Er hat es schon wieder getan. Lars Krogsgaard senkt erneut die Wachstumsaussichten für Nordex. Nachdem der Windanlagenbauer seine Prognose für 2016 vergangenen Winter auf das untere Ende der Zielspanne eindampfte, kippte der Däne nun auch noch die Pläne für dieses sowie das kommende Jahr. In 2017 soll der Umsatz 3,1 bis 3,3 Milliarden Euro erreichen. Am unteren Ende der Erwartungen würden Einnahmen damit im Vergleich zum Vorjahr um gut neun Prozent sinken. Analysten hatten für 2017 eigentlich gut 3,6 Milliarden Euro auf dem Zettel. Auch beim operativen Gewinn erwarten die Norddeutschen 2017 schlechter abzuschneiden als zuvor. Im vergangenen Jahr erreichte die Gewinnspanne vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda-Marge) mit 285,5 Millionen Euro 8,4 Prozent. Für die aktuelle Geschäftsperiode wird nun mit einer Ebitda-Marge von 7,8 bis 8,2 Prozent gerechnet.

Noch düsterer sieht das Bild 2018 aus. Zwar glaubt das Management beim Umsatz dann mit 3,4 bis 3,6 Milliarden Euro und stabiler Ertragskraft wieder wachsen zu können, doch eigentlich hatte sich Nordex viel mehr vorgenommen. Ursprünglich sollten die Einnahmen im kommenden Jahr auf 4,2 bis 4,5 Milliarden Euro steigen und die Ebitda-Marge weiter zulegen. Als Reaktion wurde die Aktie reihenweise herabgestuft. Das Analysehaus Kepler Cheuvreux hat Nordex nach der jüngsten Gewinnwarnung um zwei Stufen von "Buy" auf "Reduce" gesenkt. Das Kursziel stampfte Analyst Douglas Lindahl in einer Studie vom Montag von 27,00 auf 11,50 Euro ein. Nach der Bestätigung der sehr ambitionierten Ziele für 2018 vor gerade einmal fünf Monaten sei nun die Gewinnwarnung eine herbe Enttäuschung gewesen, so Lindahl. Er befürchtet, dass die strukturellen Probleme des Windturbinenherstellers sich eher noch verschlimmern könnten. Seine Gewinnerwartungen bis 2018 kürzte der Experte teilweise um über die Hälfte.

Noch pessimistischer äußert sich die Deutsche Bank bei ihrer Verkaufsempfehlung. Analystin Virginia Sanz De Madrid Grosse sagt, der Windturbinenhersteller habe sich offenbar bei den Wachstumsaussichten im Zusammenhang mit der Übernahme von Acciona Windpower (AWP) ebenso überschätzt wie die Einsparmöglichkeiten. Auch mit Blick auf den Preisdruck sei Nordex wohl zu optimistisch gewesen. Diese Fehleinschätzung stelle die Fähigkeiten des Managements zur Führung eines größeren Unternehmens ernsthaft in Frage. Auch Analyst David Vos von der britischen Bank Barclays sieht bei den Kursverlusten das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Er senkte sein Kursziel von 24 auf 11 Euro ab. Als ein Herausforderer in einer sich konsolidierenden Windkraftbranche sollte Nordex eigentlich schneller wachsen als die größeren Wettbewerber, schrieb Vos. Angesichts der Entwicklungen bei der Konkurrenz dürfte es sich nicht um eine einmalige Aufräumaktion handeln. Vielmehr scheine Nordex vor fundamentalen Herausforderungen zu stehen.

Tatsächlich weiß Nordex nicht erst seit seinen Gewinnwarnungen, wie schwer die Situation auf dem globalen Windmarkt ist. Grund: Wind wird zu Big Business. Die Zeiten in denen Mittelständler - und als solcher ist Nordex im Vergleich zu Riesen wie Siemens, GE oder der chinesischen Konkurrenz zu sehen - in staatlich subventionierten Märkten wachsen konnten, sind vorbei. Neue Spieler aus dem Reich der Mitte drängen mit Regierungshilfen, vorgefertigten Finanzierungen und Billigangeboten in die Wachstumsmärkte der Schwellenländer. In den westlichen Nationen wiederum werden die Subventionen Schritt für Schritt gesenkt, im zweitgrößten Widkraftmarkt Amerika ist mit Donald Trump ein Kohlebefürworter Präsident und die Branche konsolidiert. Nur wer groß ist, so die Experten-Meinung, kann dem steigenden Preisdruck durch Skaleneffekte begegnen.

Ironischer Weise hatte Nordex-Chef Krogsgaard als einer der ersten in der Industrie diese Einsicht und verstärkte die Norddeutschen mit dem 785 Millionen Euro teuren Kauf von AWP. "Ab jetzt zählt: Wie günstig kann eine Windkraftanlage Strom produzieren?", sagt Nordex-Manager Krogsgaard. Die Hamburger haben sich zum Ziel gesetzt, die sogenannten Stromgestehungskosten ihrer Turbinen, also die gesamten Umwandlungskosten von Wind in Strom, bis 2018 um rund 18 Prozent zu senken. "Entweder müssen die Turbinen effizienter werden oder eben günstiger hergestellt werden", sagt der Däne. Doch wie die Prognosen nun zeigen, scheint der Zukauf nicht die erhoffte Wirkung zu entfalten.

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Einschätzung der Redaktion



Angesicht des Kursturzes und den Analystenherabstufungen scheinen die schlechten Nachrichten weitgehend eingepreist. Bei so viel Pessimismus reichen schon kleine positive Überraschungen aus, um den Kurs zu treiben.

Und natürlich gibt es bei Nordex nicht nur Schatten. Der Konzern ist durch AWP mittlerweile auf fast allen Weltmärkten vertreten und deckt mit dem vergrößerten Produktangebot an Turbinen ein breites Einsatzspektrum ab. Zudem gingen die gesenkten Erwartungen für 2016 auch auf verschobene Bestellungen zurück, die zum Teil in diesem Jahr erfolgen dürften.

Den Konzern nun so zu bewerten, als hätte er die Hälfte seines Geschäftes verloren, wie es der seit Dezember 2015 um über 50 Prozent eingebrochene Kurs suggeriert, erscheint daher übertrieben. Doch das Wachstumspotential und die Synergieeffekte durch AWP scheinen deutlich kleiner als gedacht. Im harten Konkurrenzkampf verschlechtert das die Aussichten für Nordex deutlich. Während risikobereite Anleger auf einen Zwischenrally spekulieren können, sollten langfristig orientierte Anleger die Aktie daher vorerst meiden.

Empfehlung: Verkaufen.