Nach dem Abverkauf am Donnerstag eröffnen die Börsen in den USA auch am Freitag tief im Minus. Grund dafür sind anhaltende Zweifel an der Bewertung der KI-Aktien – und miserable Zahlen zum US-Verbrauchervertrauen.

Die Börsen in den USA setzen am Freitagnachmittag erneut zu einer Talfahrt an. Kurt vor 17 Uhr notierte der Dow Jones zwar nur 0,35 Prozent im Minus, die Aktien an der Technologiebörse Nasdaq gaben jedoch 1,6 Prozent oder 370 Punkte ab (Nasdaq Composite). Zu den gehörten hier neben dem Computerspiel-Entwickler Take Two Interactive (minus acht Prozent) und Trade Desk (minus sieben Prozent) vor allem Aktien aus dem KI-Umfeld: Microchip Technology gaben 10,2 Prozent ab, Marvell Technologies verloren 7,6 Prozent und Arm Holdings gaben nach Zahlen 6,4 Prozent ab.

Verbrauchervertrauen fällt zum Vorjahr um 30 Prozent

Auslöser für die schlechte Stimmung sind diesmal verheerende Zahlen zum Verbrauchervertrauen in den USA. Der monatlich erstellte Index der Universität Michigan fiel binnen Monatsfrist um 6,2 Prozent auf 50,3 Punkte. Im Vergleich zum Vorjahr, in der Woche der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, entspricht das einem Rückgang um sage und schreibe 30 Prozent. So schlecht war die Stimmung zuletzt im Juni 2022, als die grassierende einen 40-jährigen Höchststand erreicht hatte.

Grund für den aktuellen Pessimismus ist der nun schon einen Monat währende Shutdown der US-Behörden, der sich mittlerweile auch auf die Geldbörsen der Verbraucher auszuwirken scheint. „Da sich der Shutdown der Bundesbehörden nun schon über einen Monat hinzieht, äußern die Verbraucher nun ihre Besorgnis über mögliche negative Folgen für die Wirtschaft“, sagte die Leiterin der Umfrage, Joanne Hsu. Der Stimmungsrückgang in diesem Monat sei in der gesamten Bevölkerung weit verbreitet gewesen und zeige sich unabhängig von Alter, Einkommen und politischer Einstellungen.

Infront Nasdaq 100 (WKN: A0AE1X)

Sorgen um die US-Wirtschaft

Die alarmierenden Zahlen zum Verbrauchervertrauen sind Wasser auf die Mühlen der Mahner, die die USA trotz zuletzt überraschend starker Wachstumszahlen auf eine Rezession zusteuern sehen. Der Konsum ist nämlich nach wie vor der Haupttreiber der US-Wirtschaft. Würden die Konsumenten ihr Geld zusammenhalten – und das auch noch ausgerechnet im bevorstehenden Weihnachtsgeschäft – könnte das fatale Folgen für diverse Wirtschaftszweige haben, allen voran die Gastronomie, den Einzelhandel und auch die Automobilindustrie.

Für die Märkte kommt die schlechte Nachricht zur Unzeit: Seit Mitte der Woche breitet sich unter den Investoren eine wachsende Skepsis aus, dass die Bewertungen in der KI-Branche womöglich Niveaus erreicht haben, die nicht mehr zu rechtfertigen sind. Viele Aktien aus dem diesem Bereich mussten diese Woche empfindlich Federn lassen: Allen voran Palantir mit einem Wochenminus von aktuell zwölf Prozent, aber auch Nvidia, Oracle oder Broadcom gaben mehrere Prozentpunkte ab. Auch der Kryptomarkt spiegelt eine wachsende Vorsicht gegenüber als riskant angesehenen Assets wider: Der Bitcoin verlor auf Wochensicht fast neun Prozent, Ethereum sogar 15 Prozent und zahlreiche Kryptowährungen aus der zweiten Reihe noch deutlich mehr.

Mittlerweile fürchten Anleger, dass die Entwicklungen an den US-Börsen auf andere globale Börsen überspringen. So büßte der Dax am Freitag bis 17 Uhr 0,7 Prozent ein.

DAX (WKN: 846900)

Englands Notenbankchef warnt vor zu viel KI-Euphorie

David Solomon, CEO von Goldman Sachs, hatte diese Woche vor einem „wahrscheinlichen” Rückgang der Aktienmärkte um zehn bis 20 Prozent innerhalb der nächsten zwei Jahre gewarnt. Mittlerweile schlagen auch der Internationale Währungsfonds und die Bank of England Alarm, die sich üblicherweise nicht zu den Aktienmärkten äußern.

Der Gouverneur der Bank of England, Andrew Bailey, sprach in einem Interview mit dem US-Börsensender CNBC am Donnerstag von der Möglichkeit einer KI-Blase. Er gab zu bedenken, dass Technologieunternehmen zweifellos einen „sehr positiven Beitrag zur Produktivität” leisteten, dass aber die Unsicherheit über die mit KI-Diensten erzielbaren Erlöse wachse. „Wir müssen sehr wachsam gegenüber diesen Risiken sein”, sagte Bailey.

Nachfrage nach KI-Rechenkapazität weiterhin hoch

Verschiedene Vertreter aus der KI-Branche verwiesen dagegen auf die anhaltend hohe Nachfrage nach zusätzlichen KI-Kapazitäten und KI-Rechenzentren, nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Erst am Mittwoch hatte der Chef der Deutschen Telekom, Tim Höttges, zusammen mit Nvidia-Boss Jensen Huang ein neues KI-Rechenzentrum in München angekündigt. Nach den Worten von Huang wird es nicht das letzte bleiben. Der Nvidia-Gründer rechnet sogar damit, dass Deutschland zu einem der größten Märkte für KI-Anwendungen weltweit werden könnte.

Ob und wie sich die neue Sicht auf KI-Investments auf die Geschäfte von Nvidia auswirken wird, wird sich am 19. November zeigen, wenn Nvidia seine Quartalszahlen und den Ausblick auf die kommenden drei Monate bekannt gibt.

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UBS-Experte rechnet mit mehr Volatilität

Bis dahin dürfet er weiter volatil bleiben. Kiran Ganesh, Multi-Asset-Stratege bei UBS, wies gegenüber CNBC auf die bemerkenswert geringe Volatilität am Markt hin. Zudem sei die allgemeine Stimmung weiterhin positiv. „Angesichts des Umfangs der getätigten Investitionen, der Unsicherheit über die zukünftigen Cashflows und einiger Bedenken hinsichtlich der Bewertung hatten wir eine bemerkenswert reibungslose Rally“, sagte Ganesh am Freitag.

„Da wir die Berichtssaison hinter uns haben, halte ich es für vernünftig, eine gewisse Volatilität erwartet zu haben.“ Die Ergebnisse der Unternehmen seien „beruhigend“ und hätten im Schnitt die Erwartungen übertroffen. „Obwohl es diese Woche zu einer gewissen Volatilität gekommen ist, halten wir dies für erwartbar und die Gesamtlage bleibt weiterhin positiv.“


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