Es wirkte wie eine kalte Dusche für den gesamten Chipsektor. Für das laufenden vierte Quartal bis Ende August stellte Micron-Chef Sanjay Mehrotra bei Umsatz und Gewinn deutlich weniger in Aussicht, als Analysten bisher erwartet hatten. Die Nachfrage aus der Industrie habe kürzlich nachgelassen. Micron bereite sich deshalb auf schwächeres Wachstum im neuen Geschäftsjahr vor, begründete Mehrotra die überraschende Prognose des Spezialisten für Speicherchips.

Microns Halbleiter werden als Arbeitsspeicher (DRAM-Chips) und als Festplattenersatz (NAND-Chips) in PCs, Netzwerkrechner und in Smartphones eingebaut. Der Markt für Speicherchips (DRAM, NAND) ist ein Massengeschäft und deshalb von ausgeprägten Zyklen geprägt.

Geht die Chipnachfrage schnell zurück, ohne dass die Hersteller ihre Kapazitäten entsprechend angepasst haben, wozu in den Chipfabriken, den Fabs, ein erheblicher Vorlauf notwendig ist, fallen die Chippreise aufgrund des Überangebots im Massenmarkt deutlich schneller als in Märkten für kundenspezifische elektronische Bausteine, wie sie etwa Texas Instruments oder Infineon liefern.

Vorbereitung auf Abschwung

Im Massengeschäft riskieren Hersteller wie Micron in Abschwungphasen deshalb, statt ordentlicher Gewinne überraschend schnell Verluste einzufahren. Um das zu vermeiden, müssen sie früh reagieren. Der in Boise im US-Bundesstaat Idaho beheimatete Chipkonzern ist nun mit seiner Prognose sehr vorsichtig und stellt für das vierte Quartal bei 7,2 Milliarden Dollar einen Erlös in einem Plus-Minus-Korridor von 400 Millionen in Aussicht. Das sind 1,63 Dollar Gewinn pro Aktie mit einem Korridor von 20 Cent.

Analysten hatten bisher im Schnitt bei 9,1 Milliarden Dollar Umsatz 2,62 Dollar Gewinn pro Aktie erwartet, also deutlich mehr. Der von Micron prognostizierte Rückgang zeigt sich etwa im für den Speicherchipentwickler wichtigen PC-Markt. Marktforscher Gartner Group erwartet für dieses Jahr weltweit einen Rückgang um 9,5 Prozent. "Der Mix aus geopolitischen Spannungen, Währungsschwankungen und Lieferkettenunterbrechungen schwächt die Nachfrage bei Privat- und Firmenkunden erheblich. Das wird den PC-Markt in diesem Jahr hart treffen", erklärt Gartner-Analyst Ranjit Atwal.

Harsh Kumar, Analyst der US-Investmentbank Piper Sandler, hatte Anfang Juni als einer der Ersten vor Nachfrageeinbrüchen in Microns Märkten gewarnt. Man mache sich Sorgen, schrieb er mit Blick auf ein schwächeres Wachstum der Weltwirtschaft und Microns Abhängigkeit von Märkten, die vom Verhalten der Privatanwender geprägt werden - mehr als 50 Prozent werden etwa mit PCs und Smartphones erzielt. Auch die neue Präsenz als Chipzulieferer der Autobranche dürfte vom schwächeren Wirtschaftswachstum betroffen sein.

Ab 2024 stark aufwärts

Für Microns Geschäftsjahr bis August 2023 schließen Ökonomen in den USA eine Rezession nicht mehr aus. Analysten erwarten daher bei Micron gut sieben Prozent weniger Erlös, insgesamt 29,4 Milliarden Dollar. Mit dem zyklischen Aufschwung ab 2024 soll der Umsatz dann um fast ein Fünftel auf 35,3 Milliarden Dollar zulegen.