Boerse-online.de: Der Aktienkurs von VW hat nach der Führungswechsel-Meldung deutlich nachgegeben. Ist das schon ein Misstrauenssignal der Investoren gegenüber dem künftigen Chef Blume?

Ferdinand Dudenhöffer: Ich denke, es ist eine Verunsicherung darüber, wie die Strategie bei VW weitergeht. Diess hat viele Dinge bei VW bewegt, seine vorlegte neue Konzern-Architektur war genial. Zusätzlich hat er in der komplizierten Aufsichtsrat-Struktur auch keinen Konflikt mit der übermächtigen IG-Metall gescheut. Das war wichtig, um die verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Wie die Strategie jetzt weitergeht und umgesetzt wird ist unklar. Da können Aktionäre schnell auf "sell" springen. Daher wird Blume sicher bald seine Strategie-Pläne vorstellen.

Worin sehen Sie den Hauptgrund, dass der Chefwechsel gerade jetzt kommt: Die ins Stocken gekommene Software-Strategie und verpatzte Produktionsanläufe, oder die desaströse Kommunikationspolitik von VW-Chef Diess?

Diess war nicht einfach für VW und das war gut so. Das Land Niedersachsen ist ebenso zum Diess-Feind geworden wie die Betriebsratsvorsitzende Frau Cavallo. Wenn dann ein großes Problem mit der IT Tochter Cariad dazu kommt, hat man es schwer. Es hat viel bei der Software nicht geklappt und das ist teuer geworden. Vor Cariad wurden die schlechten China-Verkäufe angeprangert. Diess hatte in den letzten Monaten die Fortune gefehlt und das macht es bei fehlenden Unterstützern schwer.

VW-Chef Herbert Diess hatte sich immer wieder mit den Arbeitnehmervertretern im VW-Konzern überworfen. Hat der künftige VW-Chef Blume bei den Arbeitnehmervertretern ein besseres Standing als Diess?

Blume ist ein sympathischer, hoch angesehener Manager und Porsche-Chef. Er hat Porsche hervorragend geleitet und genießt hohe Achtung bei Mitarbeitern und Betriebsräten. Er ist nahbar. Von daher hat er bei den Arbeitnehmervertreten viel Rückenwind als VW-Vorstandsvorsitzender.

Kann Porsche-Chef Blume tatsächlich neue Impulse bei der Software-Strategie des VW-Konzerns im Gegensatz zu Diess setzen?

Die Software-Strategie wird sicher einer der zentralen Punkte und wird nicht eins-zu-ein fortgesetzt. Der Plan, alles eigenständig und zentral zu machen dürfte überdacht werden. Kooperationen und die einzelnen Marken werden wichtiger werden. Ob man da ein zentrales VW-Konzern Betriebssystem für die Fahrzeuge aller Marken haben wird scheint eher weniger realistisch. Die Fehlschläge bei der Einheits-Lösung, die Widerstände bei den einzelnen Marken werden nach meiner Einschätzung zu einem generellen Überdenken führen. Wie die Rolle von Cariad in der Zukunft sein wird ist unklar.

Welche Aufgaben im Konzern müsste er dabei jetzt am dringendsten angehen?

Die Software ist zentral und steht an erster Stelle. Dann kommen die großen Investitionen in die Batteriefabriken und die Batteriestrategie und dann ganz klar, die Integration von Europcar in die Financial Services. Dabei muss das China-Geschäft wieder zu alter Stärke, das ewige Thema USA in der Umsetzung klappen und das Trinity-Projekt in Wolfsburg erfolgreich starten. Also nicht eine Priorität, sondern viele.

Müsste er gerade bei der Software- und Batteriestrategie nicht auch eine engere Kooperation der deutschen Autobauer anstreben?

Bei der Batterie hat er mit seinem Vorstandskollegen Schmall und Frank Blume, dem CEO der neuen PowerCo, hervorragende Manager. Der Plan ist, die Batterie an die Börse zu bringen und damit nicht mehr als 100prozentige VW-Tochter zu arbeiten. Und das bringt die Chance, neue Kunden zu gewinnen. Ob das mit Kooperationen mit BMW oder Mercedes geht wird man sehen. Bisher waren alle Kooperationen zwischen den deutschen Autobauern nicht erfolgreich. Alles ging, wenn man so will nach einer gewissen Zeit "in die Hose". Von daher sollte man nicht zu viel Phantasie in die Kooperationen mit deutschen Autobauern legen. Es macht mehr Sinn, mit Tech-Konzernen, Zulieferern und Batterieherstellern im Austausch zu sein.


Der künftige VW-Chef Blume soll gleichzeitig Porsche-Chef bleiben. Ist das nicht zuviel auf einmal?

Ich gehe davon aus, dass diese Doppelrolle nicht für die Ewigkeit gedacht ist. Porsche soll an die Börse und da spielt der Porsche- Finanz-Chef eine wichtige Rolle. Und wer nach einem Börsengang (IPO) dann Porsche-CEO ist wird man sehen.

Gerade vor dem Hintergrund der Börsenpläne: Was bedeutet der Chefwechsel für den geplanten Börsengang von Porsche?

Um einen erfolgreichen IPO zu haben, kommt es auf die zukünftige Strategie des Unternehmens an. Wer Aktien kauft, macht das nicht, weil ein bestimmter CEO gerade an Bord ist, sondern er beurteilt die zukünftigen Chancen und Gewinne des Unternehmens und steigt dann ein. Und der Finanzchef von Porsche weiß, wie man eine glaubwürdige Strategie aufbaut, um neue Aktionäre zu überzeugen. Zusammengefasst gehe ich nicht von größeren Beeinträchtigungen aus.