Die Zeit drängt. Während die USA und Asien, allen voran Südkorea und China, den Aufbau von Mobilfunknetzen mit dem neuen Standard der fünften Generation (5G) beschleunigen, fällt Europa durch die anhaltende Debatte über einen Ausschluss des chinesischen Telekomausrüsters Huawei weiter zurück.

China und die USA, mit 30 und 25 Prozent Anteil am Weltmarkt, haben beim Ausbau der 5G-Technik bereits einen großen Vorsprung gegenüber Europa. Währenddessen wurde der größte Netzwerkausrüster der Welt, Huawei, hierzulande mit den jüngst in Berlin vereinbarten Änderungen der Sicherheitsvorschriften für 5G vom Ausbau der Netze zwar nicht explizit ausgeschlossen, die Nutzung seiner Technik nach Expertenurteil jedoch stark eingeschränkt.

55 Milliarden Euro Zusatzbelastung

Branchenkenner schätzen, dass der Austausch von Huawei-Technik in europäischen 5G-Netzen die zum Teil bereits hoch verschuldeten Telekombetreiber zusätzliche 55 Milliarden Euro kosten und den Ausbau um Jahre verzögern wird. Die drei großen Telekomkonzerne hierzulande haben sich zu den Änderungen der Sicherheitsvorschriften bisher nicht geäußert.

Das Dilemma: Die unter der autoritären Führung von Präsident Xi Jinping erlassenen Gesetze zwingen chinesische Firmen wie Huawei, Kundendaten mit den Sicherheitsbehörden des Landes zu teilen. Komponenten des Technologieriesen sind damit für ausländische Telekomdienstleister ein potenzielles Sicherheitsrisiko - und ebenso für Konzerne wie Bosch, BASF, Siemens oder Volkswagen, die in ihren Fabriken eigene 5G-Netze planen.

Die künftige Mobilfunktechnologie ist für Unternehmen jedoch eine notwendige Voraussetzung, um ihre Fertigung an das Web und die eigenen IT-Netze anzuschließen. In 5G-Netzen werden große Datenmengen viel schneller und im Vergleich zu 4G und LTE mit deutlich geringerer Verzögerung übertragen. Eine effiziente Vernetzung der mit webfähigen Sensoren ausgestatteten Geräte und Produkte in den verschiedenen Industrien ist erst mit 5G möglich. Bekannt sind die Megatrends, die vom Mobilfunk der fünften Generation nun angeschoben werden, als "Industrie 4.0" und "Internet der Dinge".

Über die digitale Infrastruktur sollen die Daten von Maschinen in großen Mengen ausgewertet werden, um Fertigung und Logistik zu optimieren. Daneben soll auch der Service für komplexe Produkte, etwa die Wartung von Jet-Turbinen, verbessert werden.

Ausrüster Huawei mit umgerechnet 110 Milliarden Euro Umsatz für 2019 ist während der vergangenen Jahre mit guter Technologie zu günstigen Preisen die globale Nummer 1 geworden, mit einem Anteil am Weltmarkt von 31 Prozent. Auch in Europa, das für 15 Prozent des Weltmarktes steht, liegt Huawei mit einem Anteil von 35 Prozent vorn, vor Ericsson und Nokia.

Ericsson in Europa Favorit

Während der politische Druck auf Huawei steigt, spekulieren Anleger darüber, wer sich in Europa die größten Anteile des Primus sichern könnte. Für die US-Bank Goldman Sachs hat Ausrüster Ericsson die besten Karten. "Die Schweden könnten zwei Drittel des Geschäfts bekommen, Nokia ein Drittel", schätzt Analyst Alexander Duval.

Der Konzern mit Sitz in Stockholm hat einen signifikanten Anteil seines Geschäfts mit Hardware durch das Softwarebusiness ersetzt und dank besserer Preise seine Konkurrenzfähigkeit erheblich verbessert. Dieser Vorsprung hilft Ericsson auch in China, wo das Unternehmen die drei größten Telekommunikationskonzerne beliefert und damit zehn Prozent des Marktes abdeckt.

In Europa ist unterdessen viel Bewegung in den Markt gekommen. So beschloss Großbritanniens Nationaler Sicherheitsrat, dass Netzbetreiber nach dem 31. Dezember 2020 bei Huawei nicht mehr einkaufen dürfen. Bereits installierte Komponenten müssen bis 2027 entfernt werden.

Prompt meldete Nokia, man werde mehr 5G-Technik an British Telecom (BT) liefern. Auch in den 2G- und 4G-Netzen des bisher größten britischen Nutzers von Huawei-Technik sollen Komponenten der Chinesen durch Nokia-Teile ersetzt werden. Im Kernbereich der 5G-Netze setzen BT wie auch Vodafone in Kontinentaleuropa dagegen auf Ericsson. Dort werden die Netze via Software gesteuert. In Bezug auf sensible Daten ist dieser Bereich besonders wichtig.

BT schätzt die Kosten für den Umbau gemäß der Regierungsvorgaben auf 650 Millionen Euro. Hierzulande bewertet die Deutsche Telekom ein ähnliches Szenario intern als "Armageddon". Ein Austausch der Huawei-Technik würde die Bonner nach eigenen Schätzungen drei Milliarden Euro und fünf Jahre Verzögerung kosten. Viele Telekomkonzerne sind durch Investitionen in ihre Netze und Lizenzen hoch verschuldet und liefern kaum Wachstum. Damit zählen sie für Anleger nicht zu den Gewinnern von 5G.

T-Mobile US zieht an AT & T vorbei

Eine Ausnahme diesbezüglich ist T-Mobile US. Anleger sehen die US-Tochter der Deutschen Telekom als Wachstumswert: Seit Januar hat der Aktienkurs um mehr als 40 Prozent zugelegt. Der im Bundesstaat Washington ansässige Konzern ist nach der Fusion mit Konkurrent Sprint ebenfalls erheblich verschuldet. Die Nettoverbindlichkeiten entsprechen dem 2,4-Fachen des geschätzten operativen Gewinns (Ebitda) für 2020. Jüngst begeisterte der Mobilfunker jedoch zum 22. Mal in Folge mit höheren Kundenzahlen in einem Quartal. Mit den 1,2 Millionen Neuzugängen zog T-Mobile US an AT & T vorbei und ist nun Amerikas zweitgrößter Mobilfunker. Das Sprint-Spektrum helfe dem Konzern, seine Führung bei 5G-Netzen in den USA ausbauen, urteilen die Analysten von Bloomberg Intelligence.

Experten erwarten von 5G Auswirkungen, die auf Dauer weit über den Mobilfunk hinausreichen werden. Das langfristige Potenzial der Mobilfunktechnologie für die Wachstumsmärkte Automatisierung und Digitalisierung in der Industrie, Internet der Dinge sowie autonomes Fahren werde die jährlichen Investitionen in 5G während der nächsten Jahre vervielfachen, sagen die Marktforscher von IHS voraus. Für 2035 erwarten sie 235 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Für 2020 werden die Ausgaben für Mobilfunktechnik weltweit auf mehr als 70 Milliarden Dollar geschätzt.

Für Anleger rechtzeitig zurück im Spiel ist nach einer richterlichen Entscheidung im August Qualcomm, der weltweit größte Entwickler von Mobilfunkchips. Die Klage der US-Wettbewerbsbehörde FTC, der zufolge Qualcomm mit seinem stark auf Lizenzgebühren basierenden Geschäftsmodell den Wettbewerb behindere, wurde abgewiesen. Das Gegenteil sei der Fall, urteilten die Richter. Nun blicken Analysten auf das Potenzial des Konzerns mit Sitz in San Diego. Denn er hat auch 5G-Chips für Automatisierung und das Internet der Dinge im Portfolio.

Der Druck auf Huawei hat in den USA einen weiteren Technologieriesen zu einer Offensive im US-Markt ermutigt: Samsung Electronics. Bis 2025 werden die Koreaner Primus Verizon 5G-Ausrüstung im Wert von 6,6 Milliarden Dollar liefern. Samsung liegt mit fast 3000 Patenten für die neue Technologie auf Platz 2 hinter Huawei, klar vor Ericsson und Nokia.

Mit der Digitalisierung auf breiter Front werden mehr Chips mit immer kleineren Architekturen benötigt. Die globale Nummer 1 dafür ist Auftragsfertiger Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC). Die Fertigung von 5G-Chips mit Leiterbahndurchmessern von fünf Nanometern läuft auf Hochtouren. TSMC rüstet sich als Einziger in der Branche sogar schon für drei Nanometer. Der Konzern kann es sich leisten. Seine Verschuldung ist gering und der freie Cashflow hoch.

Name ISIN Kurs in €
Qualcomm US7475251036 105,56
T-Mobile US US8725901040 96,75
Samsung Electronics US7960502018 954,00
Stand: 08.10.20, 11 Uhr; Quelle: Bloomberg
 


INVESTOR-INFO

Ericsson

Schwedischer Gewinner

Im September übernahm der schwedische Ausrüster von Mobilfunknetzen für 1,1 Milliarden Dollar die US-Firma Cradlepoint, Spezialist für Funknetze mit großer Reichweite (WAN). Der größte Zukauf seit zehn Jahren passt gut zu Ericssons IoT-Plattform und erweitert die Kompetenz in der Vernetzung innerhalb von Firmen. Für 2020 und 2021 erwarten Analysten jährliche Gewinnzuwächse von jeweils mehr als 20 Prozent. Kaufen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 11,00 Euro
Stoppkurs: 7,00 Euro

TSMC

Chips bis ins kleinste Format

Die überwiegende Anzahl der Chipfirmen setzt auf die Expertise von Auftragsfertigern wie Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC). Der globale Primus beherrscht die Miniaturisierung in der Fertigung von Chips, auch für 5G, die mehr leisten und Strom effizienter nutzen sollen. Für 2020 erwarten Analysten bei 23 Prozent mehr Umsatz knapp 41 Prozent mehr Nettogewinn.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 90,00 Euro
Stoppkurs: 51,00 Euro

Dreierpack

Starker 5G-Faktor

Mobilfunkchipentwickler Qualcomm verfügt über ein starkes 5G-Portfolio. Für das Ende September begonnene neue Geschäftsjahr werden 32 Prozent mehr Umsatz und ein Plus von mehr als 60 Prozent beim Nettogewinn erwartet. Bei T-Mobile US rechnen Börsianer für 2021 und 2022 mit moderaten Zuwächsen beim Umsatz und jährlichen Gewinnsteigerungen von 25 und 55 Prozent. Samsung ist die globale Nummer 1 bei 5G-Handys und Qualcomms Auftragsfertiger.