Sind wir zu optimistisch? Trotz der hochgradig angespannten geopolitischen Lage, der galoppierenden Inflation und der damit verbundenen Aussicht auf Zinserhöhungen empfehlen wir in unserem DAX-Check 30 von 40 Index­ werten zum Kauf. Auf den ersten Blick passt das nicht zur ange­schlagenen Verfassung, in der sich der deutsche Leitindex gerade präsentiert.

Dazu muss man wissen, dass sich unsere Kursziele und Empfehlungen grund­sätzlich auf einen Zeitraum von zwölf Monaten beziehen. Die meisten DAX­-Aktien sind auf Basis fundamentaler Bewertungskriterien nicht teuer, auch nicht im Vergleich zu sich selbst, wenn man die durchschnittlichen Kurs­-Gewinn­, Kurs-­Umsatz­ und Kurs-­Cashflow­-Verhältnisse der Vergangenheit oder die historischen Dividendenrenditen zugrunde legt. Natürlich liegt unse­ren Einschätzungen die Annahme zugrunde, dass der Konflikt zwischen Russ­land und der Ukraine nicht in den Dritten Weltkrieg führen wird, ansonsten wären DAX-Kurse und ­Bewertungen mit Sicherheit eines der geringsten Pro­bleme, die uns in diesem Jahr beschäftigen. Wahrscheinlicher als Waffenge­walt ist, dass der Westen im Fall einer russischen Invasion in die Ukraine mit verschärften Sanktionen reagiert. Insofern würde eine Eskalation des Konflikts die Märkte wahrscheinlich ein paar Wochen lang kräftig durchschütteln. Wenige Monate später würden die Börsianer wohl feststellen, dass sich der Einfluss auf die Weltkonjunktur in Grenzen hält und sich der alte Spruch "Kaufen, wenn die Kanonen donnern" einmal mehr bewahrheitet.

Eine weniger zynische Börsenweisheit besagt: "Gegessen wird immer." Daher erschließt sich auch auf den zweiten Blick nicht jedem, warum wir im DAX­-Check trotz unseres (hoffentlich nicht übertriebenen) Optimismus ausgerech­net Delivery Hero als Verkaufskandidaten einstufen - selbst jetzt noch, da der Kurs um mehr als die Hälfte eingebrochen ist. Ganz einfach: Der Essensliefer­dienst zählt - wie alle unprofitablen Wachstumswerte - zu den Leidtragenden der Zinswende. Die Zeiten, als man sich über Wandelanleihen Milliarden quasi zinsfrei beschaffen konnte, sind vorbei. Jetzt wird die Schuldenlast zum Pro­blem.