Sie fragen, wir antworten! Die Redaktion von Euro am Sonntag beantwortet Leseranfragen zu Rechts-, Finanz- und Versicherungsthemen. Von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag

Sie hatten sich ja schon mehrfach mit der Doppelbesteuerung gesetzlicher Renten beschäftigt. So war bei Ihnen zu lesen, dass der Bundesfinanzhof Ende Mai in zwei Grundsatzurteilen den Fiskus vor solch einem Vorgehen gewarnt, die Klagen von Ruheständlern aber abgewiesen hatte. Gegen diese Entscheidungen haben beide unterlegenen Ehepaare Verfassungsbeschwerden eingelegt (Az. 2 BvR 1143/21 und 1140/21). Sollte ich als Rentner nun Einspruch gegen meine Steuerbescheide einlegen, um von einer möglicherweise steuerzahlerfreundlichen Entscheidung zu profitieren?

Euro am Sonntag: Grundsätzlich müssen Senioren keinen Einspruch gegen ihre Steuerbescheide einlegen. Denn das Bundesfinanzministerium (BMF) hat in einem neuen Anwendungsschreiben verfügt, dass sie vorläufig offen bleiben (Gz. IV A 3 - S 0338/19/10006 :001). Die vorläufige Steuerfestsetzung führt dazu, dass Steuerbescheide nicht bestandskräftig werden. Dieser Vorläufigkeitsvermerk umfasst alle Rentenzahlungen, die der sogenannten nachgelagerten Besteuerung unterliegen. Berücksichtigt sind alle Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Leibrenten, Renten aus landwirtschaftlichen Alterskassen, die Altersvorsorge der berufsständischen Versorgungswerke sowie sämtliche Rürup-Renten.

Handlungsbedarf für Betroffene könnte dennoch bestehen: Das BMF hat in seinem jüngsten Schreiben zwar angeordnet, dass alle Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungsjahre ab 2005 wegen der möglichen Doppelbesteuerung von Renten einen Vorläufigkeitsvermerk erhalten. Zusätzlich wurde aber der Hinweis aufgenommen, dass Steuerpflichtige nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - und möglicherweise nochmals des Bundesfinanzhofs - weitere Unterlagen vorlegen müssen, um eine Doppelbesteuerung nachzuweisen. Konkret bedeutet dies, dass Finanzämter die Steuerbescheide nicht automatisch überprüfen werden, sondern erst nach Vorlage der erforderlichen Dokumente. Dazu zählen sämtliche im Rentenalter ergangene Steuerbescheide, außerdem frühere Gehaltsabrechnungen und Verdienstnachweise.

Sicherheitshalber sollten Betroffene ihren Bescheid daraufhin prüfen, ob er den Vorläufigkeitsvermerk tatsächlich enthält, rät der Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine. Auch dem Bund der Steuerzahler zufolge geht aus dem BMF-Schreiben hervor, dass die Steuerbescheide nicht automatisch nachträglich zugunsten von Rentenbeziehern geändert werden. Unabhängig davon, wie die laufenden Verfahren ausgehen, müsse gegenüber dem Finanzamt die Doppelbesteuerung weiter beanstandet werden. Rentner müssten später gegebenenfalls aktiv mitwirken, damit Bescheide zu ihren Gunsten geändert werden können.