Herr Felsenheimer, an den Finanzmärkten wächst die Unruhe, die Aktienkurse haben zuletzt deutlich nachgegeben. Ist das der Beginn einer lang anhaltenden Talfahrt?
Der DAX wird sicherlich in den nächsten Tagen nicht auf 5000 Punkte fallen. Ich will auch nicht ausschließen, dass der deutsche Leitindex in diesem Jahr noch einmal über 10 000 Punkte steigt. Tendenziell rechne ich aber mit sinkenden Kursen. Der aktuellen Korrektur sind enorme Verwerfungen vorausgegangen, der Anstieg der Vermögenspreise war fundamental nicht gerechtfertigt. Die Eintrittswahrscheinlichkeit einer neuen Krise ist hoch.

Anleihen, insbesondere High-Yield-Bonds sowie die Staatsanleihen südeuropäischer Länder, sind ebenso unter Druck. Die Renditeaufschläge sind deutlich gestiegen. Wie erklären Sie die heftige Reaktion?
Die Notenbanken haben durch ihre Niedrigzinspolitik und Anleihekäufe die Bondmärkte, die für die Weltwirtschaft von viel größerer Bedeutung sind als die Aktienmärkte, extrem unterstützt und zu deren Stabilisierung beigetragen. Die Investoren erkennen nun aber, dass Fed und EZB die Konjunktur nur bedingt stimulieren können. Hinzu kommen geopolitische Risiken, die das Sentiment der Investoren negativ beeinflussen.

Sind die Märkte auch durch regulatorische Bestimmungen fragiler geworden?
Eindeutig. Wenn sich in der Vergangenheit institutionelle Investoren von größeren Positionen trennen wollten, konnten sie relativ sicher sein, dass Banken ihnen diese abnehmen werden. Nun aber sind die Kreditinstitute gezwungen, viel vorsichtiger zu agieren. Der Markt ist dadurch weniger breit beziehungsweise tief. Verkäufe einzelner Gesellschaften beeinflussen so aber in einem viel größeren Ausmaß den Gesamtmarkt als bislang.

Die Notenbanken haben ihr Pulver verschossen. Sollen die Staaten der Eurozone nun weniger als bisher den Schwerpunkt auf Ausgabensenkungen legen?
Nein, Defizitregeln sind notwendig, sie zwingen Regierungen zu einer soliden Finanzpolitik. Man kann nicht ohne die Ursachen zu kennen, warum ein Staat in eine wirtschaftliche Krise geraten ist, ein kreditfinanziertes Konjunkturprogramm auflegen und dann erwarten, dass die Wirtschaft sich schnell erholt und nachhaltig wächst. Auslöser für die Krisen in den südeuropäischen Staaten war und ist die hohe Verschuldung. Die Defizitprobleme mit noch höheren Schulden lösen zu wollen macht keinen Sinn. Im Gegenteil, sie führen dazu, dass die Refinanzierungskosten an den Kapitalmärkten steigen. Ausgabensenkungen und strukturelle Reformen, die die Wettbewerbsfähigkeit stärken, sind die bessere Alternative. Das weiß auch die Europäische Zentralbank. Sie drängt daher die Staaten zu Reformen. Durch ihr Engagement nimmt sie aber den Druck von den Regierungen, diese auch in letzter Konsequenz durchzuführen.

Die EZB beginnt nun, den Banken Pfandbriefe abzukaufen, und plant ,im Verlauf noch dieses Jahres auch verbriefte Kredite zu erwerben. In den Bankbilanzen wird so Eigenkapital frei, mit dem diese neue Kredite für Unternehmen hinterlegen können. Macht die Maßnahme Sinn, werden die Banken die Kreditvergabe an die Unternehmen tatsächlich erhöhen?
In Deutschland sicherlich nicht. Zum einen verfügen die Mittelständler bereits über reichlich Cash, sie werden daher nicht verstärkt nach Krediten fragen. Auch werden die Banken ihre Kreditvergaberichtlinien gegenüber Unternehmen kaum lockern, denen sie bislang schon kein Geld geben wollten. Ebenso dürfte in Südeuropa die Bereitschaft der Banken gering sein, neue Risiken in die Bücher zu nehmen.

Eine Erhöhung des Kreditangebots läuft ins Leere?
Ja, meiner Auffassung nach haben wir es in Europa generell mit einer Bilanzrezession zu tun. Nicht nur die Banken, auch die Unternehmen und die privaten Haushalte wollen beziehungsweise müssen sich entschulden anstatt zu investieren.

Ist die EZB überaktiv?
Sie hofft zumindest, dass Pfandbrief- und Asset- Backed-Securities-Käufe ähnlich positiv vom Markt aufgenommen werden wie der vor zwei Jahren angekündigte unbegrenzte Kauf von Staatsanleihen. Doch die Maßnahmen bergen Risiken. Die EZB läuft Gefahr, wie der Bundesbankchef es formuliert hat, eine Bad Bank voller fauler Kredite zu werden. Unabhängig davon, ob der ABS-Kauf mit ihrer Satzung überhaupt vereinbar ist, schadet die EZB dadurch ihrem Image. Zudem muss die EZB aus rechtlichen Gründen ihre Maßnahmen immer europaweit anbieten, die Volkswirtschaften in der Eurozone divergieren jedoch sehr weit. Das heißt, die EZB nimmt in Kauf, dass die gewünschte Ankurbelung des Immobilienmarkts wie etwa in Spanien oder Portugal in Ländern wie Deutschland oder den Niederlanden Überhitzungen auslösen kann.

Die EZB-Politik hat bislang dafür gesorgt, dass mit sicheren Staatsanleihen kaum Geld verdient wird und die Risiken von Hochzinsanleihen nicht mehr angemessen honoriert wurden. Bleibt es dabei?
Ja. Diese Zweiteilung wird sicher noch eine Zeitlang bestehen.

Wird die US-Notenbank angesichts einer sich immer noch verhalten entwickelnden US-Konjunktur und aus Sorge vor neuen Marktturbulenzen die eigentlich für 2015 geplante Zinserhöhung verschieben?
Damit rechne ich nicht. Fed-Chefin Janet Yellen würde an Glaubwürdigkeit verlieren, sie hat den Marktteilnehmern ja bereits eine Erhöhung signalisiert. Im Gegensatz zur Europäischen Zentralbank hat die Fed zudem erkannt, dass eine lockere Geldpolitik nur für eine begrenzte Zeit eingesetzt werden kann. Ansonsten bilden sich Vermögensblasen, die platzen können. Denkbar ist aber, dass die Fed die Zinszügel sehr moderat anziehen wird.

Welche Strategie verfolgt in einem solchen Umfeld XAIA?
Wir fokussieren uns auf risikoreiche Anleihen und sichern diese unter anderem durch Credit Default Swaps und Aktienoptionen ab. Insofern ist der Zahlungsausfall eines Anleiheemittenten bei uns abgesichert. Auch profitieren wir generell von einer Zunahme der Volatilität. Insofern sind die aktuellen Marktentwicklungen für uns günstig.