren zwar nicht so hervorragend verdient haben wie Reedereien und Fluglinien, weil die transportierten Volumina nicht so hoch sind wie bei den anderen Verkehrsträgern. Trotzdem waren die Umsätze beim Warentransport ansprechend.

Das dürfte auch so bleiben. Denn die gestiegenen Dieselpreise können hier auf mehr Güter umgelegt werden. Überdies ist die Konkurrenzsituation entspannter als bei Schiffen und Flugzeugen. "Bei einer Rezession sind Eisenbahngesellschaften am defensivsten aufgestellt, auch weil sie ihre erhöhten Kosten gut an Kunden weitergeben können", meint Fondsmanager Poppe. Aktien nordamerikanischer Bahnunternehmen sind daher für Anleger eine Überlegung wert. Dazu zählen etwa Union Pacific Railroad oder Canadian National Railway.

Ukrainische Lkw-Fahrer fehlen

Am wenigsten attraktiv von den vier Verkehrsträgern im Transportbereich ist die Lkw-Sparte. Der Sektor hat zwar in der Pandemie auch gute Profite erzielt, leidet aber unter hohen Treibstoffpreisen. Zudem klettern die Personalkosten stark. In den USA verdienen die Kapitäne der Landstraße inzwischen häufig sechsstellig. In Europa mangelt es an Nachwuchs, und viele ukrainische Lkw-Fahrer, die geschätzt etwa 17 Prozent aller Fernfahrer ausmachen, fehlen aktuell. Außerdem ist der Konkurrenzdruck in der Branche enorm. Die zusätzlichen Aufwendungen dürften bald auf die Margen der Spediteure durchschlagen.

Fazit: Der Transportsektor sollte weiterhin gut laufen. Am besten aufgehoben sind Anleger bei Luftfracht- und Eisenbahngesellschaften. Den höchsten Hebel nach oben haben aber Reedereien - allerdings auch nach unten. Lkw-Spediteure sind weniger verlockend.

INVESTOR-INFO

MØller MÆrsk

Hohe Chancen, hohes Risiko

Die größte börsengelistete Reederei der Welt aus Dänemark hat 2021 wegen hoher Frachtraten ihren Gewinn verfünffacht und einen Rekorderlös von fast 20 Milliarden US-Dollar (Ebit) erzielt. Die Dividende steigt kräftig. 2022 wird mit leichtem Gewinnrückgang gerechnet. Durch zwei Übernahmen versuchen die Dänen ihr Frachtgeschäft breiter zu streuen und weniger zyklisch zu machen. Die Aktie ist volatil und hat einen hohen Hebel nach oben und unten.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 3.000,00 Euro
Stoppkurs: 1.600,00 Euro

Deutsche Post DHL

Wieder attraktiv

DHL Aviation ist das größte Frachtflugunternehmen Europas und eine 100-prozentige Tochter der Deutschen Post AG. Die Sparten Luft- und Seefracht sowie Spedition tragen etwa ein Viertel zum Gesamtumsatz des Konzerns bei. Vor allem die Luftfracht weist hohe Wachstumsraten auf. Zuletzt kam die Aktie unter Druck, da der während der Pandemie boomende Onlinehandel sich abschwächt. Auf dem aktuellen konsolidierten Niveau scheint ein Einstieg wieder attraktiv.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 50,00 Euro
Stoppkurs: 32,00 Euro

LogistikFonds

In beide Richtungen

Der Fonds Seahawk Equity Long Short des Spezialfondsanbieters Seahawk Investments investiert in Energiekonzerne und das Transportwesen. Aktuell sind Firmen aus den Sparten Schifffahrt, Luftfracht und Eisenbahn mit rund 45 Prozent gewichtet. Es kann sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse gesetzt werden. Die Gebühren sind sportlich, allerdings hat der Fonds seit seiner Auflage vor drei Jahren eine hervorragende Performance von 19 Prozent jährlich bei einer akzeptablen Volatilität von 20 Prozentpunkten erzielt.