Die Jahreszahlen des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé fallen auf den ersten Blick recht ordentlich aus. So arbeiteten die Schweizer deutlich profitabler, wie Chef Ulf Mark Schneider am Donnerstag in Vevey am Genfersee mitteilte: Die operative Rendite stieg auf 17,6 Prozent. Im Vorjahr waren es noch 17 Prozent. Der KitKat-Hersteller habe eigenen Angaben zufolge mitunter Kosten gespart und die Preise angehoben. Konzernweit konnten die Eidgenossen die Preise um 0,6 Prozent anheben - stärker als noch im Vorjahr. In der Vergangenheit hatten Investoren mehrmals die sinkende Preissetzungsmacht von Nestlé kritisiert.

Beim Wachstum aus eigener Kraft legte der Konzern auf Jahressicht einen Zahn zu. Er wuchs so schnell wie seit 2015 nicht mehr. Der um Sondereffekte bereinigte organische Umsatz stieg um 3,5 Prozent auf 92,6 Milliarden Schweizer Franken. Diese Kennziffer setzt sich aus den Preiserhöhungen und dem Mengenwachstum (2,9 Prozent) zusammen. Steigende Nachfrage aus den USA und Brasilien gab Schub. Im vierten Quartal ließ das Wachstumstempo allerdings nach. Zwischen Oktober und Dezember wuchsen die Eidgenossen nur noch um drei Prozent. So verfehlte Nestlé mit dem Umsatz die Erwartungen. Analysten hatten dem Finanzdienstleister Bloomberg zufolge mit 93,3 Milliarden gerechnet.

Wachstumsziel verschoben


Auch bei den Aussagen zum längerfristigen Wachstumsziel enttäuschte Nestlé-Chef Schneider die Investoren. Der ehemalige Fresenius-Chef geht nun nicht mehr davon aus, im laufenden Jahr ein Wachstum von vier bis sechs Prozent zu erzielen. Ursprünglich hatte Schneider den Konzern bis 2020 zurück zu alten Wachstumsraten im mittleren einstelligen Prozentbereich bringen wollen. Analysten hatten dieses Ziel zuletzt infrage gestellt.

Stattdessen erwartet Schneider nun für 2020 eine "weitere Steigerung" des Wachstums. Für 2021/2022 peile er eine "anhaltende Beschleunigung" in Richtung eines nachhaltigen mittleren einstelligen Wachstums an. "Wir sind überzeugt, dass wir es nachhaltig schaffen werden. Es wird nur ein oder zwei Jahre länger dauern", betonte er.

Grund für die Verschiebung des Erreichens des Wachstumsziels sei mitunter der Wechsel des Liefersystems in den USA, der sich auf die kurzfristige Verfügbarkeit der Produkte und damit die Umsätze auswirke. Das Amerika-Geschäft wuchs im abgelaufenen Jahr mit einem Plus von 3,9 Prozent konzernweit am stärksten.

Die Auswirkungen des Ausbruchs des neuartigen Coronavirus in China dürften zusätzlich belasten. Nach den USA ist China mit einem Umsatzanteil von acht Prozent der zweitgrößte Markt von Nestlé. Konkrete Folgen der Lungenkrankheit könne Nestlé zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen, sagte Schneider. Anfang der Woche seien die Fabriken in China nach der verlängerten Feiertagspause wieder angelaufen - allerdings mit reduzierter Geschwindigkeit, da es durch Reisebeschränkungen noch nicht alle Mitarbeiter an ihren Arbeitsplatz geschafft hätten. Nestlé versuche so weit wie möglich sicherzustellen, seine Kunden beliefern zu können, betonte Schneider. "Die Prognose ist wahrscheinlich keine Überraschung angesichts der Entwicklungen in China", fasste Analyst Jon Cox von der Investmentbank Kepler Cheuvreux zusammen.

Schwaches Wassergeschäft


Schlechte Nachrichten kamen auch aus dem Wassergeschäft. Die Sparte mit Marken wie Vittel und San Pellegrino schwächelte wegen Preisdruck und schwacher Nachfrage in Europa. Das Geschäft wuchs nur um magere 0,2 Prozent. Daten des Finanzdienstleisters Bloomberg zufolge erzielte das Segment im abgelaufenen Jahr das schlechteste Ergebnis innerhalb eines Jahrzehnts.

Schneider bezeichnete die Entwicklung als "besonders enttäuschend". Um gegenzusteuern, übertrug er Anfang des Jahres die Verantwortung für das bislang zentral geführte Geschäft an die einzelnen Regionen. Für das erste Halbjahr kündigte der Chef neue Strategien für das Segment an.

Konzernumbau nimmt Gestalt an


Schneider hatte bei seinem Amtsantritt 2017 avisiert, den Konzern kräftig umzubauen und auf Profitabilität zu trimmen. Dabei erzielte er bereits Fortschritte wie die Verbesserung der Rendite. Es gibt aber noch Baustellen. Er kündigte am Donnerstag an, sich von weiteren Geschäften trennen zu können. "Mit weiteren entschlossenen Maßnahmen werden wir uns den Geschäftsbereichen annehmen, die unter den Erwartungen liegen."

Im vergangenen Jahr verkauften die Schweizer bereits die Fleisch- und Wurstmarke Herta, das US-Speiseeisgeschäft und auch die Hautpflegesparte. Das spülte Geld in die Kassen. Unter dem Strich steigerte Nestlé den Gewinn um fast ein Viertel auf 12,6 Milliarden Franken.

Die Eidgenossen halten auch weiter Ausschau nach Zukäufen - so etwa im Bereich pflanzenbasierter Nahrungsmittel. Nestlé arbeitet mit den kanadischen Firmen Burcon und Merit zusammen, wie die Schweizer bereits Ende Januar mitgeteilt hatten. Burcon und Merit sind in der Entwicklung und Produktion von Pflanzen-Proteinen aktiv, die in Zukunft für Nestlé-Produkte verwendet werden sollen. Im Sortiment befinden sich bereits Hamburger, Würste und Hackfleisch auf Pflanzenbasis.

Einschätzung der Redaktion


Das Geschäft mit pflanzenbasierten Nahrungsmitteln könnte vielversprechend sein. Denn nachhaltige und vegane Lebensmittel liegen im Trend - Nestlé will daran mitverdienen. Konsumenten greifen zunehmend zu frischen und gesünderen Nahrungsmitteln. Fertigprodukte, wie sie Nestlé zuhauf auch im Sortiment hat, könnten zu Ladenhütern werden.

Am Aktienmarkt kamen die Jahreszahlen der Schweizer nicht gut an, die Aktie gab um mehr als zwei Prozent nach. Analysten monierten insbesondere das langsame Umsatzwachstum - das jedoch nicht besonders überraschend kam. Dass Nestlé für das Erreichen eines Wachstums aus eigener Kraft von mehr als vier Prozent etwas länger brauche, habe er erwartet, schreibt Goldman-Sachs-Experte John Ennis.

Analysten monierten auch das schwache Ergebnis im Wasser-Geschäft. Warren Ackerman von der britischen Investmentbank Barclays hob in einer ersten Einschätzung allerdings hervor, dass die Schweizer die Probleme angingen.

Für die Aktie spricht indes die Dividende. Nestlé will die Ausschüttung um 25 Rappen auf 2,70 Franken erhöhen. Analysten hatten etwas weniger erwartet.

Die Nestlé-Aktie bleibt dennoch ein solides Basisinvestment, die als defensiver und wenig konjunktursensibler Wert weiter gefragt sein dürfte.

Aufgrund des Handelsstreits zwischen der Schweiz und der EU können Nestlé-Aktien in Deutschland derzeit jedoch nicht gehandelt werden. Bei einem Handel über Zürich erhöhen sich die Gebühren aber zum Teil deutlich, da es ein Handelsplatz außerhalb der EU ist. Ohne ein Franken-Konto fallen außerdem zusätzliche Gebühren für den Devisenumtausch an. Günstigere außerbörsliche Alternativen bieten beispielsweise Lang & Schwarz sowie die Commerzbank. Möglicherweise können der An- und Verkaufspreis hier jedoch etwas weiter auseinanderliegen.