Was noch vor einigen Monaten wie eine Schnapsidee klang, gewinnt in Griechenland immer mehr Anhänger. Mittlerweile können sich 30 Prozent der Griechen einen Euro-Abschied vorstellen, fand das Meinungsforschungsinstitut ALCO heraus. "Das ist immer noch eine Minderheit, aber eine wachsende", sagt dessen Chef Costas Panagopoulos. Den Grund dafür sieht er nicht nur im Dauerstreit mit den Geldgebern um Sparmaßnahmen und neue Hilfen, sondern auch in den von einigen Politikern vorgebrachten Forderungen, endlich wieder die Kontrolle über die eigenen wirtschaftlichen Angelegenheiten zu bekommen.
Der Beitritt zum Euro-Raum brachte Griechenland zunächst eine Phase kräftigen Wirtschaftswachstums. Doch seit Beginn der Rezession Ende 2008 hat das Land etwa ein Viertel seiner Wirtschaftskraft eingebüßt. Mehr als jeder Vierte Grieche hat keinen Job - Negativrekord in der gesamten Europäischen Union mit seinen 28 Mitgliedstaaten. Kein Wunder, dass angesichts solcher Daten ein Abschied vom Euro längst kein Tabu mehr ist.
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"EUROPA IST FÜR EINIGE ZUM FEIND GEWORDEN"
"Wir sind ein Land, das pleite ist", sagt Kostas Grammenos. "Warum nicht neu beginnen mit der Drachme", fragt der 65-Jährige. Sie ist eine der ältesten Währungen der Welt und wurde bereits mehrfach abgeschafft und wieder eingeführt, ehe sie 2002 vom Euro ersetzt wurde. Das Wort Drachme leitet sich von "ergreifen" ab.
Auch prominente Ökonomen machen den Griechen ein Drachme-Comeback schmackhaft. "Die Gläubiger sollten der Wahrheit ins Auge schauen und Griechenland die Möglichkeit geben, durch eine Abwertung der Drachme wettbewerbsfähig zu werden", sagt etwa Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. "Die Wirtschaft kommt dann wieder in Schwung und importiert nicht mehr so viel, denn die Importe werden ja viel teurer. Die Leute kaufen dann heimische Ware, und das bringt die Wirtschaft auf Vordermann."
69,7 Prozent der Griechen wollen "den Euro unter allen Umständen behalten", ergab allerdings eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GPO. Im Januar waren es noch mehr als 80 Prozent. "Europa wurde von einer großen Mehrheit als Notwendigkeit gesehen", sagt Meinungsforscher Panagopoulos. "Aber jetzt ist Europa für einen Teil der Gesellschaft zum Feind geworden."
Zu den Desillusionierten gehört auch Vassilis, der an einem Bankautomaten ansteht und Geld abheben will. "Was sollen wir noch fürchten? Wir wurden fünf Jahre lang zerstört - es gibt nichts mehr, wovor wir uns fürchten", sagt der Athener. "Für mich wäre es besser, zur Drachme zurückzukehren und unsere eigene Währung zu haben."
Reuters